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WIE ZUCKER UND SALZ

  • kulturschnack
  • vor 3 Tagen
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 11 Minuten

Kann ein Kiosk zu einem Kulturort werden? Ja, allerdings - und den Beweis dafür gibt es längt. Auf dem Gelände des Landesmuseums Natur & Mensch starteten Madlene Oepping und Cora Issig im Sommer 2022 einen Späti namens Pelle. Mit seiner Mischung aus entspannter Atmosphäre, kleinen Köstlichkeiten und Kultur machte er sich schnell einen Namen. Nun aber schlagen Madlene und Cora ein neues Kapitel auf: Das Bewährte bleibt, doch Neues kommt hinzu. Ein Plädoyer fürs Probieren, ein Hoch auf die Freundschaft.


Gute Stimmung: Madlene und Cora waren im Gespräch bestens gelaunt. (Bild: Kulturschnack)
Gute Stimmung: Madlene und Cora waren im Gespräch bestens gelaunt. (Bild: Kulturschnack)

Nein, es drängt sich nicht auf. Wer den Hinterhof des Landesmuseum Natur und Mensch am Damm betrifft, hat nicht sofort den Eindruck, dass er für stimmungsvolle Kulturevents prädestiniert wäre. Hier ein Schuppen, dort eine Rückwand, dazwischen parkende Autos: Dieses zweckmäßige Ambiente ist normalerweise nicht das Setup für leichte Sommerabende mit musikalischer, komödiantischer oder literarischer Begleitung. Und doch ist dieser Ort inzwischen genau dafür bekannt.


Dass es so kam, hat viel mit den beiden Macherinnen zu tun. Madlene Oepping und Cora Issig sahen, was anderen verborgen blieb: das Potenzial dieses Ortes. Die Vorarbeit hatten zwar andere gemacht, denn zu Corona-Zeiten hatte hier das „Sonnendeck“ des Freizeitlärm e.V. stattgefunden, auch die umBAUbar hatte an diesem Ort temporär ihre Zelte aufgeschlagen. Dauerhaft bespielen wollte ihn aber niemand - bis die beiden Freundinnen kamen. Mit ihrer Gastronomie-Erfahrung (u.a. Saltkrokran), Idealismus und Mut brachten sie Pelle an den Start. Nach drei erfolgreichen Jahren folgt nun der nächste große Schritt. Welcher das ist? Das verraten die beiden in unserem Interview.


PELLE DER SPÄTI

26. JUNI, 20 UHR KONZERT: KOMMANDO FREIBIER 17. JULI, 20 UHR LESUNG: GIANNA LANGE 07.08., 19 UHR READING PARTY: OLDENBOOK 21.08., 20 UHR STAND-UP COMEDY: LOLDENBURG


LANDESMUSEUM NATUR + MENSCH HINTERHOF DAMM 46 26135 OLDENBURG



Mit Herz und Hand


Wir treffen Madlene und Cora am Ort des Geschehens, auf den Palettenmöbeln, die ebenso zum Reiz von Pelle beitragen wie die bunten Wimpel und vielen weiteren Details. Noch ist einiges zu tun bis zum Start, aber Madlene und Cora sind bestens gelaunt. Kein Wunder, schließlich haben sie viel zu erzählen...


Beim Stichwort Späti denken viele an einen Kiosk, wo man sich schnell noch das Nötigste holt, um den Abend rund zu machen. Aber was gibt es bei euch? Nur Dosenbier und bunte Tüten? Oder ist da noch mehr?


Cora: Wir sind gewissermaßen ein Kulturspäti. Wir bieten tatsächlich Getränke und kleine Snacks für den Feierabend, aber auch ein Kulturprogramm. In den letzten Jahren hatten wir viel Musik und Stand-Up-Comedy, wir sind aber auch schon mit Lesungen angefangen. Darauf wollen wir uns in Zukunft noch mehr fokussieren.



Stimmungsvolle Abende: Pelle der Späti bietet das perfekte Setup für Kultur in ungewohntem Kontext. (Bilder: Andreas Behr)

Wie seid ihr denn überhaupt auf diese Idee gekommen?


Cora: Wir gehen selber gerne auf solche Veranstaltungen, wie wir sie jetzt organisieren. Die haben uns in Oldenburg zuvor ein wenig gefehlt. Wir kommen beide aus der Gastronomie und haben außerdem ein bisschen Erfahrung im Kulturbereich. Wir hatten einfach Lust, das zu kombinieren und selbst etwas auf die Beine zu stellen. Irgendwann gingen die Gedanken in Richtung Kiosk. Aus vielen verschiedenen einzelnen Ansätzen entstand schließlich der Kulturspäti.


