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EIN HÄNDCHEN FÜR NEUES

Wir starten eine neue Kooperation! In Zusammenarbeit mit der Kommunikationsagentur Mediavanti veröffentlichen wir in loser Folge Portraits von Personen aus der Oldenburger Kulturszene - geschrieben von jungen Volontär:innen. Zum Auftakt dreht sich alles um Museumsleiter Dr. Steffen Wiegmann. Er berichtet über den Bau des neuen Stadtmuseums, seine Position als Steuermann und die notwendige Intuition.


Dr. Steffen Wiegmann bei der Grundsteinlegung für den Neubau des Stadtmuseums Oldenburg
Händchen für Neues: Auch mit der Spraydose geht Steffen Wiegmann gekonnt um. (Bild: Hause Christian Dittrich)

Von Katja Hofmann


Ein Museumsteam ohne Museum. Heimatlos. So geht es Steffen Wiegmann und seinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Stadtmuseum Oldenburg momentan. Doch so trist, wie das klingt, ist es gar nicht. Die Stimmung ist eine andere: Aufbruch. Neuanfang. Chance. Und das alles bedeutet sehr viel Planung.


Für Wiegmann ist das kein Problem. Er brennt für neue Projekte, kreative Aufgaben und lebendige Zusammenarbeit. Jetzt, wo das alte Museumsgebäude abgerissen ist, hat das Team ein Büro direkt am Marktplatz. Es wirkt alles ein wenig zu groß, ein wenig zu grau, ein wenig zu förmlich für die kreativen Köpfe, die hier zusammensitzen. Die einzigen Farbtupfer sind Plakate aus dem Stadtmuseum an den Wänden und Flyer, die auf Beistelltischen ausliegen. Die meisten Türen sind nur angelehnt, sodass auch mal einfach über den Flur gerufen werden kann, wenn nötig. Im Chefbüro lehnt ein bunter Regenschirm am Garderobenständer.


NEUE KOOPERATION RAUM FÜR TALENTE Beim Kulturschnack dreht sich alles nur um eines: die anderen. Wir verstehen uns als Bühne für Menschen, die uns inspirieren und bereichern. Das gilt normalerweise nur für die Kultur, doch nun weiten wir dieses Prinzip aus. In Kooperation mit der Kommunikationsagentur Mediavanti werden wir in Zukunft wir jungen Nachwuchs-Redakteur:innen die Möglichkeit, auf dem Kulturschnack journalistische Portraits über Personen aus der Szene zu veröffentlichen. Sie perfektionieren dabei Stil und Methoden, wir erhalten spannende Einblicke in die Persönlichkeit der Protagonist:innen.


Portraitfoto der Volontärin Katja Hofmann von der Mediavanti GmbH in Oldenburg
Text-Talent: Zum Auftakt unserer Koop gelang Katja Hofmann ein stimmiges Portrait. (Bild: Bonnie Bartusch)

Der innere Ökonom bejubelt so etwas mit Win-win. Man könnte aber auch sagen: Eine sinvolle Sache - und eine tolle Kooperation. Den Anfang macht Katja Hofmann. Die 23-Jährige studierte von 2019 bis 2023

Medienwirtschaft und Journalismus in Wilhelmshaven. „Meine Stärken lagen aber eher beim Schreiben als bei den Wirtschaftsthemen“, lautet Katies ehrliche Selbsteinschätzung. Geschrieben habe sie bereits, als sie noch ganz klein war, erzählt die gebürtige Bremerin weiter. Und so absolvierte sie bereits vor dem Studium ein Praktikum beim Weser Kurier. Nach Oldenburg verschlug sie schließlich ein Praxissemester bei der Mediavanti GmbH. Agenturchef Claus Spitzer-Ewersmann - dem Nachwuchsförderung seit jeher ein Anliegen ist - war so überzeugt von Katies Talent, dass er ihr direkt eine Weiterbeschäftigung anbot. Ihr Studium schloss sie daher als Werksstudentin ab, bevor sie im Sommer 2023 ihr Volontariat begann.


Als der 43-Jährige im Dezember 2019 die Stelle als Leiter des Stadtmuseums antrat, bestand die Stellenbeschreibung vor allem aus Aufgaben strategischer Art: Personalentwicklung, Budgetverantwortung, Kommunikation. Dass die Anforderungen viel tiefer gehen, wusste der studierte Historiker und Politikwissenschaftler auch damals schon aus erster Hand. Das Stadtmuseum Oldenburg ist nicht das erste Museum, dessen Neubau er begleitet.



Mit dem Flow gehen, den eigenen Weg finden


Der in Warendorf Geborene zog 1999 für sein Studium nach Münster, später für den Master nach Hamburg. Geschichte war schon in der Schule sein Lieblingsfach. „In dem Fach konnte man viel reden, was mir sehr entgegenkam“, lacht er. „Geschichte war für mich immer schon spannend – und vor allem auch sehr lebendig.“ Was seine Mitschülerinnen und Mitschüler vielleicht langweilte, erweckte in Steffen Wiegmann eine Leidenschaft. „Was ich damit später dann anfangen könnte, wusste ich allerdings noch nicht. Ich habe darauf gesetzt, dass mir das im Laufe des Studiums schon aufgehen wird. Es hat zwar eine Weile gedauert, aber so war es dann auch.“ Über einige Zwischenstationen erkundete der damals 22-Jährige seine Möglichkeiten: Beim Münchner Merkur, am Landtag in Düsseldorf und schließlich am Norddeutschen Landesmuseum - Altonaer Museum in Hamburg, wo er seine Liebe für die Museumsarbeit entdeckte.


