ORANGE DAYS: MIT DER KRAFT DER KULTUR
- Thorsten Lange
- vor 5 Tagen
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 4 Tagen
Ob Warnwesten, Verkehrshütchen oder Ampeln: Die Farbe Orange hat seit jeher eine Signalwirkung. Das betrifft aber nicht nur Straße und Baustellen, sondern auch ein bedeutendes gesellschaftliches Thema: sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen. Am 25. November werden einige markante Gebäude in orangefarbenes Licht getaucht, um auf das allgegenwärtige, aber oft unsichtbare Problem aufmerksam zu machen. Bei dieser Symbolik bleibt es aber nicht: Auch die Kultur spielt eine wichtige Rolle.

Es ist ein grausame Wahrheit, aber: Sexualisierte Gewalt ist Teil unseres Alltags. Alle vier Minuten erleidet eine Frau Gewalt durch ihren (Ex-) Partner, allein in Niedersachsen gibt es täglich 250 Fälle. In Deutschland wird fast jeden Tag ein Femizid verübt. Dies führt zu einem allgemeinen Gefühl der Unsicherheit und Unfreiheit. 90 Prozent der jungen Frauen geben an, nachts bei Begegnungen mit unbekannten Männern starke bis extreme Angst zu empfinden. So bedeutsam es auch ist, die meist männlichen Täter zu bestrafen: Noch besser wäre es, wenn es gar nicht erst zu den Taten käme. Wenn übergriffiges Verhalten gesellschaftlich so weit und so konsequent geächtet wäre, dass es allgemeiner Konsens ist, dass es niemals infrage käme - auch nicht in vermeintlich harmlosen Erscheinungsformen.
Genau darauf zielen die Orange Days in Oldenburg ab. Sie wollen für Awareness sorgen - also Aufmerksamkeit für die Existenz und die Tragweite des Problems, aber auch für das eigene Verhalten. Dabei nutzen sie nicht nur den Signaleffekt der Farbe, sondern auch die Wirkungsmacht der Kultur. Wie das in Oldenburg im einzelnen aussieht? Darüber haben wir mit Katrin Meilke vom Studierendenwerk Oldenburg gesprochen.
ORANGE DAYS OLDENBURG
24. NOVEMBER BIS 10. DEZEMBER 2025
CAMPUS HAARENTOR
26129 OLDENBURG
Gegen Gewalt an Frauen
Vierunddreißig Jahre. So viel Zeit ist vergangen, seitdem der 25. November von den Vereinten Nationen zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen erklärt wurde. Seither wird alljährlich mit den Orange Days darauf aufmerksam gemacht - und der Plural ist hier kein Tippfehler. Tatsächlich laufen die Aktionen bis zum 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte. Ein passender Endpunkt, denn zu ihnen gehört auch: die körperliche Unversehrtheit.