Auf dem Areal passierte vorher ja nicht viel. Ihr habt daraus einen coolen Ort gemacht. Was war dafür entscheidend?


Cora: Pelle ist unser Herzensprojekt. Wir machen das nach unserer Arbeit, am Wochenende oder wir nehmen uns dafür frei. Wir geben hier also sehr viel Zeit und Energie rein, das braucht es einfach. So ein Projekt funktioniert aber natürlich nicht ohne Unterstützung. Die haben wir vor allem vom Landesmuseum Natur und Mensch bekommen, aber auch von JNB Media und vielen anderen Menschen, die immer ein offenes Ohr für unsere Ideen hatten oder darüber berichtet haben. Es macht einfach Spaß, wenn man mit den richtigen Leuten zusammenarbeiten und sich austauschen kann.



Jetzt schon Geschichte: Den pechschwarzen Food Truck gab es nur in den ersten beiden Sommern. Doch die stationäre Alternative ist ebenso atmosphärisch. (Bilder: JNB Media)


Ihr geht jetzt in euren vierten Sommer. In den letzten Jahren habt ihr viele Fortschritte gemacht, musstet aber auch schon Herausforderungen und Veränderungen bewältigen. Wie seht ihr eure Entwicklung?


Cora: Es wird jedes Jahr etwas professioneller, nicht zuletzt weil wir unser Netzwerk vergrößert haben. Immer mehr Leute kennen uns, deswegen kommen auch immer mehr Gäste. Vor allem letztes Jahr hat man das extrem gemerkt. Außerdem wissen wir jetzt, wo wir Hilfe finden, wenn wir sie brauchen oder in welche Richtung wir uns überhaut entwickeln wollen.


Am Anfang war es wirklich sehr viel „Do it yourself. Wir machen mal, worauf wir Bock haben.“ Inzwischen steckt viel mehr Plan dahinter und wir wissen genauer, welche Veranstaltungen wir machen wollen und welche nicht. Das muss man auch erstmal lernen.

Apropos Veranstaltungen: Ihr habt Erfahrung aus dem Gastro-Bereich mitgebracht, aber wie war es mit dem Organisieren von Events? Kanntet ihr euch da auch schon aus?


Madlene: Ein bisschen. Wir haben erstmals bei Werkstattfilm zusammengearbeitet, genauer gesagt beim Gegengerade-Festivalr Fußballfilme. Anschließend haben wir das „Wall Street Warm-up“ auf die Beine gestellt. Einmal im Monat durften wir eine kleine Feierreihe organisieren.


Cora: Ziel war es, ein jüngeres Publikum für Werkstattfilm zu gewinnen und mit so einer Partyreihe hat das ganz gut funktioniert. Zu diesem Zeitpunkt haben wir auch angefangen, DJs anzufragen, ob sie Lust haben, bei uns aufzulegen. Wir hatten da absolut freie Hand. Das war richtig cool.



Die Ruhe vor dem Sturm: Kurz vor Saisonbeginn gab es noch einiges zu tun, der besondere Reiz ließ sich aber schon erahnen. (Bild: Kulturschnack)
Die Ruhe vor dem Sturm: Kurz vor Saisonbeginn gab es noch einiges zu tun, der besondere Reiz ließ sich aber schon erahnen. (Bild: Kulturschnack)

DJs haben bei Pelle auch immer eine große Rolle gespielt. Ihr habt eben aber erwähnt, dass ihr vermehrt Lesungen anbieten wollt. Wie kam es zu dieser Entscheidung?


Madlene: Wenn ein Stein ins Rollen gekommen ist, stößt er irgendwann den nächsten an. Man lernt neue Menschen kennen, entwickelt neue Ideen. Im letzten Jahr haben wir mit einer ersten Lesung angefangen und haben sofort gespürt, dass dies ein Schwerpunkt für uns sein könnte. Als wir darüber nachgedacht haben, wer dafür infrage käme, hatten wir sofort tausend Ideen. Ein gutes Zeichen.


Kontakte herstellen, ein Programm entwickeln, Künstler:innen betreuen, Gäste bedienen: Das alles kostet nicht nur viel Zeit, sondern auch etwas Geld. Wie finanziert ihr all das denn? Verkauft ihr so viele bunte Tüten?