„Ich erkannte, dass Museen ja nicht nur Vergangenheit bedeuten, sondern auch mit der Gegenwart zu tun haben. Und man kann gestalten und kreativ sein – Jackpot!“

Wichtig für den Job sind nicht zuletzt auch Menschenkenntnis und Intuition. Und mit der Organisation der ersten eigenen Ausstellung springt der Funke für „Museumsmenschen“, wie Steffen Wiegmann sich und seine Kolleginnen und Kollegen nennt, meist endgültig über. Wer jetzt Feuer fängt, bleibt auch dabei.


Dr. Steffen Wiegmann, Leiter des Stadtmuseums Oldenburg, bei einer Rede am Museum Friedland
Wiegmann packt an: Engagement ist Ehrensache - solange genug Raum fürs „Familien-Ich“ bleibt. (Bild: Museum Friedland)

Sein Weg führte Wiegmann über das Auswandererhaus Bremerhaven, das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg und die Wirtschaftsförderung Bremen im Bereich Kultur und Kreativwirtschaft. Parallel promovierte er in Osnabrück, arbeitete dann in einem Bremer Medienunternehmen, schließlich beim Hafenmuseum Speicher XI. Für ihn sind berufliche Meilensteine keine festgelegten Punkte, sondern können auch ineinander übergehen. Das ist aber nichts Negatives: „Diese Phasen, in denen ich manchmal auch geschwommen bin, haben mir im Nachhinein sehr viel gebracht“, betont er. Mit dem Flow zu schwimmen, kann eben manchmal genau der richtige Weg sein.



Inspirierend, identitätsstiftend, lebendig


Beim Museum Friedland konnte Steffen Wiegmann das erste Mal den Neustart eines bestehenden Museums begleiten. Im Jahr 2016 begann hier der Neubau. Vom Architekturwettbewerb an war er dabei, sammelte Erfahrungen mit der Thematik. „Das hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass ich für die Stelle in Oldenburg ausgewählt wurde“, schätzt Wiegmann. Der Wiederaufbau eines Stadtmuseums hat ihn von Anfang an gereizt. Und das in Oldenburg noch ein zweites Mal anzugehen, ist für ihn ein echter Glücksfall.

Zwar war das Stadtmuseum noch für ein Jahr geöffnet, als er seinen Job antrat. Aber dass der Abriss vor der Tür steht, stand schon fest. Bis auf Überlegungen zur neuen Außenfassade fiel alles ab sofort in den Aufgabenbereich des neuen Museumsleiters. Da kam einiges an Konzeptionierung zusammen: Wie sollen die museumspädagogischen Räume aussehen? Wie werden die historischen Villen eingebunden? Und welches Schließsystem ist das richtige?



Die historischen Francksen-Villen des Stadtmuseums Oldenburg
Geschichte trifft Zukunft: Die Baustelle des neuen Stadtmuseums steht symbolisch für die Tätigkeiten von Museen. (Bild: Caspar Sessler)

Nicht zu vergessen die zentrale Frage, die sich stellt: Warum ist dieses neue Stadtmuseum so wichtig? Ganz einfach: „Es ist essenziell für die Stadtgesellschaft“, weiß Steffen Wiegmann. Und genau deshalb brennt er so sehr für seine Arbeit. Das neue Stadtmuseum soll eine Plattform für Gruppen und Akteure unterschiedlichster Bandbreite bieten. „Es soll Augen öffnen und zeigen: Diese Themen haben mit meiner Lebenswirklichkeit zu tun, mit persönlichen und öffentlichen Erinnerungen und Geschichte, die in der Ausstellung einen Gegenwartsbezug erhält.“ Partizipative Projekte und eine externe Jury, die über relevante Themen entscheiden soll, sind fest eingeplant. „Inspirierend, identitätsstiftend, lebendig“ – das ist Wiegmanns Vision für das neue Stadtmuseum.



In der Stadt, aber auch im Museum


Bereits seit Beginn der Schließung galt es, diese Vision in die Realität umzusetzen. Der Weg: „In der Stadt, statt im Museum.“ Plakatiert mit einem orangefarbenen Hintergrund finden sich Ausstellungen zur Stadtgeschichte an vielen Orten in Oldenburg. „Mittlerweile haben die Menschen sich daran gewöhnt und bringen die Farbe mit dem Stadtmuseum in Verbindung“, weiß Wiegmann. Deshalb soll sie auch bleiben – vielleicht nicht ganz so auffällig, aber dennoch mit Wiedererkennungswert.



