DAS STADTGESPRÄCH
- Thorsten Lange
- vor 2 Tagen
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Aktualisiert: vor 2 Tagen
Es war ein Experiment: Im November 2023 brachte das Theater k mit „Annes Kultursalon“ ein neues Bühnenformat an den Start. Die bunte Mischung aus Talkshow, Theater und Musik stand in enger Verbindung mit der Hauptdarstellerin Anne-Sophie Zarour. Sie ist alles auf einmal: Gastgeberin, Sängerin, Moderatorin, Quizmasterin, Schauspielerin - und sie glänzt in jeder Rolle. Doch würde dieses gewagte Format zwischen ernstem Gespräch und buntem Glitzer mit einem bisschen Personenkult in Oldenburg tatsächlich funktionieren? Nach der zehnten Auflage steht fest: Ja. Und ob!

„Ich muss gestehen: ich bin heute das erste Mal hier.“ Diesen Satz hörte man am 5. Dezember 2025 nicht nur einmal im Foyer des Theater k. Viele Gäste der restlos ausverkauften Veranstaltung hatten das zehnte Jubiläum von „Annes Kultursalon“ zum Anlass genommen, endlich zu schaffen, wozu sie bisher nicht gekommen waren: Dieses etwas verrückte Veranstaltungs-Experiment des Theater k, von dem sie schon so viel gehört hatten, endlich einmal live zu erleben,
Es war aber nicht der einzige Satz, der an diesem Abend mehrfach zu vernehmen war. Meist folgte nämlich ein zweiter: „Aber ich finde es großartig!“ und ähnliche Aussagen folgten auf das Bekenntnis der persönlichen Premiere. Die vielen Neugierigen waren fast ausnahmslos positiv überrascht worden - vom kreativen Format, von der Vollblut-Bühnenfrau Anne-Sophie Zarour und von der inhaltlichen Substanz des Abends. Denn: Zum 10. Kultursalon waren die beiden Kandidaten für das Oldenburger Oberbürgermeister-Amt zu Gast, Ulf Prange und Jascha Rohr. Es war das erste Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten überhaupt. Dass dies im Kontext der Kultur passierte, ist eine positive Überraschung - und ein Zeichen dafür, welche Rolle „Annes Kultursalon“ inzwischen einnimmt.
Die gestiegene Bedeutung ist mehr als ein Gefühl, sie ist auch konkret an den Besucher:innenzahlen anzulesen. „Sie sind seit dem Beginn im November 2023 kontinuierlich gestiegen“, verrät Anne im Gespräch. Es gebe zwar ein Stammpublikum, das der Show zum Teil von Anfang an die Treue halte - was das Team sehr glücklich mache. „Wir freuen uns aber jedes Mal auch über neue Gesichter.“ Und die sehe man bei den folgenden Shows dann häufig wieder.
Anders als die alten Herren
Bei der Jubiläumsausgabe saß erwartungsgemäß viel Oldenburger Politikprominenz im Publikum, aber eben nicht nur. Immer mehr Interessierte kommen regelmäßig, wenn Anne zum Talk bittet. Kein Wunder: Die ungewöhnliche Mixtur erweist sich in der Praxis nämlich als eine attraktive, abwechslungsreiche, kurzweilige Komposition. Ältere Besucher:innen werden sich hier und da an die großen Fernsehshows der 80er Jahre erinnert gefühlt haben, in der ältere männliche Showmaster wie Hans-Joachim Kulenkampff, Joachim Fuchsberger oder Harald Juhnke im Mittelpunkt standen und den gesamten Abend mit ihrer Persönlichkeit (und Selbstverliebtheit) prägten.

