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WILLKOMMEN ZUR READING PARTY!

Eine Party ist normalerweise eine ziemlich wilde Angelegenheit: bunt, laut, expressiv. Sie kann aber auch ganz anders aussehen. Bei einer Reading Party etwa gibt es weder Konfetti noch Karaoke, stattdessen viel Atmosphäre und Austausch. Was das Spannende an diesem Format ist? Und warum die Nachfrage alle Erwartungen übertrifft? Das haben uns Sonka Hinders und Rebecca Käpernick vom Oldenbook Kollektiv verraten.

Zusammen lesen: Dieses Bild wurde von einer KI erstellt. Unser Dank geht an all die kreativen Menschen, auf deren Leistungen sie zurückgegriffen hat. (Bild: Canva/Kulturschnack)

Es gibt ein Klischee, das sich schon seit Ewigkeiten hält: Lesen ist Privatsache und braucht Privatsphäre. Wir tun es am liebsten auf der Couch oder im Bett, notfalls auch im Wartezimmer oder im Bus. Vor allem aber tun wir es allein, nur für uns. Was wir lesen, geht schließlich niemanden was an. Oder etwa doch?


Diese Frage haben sich auch Carolin Becklas, Rebecca Käpernick und Sonka Hinders gestellt. Für die Doktorandinnen der American Studies an der Carl von Ossietzky Universität gehört die intensive Beschäftigung mit dem amerikanischen Zeitgeist und der Gegenwartskultur zum akademischen Alltag. Dabei stießen sie auf einen Trend, der das Lesen zu einer öffentlichen, gemeinschaftlichen Angelegenheit macht. Was es damit auf sich hat? Das lest ihr hier.


 

OLDENBOOK KOLLEKTIV

READING PARTY OLDENBURG


22. NOVEMBER 2024 (AUSVERKAUFT)

6. DEZEMBER 2024 (ANMELDUNG)


BEGINN: JEWEILS 18 UHR SALON 7

26122 OLDENBURG


 

Erst New York, dann Oldenburg


Alles Begann in New York. Die Metropole am Hudson River ist seit jeher ein riesiges Testlabor für neue Veranstaltungsformate - und auch die Reading Partys starteten dort vor einigen Jahren. „Wir sind letztlich in den Social Media darauf gestoßen“, blickt Rebecca zurück. Dort gebe es inzwischen eine sehr große Community rund um #Bookstagram und #Booktok mit einer wahren Heerschar an selbsternannten Bookfluencer:innen. „Bücher sind dort zum Trendthema geworden, das Lesen wird regelrecht gefeiert. Und irgendwann tauchten auch die Reading Partys auf“.


Zwei von drei: Rebecca Käpernick und Sonka Hinders, es fehlt Carolin Becklas. (Bild: Kulturschnack)

Dass die drei Doktorandinnen überhaupt darauf aufmerksam wurden, liegt zum einen natürlich an ihrem intensiven Blick auf die Populärkultur in den USA - aber auch an ihrer eigenen Leseaffinität. „Ich wollte schon als Kind ständig etwas vorgelesen bekommen“, erinnert sich Sonka und ergänzt: „Aber auch in meiner Dissertation geht es ums Lesen. Ich hab schon deshalb immer einen Blick auf die Themen und Trends.“



Was ist eine Reading Party?


Einer dieser Trends heißt also: Reading Party. Da er in Deutschland aber noch in den Kinderschuhen steckte und es deswegen nur ein geringes Angebot gab, wuchs bei Caro, Rebecca und Sonka der Wunsch, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Sie gründeten das Oldenbook Kollektiv, warben erfolgreich für Unterstützung - und waren plötzlich Veranstalterinnen.


Aber was muss man sich nun konkret unter einer Reading Party vorstellen? Bücher mit Beats, Lesen mit Lasershow? Nicht wirklich, gibt Rebecca Entwarnung: „Nach einer Anmoderation durch uns sind neunzig Minuten Lesezeit geplant, ganz in Ruhe. Danach tauschen wir uns in lockerer Runde über die Bücher aus.“ Das geschehe allerdings auf ganz andere Weise als bei den klassischen Buchclubs. Dort müssten nämlich alle Mitglieder bis zu einem bestimmten Termin dasselbe Buch lesen, um anschließend darüber zu diskutieren. „Bei uns bringt jeder sein eigenes Buch mit - auch eReader sind willkommen. Wir freuen uns gerade auf die Unterschiedlichkeit der Menschen und der Geschichten, betont Sonka. Es gebe auch keine Bewertung der Genres, alles sei gleichermaßen erwünscht und erlaubt. „Hauptsache, man hat Spaß am Lesen!“ Und so kann es durchaus dazu kommen, dass die Seniorin in einer herzzerreißenden Romanze schmökert, während neben ihr ein Student in die Abgründe der Horrorliteratur abtaucht - und beide sich am Ende rege darüber austauschen.