Großprojekt: Der Neubau des Stadtmuseums prägt Steffen Wiegmann Arbeit. (Animation: JES Architekten und Gruppe GME Architekten BDA)


Die Stadtausstellungen werden weiterhin stattfinden, aber ein neues Zuhause braucht das Museum trotzdem: „Nur so gibt es einen festen Ort, zu dem die Menschen kommen und an dem sie Kontakt aufnehmen können“, erklärt Wiegmann. Das Ziel lautet Outreach. Das bedeutet, Gruppen zu erreichen, die sonst nicht in Museen gehen. Die Stadtausstellung als Katalysator für die Ausstellung im Haus. Das Museum in der Stadt als Verbindung zu ihren Einwohnerinnen und Einwohnern. Und dann: Die Stadtgeschichte aller Teile Oldenburgs vereint unter einem Dach.



Zwei Städte, eine Leidenschaft


Bei allem Herzblut, das er für das Stadtmuseum Oldenburg mitbringt – Steffen Wiegmann selbst lebt im Viertel in Bremen. Trotz des täglichen Pendelns seit mittlerweile vier Jahren hat er eine enge Bindung zu Oldenburg aufgebaut. Stressig ist das für ihn nicht, eher entschleunigend. Die vierzig Minuten in Bus und Bahn nutzt er als Puffer zwischen seinem Museums-Ich und seinem Familien-Ich. Letzteres ist ihm ebenso wichtig wie seine Arbeit. Mehr noch: Das Familien-Ich hilft ihm, Kraft für das Arbeits-Ich zu schöpfen. „Menschen, die nur arbeiten, sind mir nicht geheuer“, sagt er schmunzelnd. „Das merkt man ihnen auch immer an. Familien-Stress ist für mich ein positiver Stress.“


Dr. Steffen Wiegmann, Leiter des Stadtmuseum Oldenburg, bei der Grundsteinlegung für den Neubau
Klarer Blick Richtung Zukunft: Steffen Wiegmann hat Spaß daran, Dinge neu zu denken. (Bild: Hauke Christian Dittrich)

Um jede Art von Stress abzubauen, ist Wiegmann auch zweimal wöchentlich auf dem Fußballfeld in Reichweite des Weserstadions in der Pauliner Marsch oder auf dem Stadtwerder zu finden.   


Und doch ist Oldenburg für ihn ein besonderer Ort, den er immer besser kennenlernt. „Ich habe ein gutes Gespür für Oldenburg und vor allem für die Menschen, die hier leben“, sagt er. Hier kommt sein Beruf ihm zugute, denn mit dem Wissen über eine Stadt verhält es sich wie mit dem Wissen über Geschichte: „Man muss nicht jedes Detail kennen, sondern nur den Ort, an dem man es herausfinden kann. Ebenso wenig muss man sich in jedem Stadtteil heimisch fühlen, sondern vielmehr Menschen von dort kennen, die einem mehr über ihren eigenen Lebensmittelpunkt erzählen können.“



Einer für alles, aber gemeinsam


Ähnlich gestaltet sich auch die größte Herausforderung als Museumsleiter: Man ist überall dabei, steuert jeden Prozess mit, muss aber aufpassen, dass man den Prozess nicht übernimmt. „Meine Arbeit ist ein engmaschig gestricktes Netz aus Terminen mit einzelnen Zuständigen für Teilprojekte. Ich übernehme die Funktion eines Steuermanns in diesem Netz, aber das Durchführen der Projekte liegt bei den jeweils Zuständigen“, erklärt der Wahlbremer. Das ist wichtig, denn alle Vorgänge nicht nur zu steuern, sondern auch umzusetzen, wäre schlichtweg überfordernd.



Ihr wollt (noch) mehr über Steffen Wiegmann und seine Arbeit am Stadtmuseum erfahren? Dann hört in unseren Podcast rein!

Hilfreich ist für Steffen Wiegmann das kleine Team, auf das immer Verlass ist. Vierzehn Mitarbeitende gibt es, wovon einige nur temporär dabei sind, etwa weil sie zwischen den drei städtischen Museen wechseln. Die Zusammenarbeit stellt die wichtigste Grundlage für den Erfolg des neuen Stadtmuseums dar. Seine Maxime:


„Jeder bringt seine eigenen Ideen und Stärken mit und zieht doch mit am selben Strang. Gemeinsam bauen wir so das Stadtmuseum auf, das wir uns immer vorgestellt haben.“

Wenn man sein Team fragen würde, was für ein Chef er ist, würde die Antwort vermutlich „humorvoll“ lauten. Er schreibt gern Texte, ist ein starker Erzähler. Gesprächig. Kreativ. Dabei findet Wiegmann selbst sich überhaupt nicht kreativ. Er bringe nur die nötige Intuition mit. „Ich kann erkennen, wenn ein Mensch in einem bestimmten Bereich gute Ideen mitbringt und leidenschaftlich ist“, erklärt er. „So sorge ich nicht immer selbst für Veränderung, sondern bringe die Menschen zusammen, die gemeinsam etwas Neues erschaffen können.“ Etwas Neues, so wie eine perfekt geplante Heimat für das Stadtmuseum. Den Ort, an dem Stadtgeschichte für alle zum Greifen nahe wird.

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