Vierunddreißig Jahre sind eine lange Zeit. Und doch hat man den Eindruck, dass manches erst jetzt so langsam in Fahrt kommt - auch in Oldenburg. Zwar gab es auch schon in der Vergangenheit viele Aktionen und jede einzelne von ihnen war wichtig. In diese Jahr jedoch gab es an der Carl von Ossietzky Universität einen neuen Impuls: Ausgehend vom Studierendenwerk schlossen sich viele uninahe Organisationen zusammen, um gemeinsam eine größere Wirkung zu erzielen. Als sich dann auch noch das Staatstheater beteiligte, entstand ein Bündnis, das mit einem starken Programm ein wichtiges Zeichen setzt.
„Wir wollten dieses Thema gerne hierher auf den Campus bringen und noch sichtbarer machen als bisher“, berichtet Pressesprecherin Katrin Meilke. Den Anlass dafür hatte ein Theaterstück gegeben, das sie im Vorfeld besucht hatte und das nun auch im Rahmen der Orange Days Oldenburg zu sehen sein wird: „Die Frau, die gegen Türen rannte“ von Booker-Preisträger Roddy Doyle. „Ich war bei der Vorstellung zu Tränen gerührt und dachte nur: Wow!“, erinnert sich Katrin. Bei dem Stück ertränkt die Protagonistin (Michaela Allendorf) ihre persönliche Gewalterfahrung in Alkohol - dargestellt in Form eines 60-minütigen Monologs. Eine solch eindringliche Inszenierung hatte auch schon bei Suzie Millers „Prima Facie“ am Staatstheater überzeugt und bietet auch hier eine intensive Erfahrung: „Meinen größten Respekt! Das hat mich sehr berührt.“
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Den Kern der diesjährigen Aktionen zu den Orange Days bildet zweifellos die Universität. Der Zusammenschluss der dortigen Akteur:innen sorgt für ein abwechslungsreiches, spannendes Programm. Dennoch sind auch andere Kulturinstitutionen aktiv. Hier nennen wir einige weitere Aktionen - ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
CINE K
Film: „In die Sonne schauen“
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FORUM ST. PETER
Kunstausstellung: „Gemeinsam starke Zeichen setzen gegen Gewalt an Mädchen und Frauen
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KULTURETAGE
Informationsmaterial für Betroffene und Angehörige zu Beratung, Beweissicherung und vielem mehr
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LANDESBIBLIOTHEK
Informations- und Lesebereich mit Fach- und Sachliteratur, sowie Romanen zum Thema Gewalt gegen Frauen
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Wichtiges Anliegen, starkes Programm
Mit diesem Impuls ging Katrin zusammen mit Kulturreferent Jürgen Boese auf die Suche nach Kooperationspartner:innen - und die beiden rannten nicht etwa gegen Türen, sondern stieß nur auf weit geöffnete. „Ob Universität, ASta, oder Uni-Kino Gegenlicht - alle haben gefragt: Können wir uns anschließen? Können wir mitmachen?“, ist Katrin immer noch beeindruckt von der Resonanz. Als sich schließlich auch noch die Beteiligung des Staatstheaters ergab, war klar: Das Vorhaben, den Orange Days Oldenburg mehr Sichtbarkeit zu verleihen, würde zweifellos gelingen.
Dafür sorgt vor allem das starke Programm. Neben „Die Frau, die gegen Türen rannte“ bietet es mit „Erzähl mir keine Märchen“ vom Jugendclub des Staatstheaters ein weiteres Theaterformat, das in den Social Media bereits hohe Wellen schlug: Auf Instagram erhielt ein Ausschnitt des Stücks über 200.000 Likes. Warum? Das kann das Oldenburger Publikum nun noch zweimal live nachempfinden. Mit „Nur eine Frau“ hat auch das Unikino Gegenlicht eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Der preisgekrönte Film von Sherry Hormann mit der großartigen Almila Bagriacik in der Hauptrolle zeichnet den realen Fall der Deutschtürkin Hatun Aynur Sürücü nach, die 2005 von ihrem Bruder erschossen wurde. Hinzu kommt die Austellung „Gemeinsam gegen Sexismus“, die vom 24. November bis zum 1. Dezember im Mensafoyer am Uhlhornsweg zu sehen ist.
Aber warum setzt das Studierendenwerk eigentlich nicht auf Vorträge, Flyer und Infotafeln, sondern auf Kulturangebote? „Wir wollten auf künstlerisch-kreative Weise auf das Thema aufmerksam machen“, stellt Katrin klar. Ein Grund dafür sei die Wirkunsgkraft von Gefühlen. „Mit Emotionen erreichen wir die Menschen einfach besser, eindringlicher und nachhaltiger, als wenn wir unsere Besucher:innen nur frontal informieren würden.“ Deshalb sei von Anfang an klar gewesen, dass die Kultur eine tragende Rolle spielen solle. „Mit Kultur kann man viel bewegen. Das wird manchmal unterschätzt. Sie ist in der Lage, Prozesse anzustoßen und zu entwickeln. Das ist wichtig und essentiell.“
Noch mehr Aufmerksamkeit
Eine Gefahr ist dabei natürlich, dass man - gerade in einer Universität - letztlich nur „Preaching to the Converted“ betreibt, also nur jene erreicht, die sowieso schon eine Offenheit für das Thema haben. „Das kann man nicht ausschließen“, weiß auch Katrin. Sie setze aber darauf, dass es im Kontext zum Programm zu einem fruchtbaren Austausch kommt - etwa bei er Podiumsdiskussion im Anschluss an den Theatermonolog. „Ich kann natürlich nichts verlangen. Aber ich hoffe einfach, dass unser Programm schon durchaus einen Nachklang hat und dass sich da auch etwas entwickeln kann. Ich bleibe optimistisch.“

Dass der Impuls für eine Vernetzung ausgerechnet aus dem Umfeld der Universität kam, will Katrin nicht überbewerten. „Als Vorreiter sehe ich uns nicht unbedingt, das ist ja ein großes Wort“, ist sie bescheiden. „Es war uns einfach ein Anliegen. Und glücklicherweise sind wir auf Partneri:innen gestoßen, bei denen es genauso ist.“ Einer Ausweitung des Netzwerks auf andere Teile der Gesellschaft oder die Einbindung weiterer Kulturakteur:innen schließt Katrin ausdrücklich nicht aus. „Ich würde das Format sehr gerne beibehalten“, stellt sie zwar fest. Aber: „Ich wünsche mir, dass die Aufmerksamkeit noch größer wird, also dass möglichst viele Interessierte und Besucher vorbeikommen, weil das Thema so wichtig ist.“
Die Zukunft ist orange
Wer weiß? Vielleicht erwarten uns - vom Nukleus Universität ausgehend - im kommenden Jahr vielleicht schon eine stadtweit organisierte „Orange Days“ mit einer völlig neuen Strahlkraft.

Unabhängig davon hoffen wir, dass dabei auch weiterhin die Kultur eine tragende Rolle spielt. Tatsächlich kann sie die Herzen der Menschen besser erreichen als jede Statistik. Und unser Verhalten verändern wir eben am deutlichsten und nachhaltigsten, wenn es nicht allein rational motiviert ist, sondern emotional.
Die erschreckenden Zahlen werden so schnell nicht rapide sinken. Unsere gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe ist es dennoch (oder gerade deswegen), weiter an uns zu arbeiten und sexualisierte Gewalt zunehmend zurückzudrängen. Jeder Einzelfall ist einer zu viel, selbst wenn es nur eine Bagatelle zu sein schein - das ist sie für die Betroffenen nämlich nie. Lassen wir uns - und das gilt vor allem für die Männer - von diesen kulturgeprägten Orange Days inspirieren und motivieren. Dann verbinden wir die Farbe künftig hoffentlich nicht nur mit Warnwesten und Verkehrshütchen - sondern auch mit der Vision einer Welt ohne Gewalt an Frauen.