Ideale Location: Der Salon 7 ist seit Ende 2017 eine gute Adresse in Oldenburg, wenn man eine gemütliche Zeit verbringen will - auch zum Lesen. (Bilder: Salon 7)


Auch dieser Austausch nach der Lesezeit sei ganz entspannt und folge keiner bestimmten Dramaturgie, erklären die beiden. Er entsteht beinahe von allein, weil die Buchtitel und -cover der anderen Teilnehmer:innen gleich Gesprächsstoff bieten - etwa, weil man das Buch kennt oder auch schon immer selbst lesen wollte. „Es gibt ein reges Interesse, sich über Literatur auszutauschen“, hat Sonka beobachtet - nicht nur digital, sondern auch analog. Häufig bietet das Thema dann sogar Anknüpfungspunkte für mehr: „Die Bücher verraten natürlich immer auch ein bisschen was über einen selbst“, berichtet Rebecca. Und so entstünden auch Gespräche, die über die Buchdeckel weit hinausgehen.



Café meets Co-Reading-Space


Letztlich stellt das gemeinsame Lesen eine Art Entschleunigung dar. Zum einen, weil in einer Art stillen Übereinkunft alle dasselbe tun - zum anderen, weil diese Zeit als ein Ritual zelebriert wird. „Viele beklagen sich, dass sie nicht zum Lesen kommen. Allein dadurch, dass man dafür an einen bestimmten Ort geht, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass es klappt“, weiß Sonka. Rebecca stimmt ihr zu: „Es geht um das Lesen als bewusste Handlung, für die man sich spezifisch Zeit nimmt und auf die man sich einlässt.“ Das würde vielen im eng getakteten Alltag kaum noch gelingen. Außerdem setze man mit der Reading Party einen bewussten Gegenpol zu der verbreiteten Annahme, Lesen müsse zwangsläufig allein passieren. „Bei den Partys entsteht schnell ein lockerer Kontakt zu Menschen, die auch den ruhigeren Seiten des Lebens etwas abgewinnen können.“


Zwar gebe es in den Social Media sehr viel Content zum Thema Bücher und Lesen, doch der könne das reale Erlebnis nicht ersetzen, findet Sonka: „Die Leute nutzen natürlich das Internet. Der große Erfolg der Reading Partys zeigt aber, dass ihnen der persönliche Kontakt wichtig ist.“ Rebecca erkennt noch eine andere Ebene: „Man sieht es im Buchhandlungen und in Bibliotheken, aber auch bei uns in der Wissenschaft: Der Austausch über das, was man liest, das Diskutieren und Reflektieren, hat eine hohe Bedeutung.“ Das lässt sich durch einen simplen Klick unter einem Beitrag nicht ersetzen. Eine Reading Party ist letztlich eine Feier des Analogen und des Austauschs - und das wird in diesen Zeiten immer wichtiger.


BOOKFLUENCER:INNEN DER BEHÖRDE DAS LITERATURHAUS IM PODCAST Schon lange vor der Erfindung des Internets und der Social Media wurde das Literaturhaus Oldenburg gegründet - nämlich schon 1983. Seither sorgt es dafür, dass wir Literatur live begegnen können.

Die Lesungen des Literaturhauses Oldenburg sind etwas anderes als eine Reading Party, doch einige Elemente tauchen durchaus wieder auf. Der Austausch nach dem offiziellen Teil ist für viele Besucher:innen jedenfalls ähnlich wichtig wie die Lesung selbst - zumal es häufig die Gelegenheit gibt, mit den Autor:innen selbst ins Gespräch zu kommen. Wie das Literaturhaus sein Programm gestaltet, was die Herausforderungen dabei sind und wieso sich jede Veranstaltung lohnt? Das erfahrt ihr von Monika und Sina in unserem Podcast.