Was damals meist biederen Altherren-Charme versprühte, wirkt mit Anne jedoch vollkommen anders: frisch, dynamisch und durchaus aufregend. Sie besitzt ohne Zweifel die nötige persönliche Präsenz, um als Conférencière durch den Abend zu leiten - stets mit den Zügeln in der Hand, aber ohne jenes aufdringliche Geltungsbedürfnis, das die Showmaster von einst ausmachte. Dennoch bringt Anne eben jene „Hier bin ich“-Attitüde mit, die es einfach braucht, um voller Überzeugung den Abend zu rocken. „Die nötige Kraft und Energie sind schon zum Teil in mir“, weiß Anne. „Aber das Publikum bringt immer eine eigene Spannung, Aufregung und Neugierde mit. Das überträgt und vermischt sich bei jedem Auftritt.“
15.03.2024
Generationswechsel in der Kulturszene
Mit dabei waren:
Students for future, Oldenburg
Dr. Ekkehard Seeber - ehem. Kulturdezernent der Stadt Oldenburg
Dr. Steffen Wiegmann - Leiter des Stadtmuseums
Nicola Heppner - Geschäftsführerin der Werkschule
31.05.2024
Junge Kultur in Oldenburg
Mit dabei waren:
Nele Honig - Kulturmanagement
Kunstkomplex - junges Kollektiv
Jutta Schober-Stockmann - Grüne, Kulturausschuss
Paula von Sydow - Kulturamt der Stadt Oldenburg
11.10.2024
Kultur - ein Katalysator für Demokratie und Zusammenhalt?
Mit dabei waren:
Gesine Geppert - Die Vielen
Michal Musialowski - Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg, Migration and Intercultural Relations
Carola Schede - Jade Hochschule
Alexander Hauer - Opus 100
22.11.2024
Edith Ruß Haus: Namensgebung zwischen Schuld und Scham
Mit dabei waren:
Edit Molnár und Marcel Schwierin – beide seit Jahren als Kurator*innen in zeitgenössischer Kunst und Medienkunst tätig und derzeit in der Leitung des Edith Russ Hauses.
Dr. Ralf Vogt – Psychotherapeut und Fachautor aus Leipzig, u.a. zum Thema Schuld und Scham.
14.03.2025
Fußball ist unser Leben? Oder: Ist das Stadion noch zu verhindern?
Mit dabei waren:
Klaas Brümann - Bürgerinitiative KEIN StadionBau
Nicole Selmer - Sportjournalistin und Autorin
23.05.2025
Auto ade? Oder: Wird der Pferdemarkt das neue Wohnzimmer der Stadt?
Mit dabei waren:
Christine-Petra Schacht - Stadtbaurätin der Stadt Oldenburg
Jascha Rohr - Gründer und Geschäftsführer des Instituts für partizipatives Gestalten
25.09.2025
Oldenburg - Kulturhauptstadt Europas oder des Ammerlands?
Mit dabei waren:
Holger Denckmann (Kulturdezernent)
Georg Heckel (Generalintendant des Oldenburgischen Staatstheaters)
Mathilda Kochan (Leitung Theater k)
Reinhard Richter (Kulturberater)
05.12.2025 Blicke zurück, Schritte nach vorn: Die OB-Wahl und die Kultur
Mit dabei waren:
Ulf Prange, Oberbürgermeister-Kandidat der SPD
Jascha Rohr, Oberbürgermeister-Kandidat von B90/`GRÜNE und CDU
Wahlsieg für die Kultur
Die eingestreuten Theaterelemente mit den beiden Kulturetage-Urgesteinen Ralf Selmer und Uwe Bergeest waren durch das launige Zusammenspiel mit der deutlich jüngeren Anne durchaus ein Gewinn für den Abend. Auch das aufschlussreiche Kulturquiz war eine gelungene, vielleicht aber etwas zu lange Abwechslung. Jedes einzelne Element trug jedoch dazu bei, den Abend auf angenehme Weise bunt zu machen.

„Wir waren anfangs etwas unsicher, ob sich das Format etabliert, weil die Mischung aus Theater, Gesang und Talk zu aktuellen kultur- und stadtpolitischen Themen ein völlig neuer Ansatz war“, weiht uns Anne ein. Das Konzept habe den Darstellenden aber die einzigartige Möglichkeit gegeben, schwere und kritische Themen mit Humor und Leichtigkeit zu würzen. „Das finde ich großartig! Denn das gab es in dieser Form in der Kulturetage noch nie!“ Die Sorgen erwiesen sich schließlich als unbegründet, denn das Publikum konnte sich für diese Neuerung ebenfalls begeistern.
Das Kernstück und Rückgrat des Kultursalons bildet aber das Gespräch mit den geladenen Gästen. Für viele Besucher:innen waren Ulf Prange und Jascha Rohr auch der Grund für ihr Kommen - nur um schließlich davon überrascht zu werden, dass der Abend noch viel mehr zu bieten hatte als „nur“ Talk. Der aber hatte es in sich: Anne gelang es, den Blick der Kandidaten auf die Kultur nicht nur anzureißen, sondern ihm durchaus Tiefe zu geben. Es blieb nicht dabei, dass die Beiden Schlagsätze aus den Wahlprogrammen zitierten, sie mussten durchaus Bekenntnisse ablegen, Positionen klarmachen und konkret werden. Überaus positiv dabei: Die Bedeutung der Kultur lag beiden glaubhaft am Herzen - nicht zuletzt aufgrund prägender persönlicher Erfahrungen. Nach den Äußerungen an diesem Abend ist davon auszugehen, dass die Kultur aus der Wahl im Herbst 2026 unabhängig vom Ergebnis gestärkt hervorgehen dürfte.
Mit Doppelspitze zur Kulturhauptstadt?
Auch wenn Jascha Rohr und Ulf Prange durchaus unterschiedliche Hintergründe, Werdegänge und Schwerpunkte haben, waren sie sich bei vielen kulturellen Themen überraschend einig. Die Überschneidungen waren offenbar so auffällig, dass es aus dem Publikum die Frage gab, ob die beiden nicht eine Doppelspitze bilden wollten. Zu dieser charmanten Vorstellung mochten sie sich schließlich doch nicht durchringen. Aber ihre klaren Bekenntnisse zur Bedeutung der Kultur für den Standort Oldenburg, zu ihrer wichtigen Rolle als Impulsgeber für die Gesellschaft und gegen undemokratische Tendenzen sorgte im Publikum über alle Parteipräferenzen hinweg für positive Stimmung. Dass sie sich zudem auch zu gerechter Bezahlung der Kulturakteur:innen bekannten, stieß bei den Vertreter:innen der Szene auf viel Anerkennung.