Bei alledem hilft natürlich die besondere Atmosphäre des Salon 7, der für eine Lesestunde geradezu prädestiniert ist. „Er hat eine kulturelle Prägung, das hat uns gefallen“, erklärt Sonka die Entscheidung. Etwas anderes hat zum Erlebnis aber auch beigetragen: Das Oldenbook Kollektiv wurde im September vom Mach|Werk Fonds für innovative Kulturprojekte unterstützt. Die entsprechende Förderung macht möglich, was sonst kaum geklappt hätte: „Wir müssen keinerlei Eintritt verlangen - das ist in anderen Städten durchaus anders", weiß Rebecca. Dort seien bis zum 15 Euro fällig. „Wir sind froh, dass wir solche finanziellen Hürden nicht aufbauen müssen. Bei uns ist jeder willkommen, bei uns soll sich jeder wohlfühlen.“ Das Geld kann stattdessen in ein Heißgetränk nach Wahl investiert werden, damit jeder die Atmosphäre für sich perfektionieren kann.



Stimmungsvoll: Die Vorfreude auf die Reading Party wächst schon außerhalb des Salon 7 - solange es nicht regnet. (Bild: Kulturschnack)

Der Plan mit dem Stadion


Einen Haken gibt es allerdings - falls man das so bezeichnen möchte. „Unsere erste Veranstaltung war rasend schnell ausgebucht“, erzählt Sonka, die von diesem Erfolg selbst überrascht war. Die insgesamt 24 Plätze waren so schnell vergriffen, dass man sich kurzerhand entschloss eine zweite Reading Party anzubieten, die aber ähnlich großes Interesse auf sich zog. Wer nicht zum Zuge gekommen ist, muss sich allerdings nicht grämen. „Wir planen, alle zwei bis drei Monate Reading Partys stattfinden zu lassen“, wirft Rebecca einen Blick in die Zukunft. Als Ort des Geschehens ist weiterhin der Salon 7 vorgesehen, aber: „Wenn die Nachfrage dauerhaft so hoch sein sollte, muss man vielleicht umdenken.“


Und wer weiß? In einer Stadt wie Oldenburg, in der Bildung eine große Rolle spielt, in der man aber auch Gemütlichkeit und Geselligkeit zu schätzen weiß, ist natürlich einiges möglich. Vielleicht wird eines Tages das neue Stadion - sollte es schließlich gebaut werden - nicht mit einem Fußballspiel eröffnet, sondern mit einer Reading Party. „Das wäre absolut gigantisch“, muss Rebecca bei dieser Vorstellung lachen. Und auch wenn der Gedanke zu diesem Zeitpunkt wenig realistisch ist, wäre er doch eine charmante Sensation - und eine bessere Werbung für die Stadt als ein mühsames 1:1 gegen Drochtersen/Assel.


Wohlfühlatmosphäre: Eine Reading Party bietet bewusste Zeit zum Lesen, mit einem Heißgetränk in der Hand wird's geradezu perfekt. (Bild: Pexels)

Gekommen, um zu bleiben


Das Klischee bleibt vorerst vermutlich noch bestehen: Lesen ist Privatsache und braucht Privatsphäre. Es ist auch gar nichts dagegen einzuwenden, wenn es jemand so hält und weiterhin so halten möchte. Gleichzeitig muss man aber erkennen, dass diese Variante Nachteile mit sich bringt: Es fehlt schlicht an Geselligkeit und an Austausch. #Bookstagram und #Booktok zeigen, wie wichtig den Menschen das ist.


Kein Wunder also, dass auch die Reading Partys erfolgreich in New York gestartet sind, von dort aus ihren Siegeszug um die Welt antraten und nun auch in Oldenburg gelandet sind. Dank dreier Doktorandinnen, die von der Idee nicht nur fasziniert waren, sondern auch den Mut und das Herz hatten, mit Oldenbook selbst etwas uaf die Beine zu stellen. Wir dürfen Caro, Rebecca und Sonka dankbar dafür sein. Denn unsere Stadt ist mit diesem Format um eine Option reicher, die einerseits großstädtisch-modern wirkt, die andererseits aber auch unser Bedürfnis nach Gemeinschaft und Gemütlichkeit stillt. Also: Holt die Bücher raus, let's get the party started!

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