Als überparteiliches Kulturmagazin gehen wir an dieser Stelle nicht im Detail auf die Äußerungen der Oberbürgermeister-Kandidaten ein. Eine - einmal mehr weitgehend deckungsgleiche - Aussage wollen wir euch aber nicht vorenthalten, zumal sie Bezug auf einen anderen Kultursalon nimmt. Im September 2025 wurde - mit Blick auf die aktuelle Amtszeit von Chemnitz - im Theater k nämlich über eine mögliche Bewerbung Oldenburgs zur europäischen Kulturhauptstadt diskutiert. Dies wäre aus verschiedene Gründen erst zur Mitte der 2030er Jahre möglich. Doch von der ambitionierten Vision, sich auf eine Bewerbung vorzubereiten, schienen sowohl Ulf Prange als auch Jascha Rohr augenblicklich gepackt, sahen doch beide das große Potenzial in einer derart verbindenden Vision. Wenn es eines Tages also so weit sein sollte - dann wurde der Zündfunken rückblickend in Annes Kultursalon geschlagen.
Annes Kultursalon: Nicht verpassen!
Als der Abend nach über drei Stunden endete, war im Theaterfoyer eine geradezu gelöste Stimmung zu spüren, noch lange nach dem Schlussapplaus fanden etliche angeregte Gespräche statt - auch mit Anne selbst. „Ich empfinde sehr große Freude, Stolz und Dankbarkeit, für das Interesse der Zuschauenden - und dafür, dass Bernt Wach und Mathilda Kochan mir diese Show zugetraut haben“, sagt sie und strahlt dabei, als würde sie gerne noch weitere drei Stunden moderieren. Viele Gäste mögen tatsächlich zum ersten Mal bei Annes Kultursalon gewesen sein - aber sicher nicht zum letzten. Dass auf den Fluren zudem gemunkelt wurde, dass das Line-up des Abends womöglich gar nicht vollständig war, weil es womöglich noch weitere Kandidat:inenn geben könnte? Dass dabei aber alle vergeblich rätselten, um wen es sich dabei handeln könnte? Trug auf seine Weise zum Reiz der Veranstaltung bei - und zu dem Eindruck dass man bei „Annes Kultursalon“ besser nicht fehlen sollte, wenn man beim „Talk of the town“ ganz vorne mitdiskutieren möchte.

Dem Theater k sind mit diesem Format gleich mehrere Dinge gelungen, die so nicht zu erwarten waren. Erstens konnte ein Format etabliert werden, dass es in dieser Form bisher nicht gab, dessen Realisierung überaus mutig war und das entgegen mancher Erwartung wunderbar funktioniert. Zweitens hat sich gezeigt, dass der Fokus auf eine Person keine Gefahr sein muss, sondern vielmehr eine Chance darstellt, die im Fall von Anne-Sophie Zarour bestens genutzt wurde. Und drittens ist ein substanzieller Debattenort entstanden, der kulturelle und kulturverwandte Themen offen bespricht und damit einen echten Mehrwert für die Stadt bietet. Richtig: „Annes Kultursalon“ war ein Experiment. Nach zehn gelungenen Ausgaben mit dem Höhepunkt zum Jubiläum ist aber der Beweis erbracht: Oldenburg ist vollauf salonfähig.