Cora: Die allein reichen leider nicht. (lacht) In unserem zweiten Jahr hatten wir eine Förderung von Mach|Werk, Oldenburgs Fonds für innovative Kulturprojekte. Das hat uns wahnsinnig geholfen, weil wir einige grundlegende Anschaffungen davon machen konnten und endlich unsere Künstler:innen bezahlen konnten; das war bei der Premiere noch nicht drin. In diesem Jahr haben wir dann von der Hochschule Emden-Leer ein Gründerinnen-Stipendium bekommen („Exist-Women“). Wir nehmen an Workshops teil, erhalten Unterstützung von Mentorinnen, es gibt aber auch etwas Geld für Anschaffungen.


Heißt das etwa, Pelle wird erwachsen? Macht ihr euer Hobby zum Beruf? Cora: In gewisser Weise. Wir gründen eine Event-Agentur, die zucker&salz heißen wird. Wir möchten alles ein bisschen professioneller gestalten und gehen dafür einen Schritt in Richtung Selbständigkeit.


Wir wollen uns dabei auf literarische Veranstaltungen für ein jüngeres Publikum konzentrieren, weil das aus unserer Sicht in Oldenburg noch komplett fehlt.



Lebhafte Erzählerinnen: Bie Madlene und Cora spürt man in jedem Moment, dass sie für ihre Sache brennen. (Bilder: Kulturschnack)


„zucker&salz“ ist ein sehr eingängiger Name. Was steckt dahinter, warum habt ihr ihn gewählt?


Cora: Wir finden, dass diese beiden Gegensätze ganz gut zu uns passen. Wer wer ist, kann sich jeder selbst überlegen. Die Leute, die uns kennen, wissen es vielleicht - vielleicht aber auch nicht. (lacht) Auf jeden Fall passt der Name sehr gut zu uns beiden.


Ihr hättet mit Pelle schon einen zentralen Spielort. Werdet ihr darüber hinaus auch an anderen Orten veranstalten?


Madlene: Bisher konnten wir nur im Sommer etwas veranstalten, weil wir hier sehr vom Wetter abhängig sind. Das ist gar nicht schlimm. Aber wir wissen auch, dass es ab Herbst und erst Recht im Winter schwierig wird, draußen was zu machen. Deswegen werden wir verschiedene weitere Orte bespielen, bei denen wir ein Dach über dem Kopf haben. Das läuft nach dem Prinzip: Wir liefern die Idee und organisieren die Veranstaltung, jemand anderes stellt uns den Ort bereit. Wir sind sehr neugierig, was sich ergibt!



ZUCKER&SALZ


9. OKTOBER, 20 UHR LESUNG: ANNE SAUER (MEHR)


13. NOVEMBER, 20 UHR LESUNG: RIEKE HAVERTZ (MEHR)


DREIECK

26121 OLDENBURG



Wenn ihr euch jetzt professionalisiert, bedeutet das auch eine Veränderung fürs Programm oder fürs Setting von Pelle? Wird alles fancy und posh?


Cora: Keine Sorge, bei Pelle bleibt es so, wie wir es alle kennen und - glaube ich - auch mögen. Aber die Veranstaltungen hier werden ein bisschen weniger sein, es wird nicht mehr wöchentlich jeden Donnerstag etwas geben. Das ist für uns nicht mehr machbar. Aber was hier stattfindet, wird dann wieder so sein, wie es bisher war. Wer schon mal schauen möchte, kann das auf den Instagram-Kanälen von Pelle der Späti und von unserer Event-Agentur zucker&salz machen. Dort bleibt man immer up to date, zumal wir auch spontane Sachen veröffentlichen.


Madlene: Unsere kommenden Projekte sind einfach eine Nummer größer als bisher. Es bedarf eine größere Vorlaufzeit. Zur Orientierung: Für einen Termin im November haben wir im Mai den Vertrag unterschrieben. Wir machen manche Dinge jetzt also ein halbes Jahr im voraus fix. Das unterscheidet sich sehr von unserem bisherigen Ansatz. Aber wie Cora schon sagte: Spontanes bleibt trotzdem erhalten. Auf jeden Fall bleibt es bei den Donnerstagsöffnungen - auch dann, wenn wir kein Kultur-Programm anbeten.



Liebe zum Detail: Bei Pelle zähen auch bzw. vor allem die kleinen Dinge, damit am Ende alles stimmt. (Bild: Andreas Behr)
Liebe zum Detail: Bei Pelle zähen auch bzw. vor allem die kleinen Dinge, damit am Ende alles stimmt. (Bild: Andreas Behr)

Habt ihr bei eurem Publikum eigentlich eine Veränderung festgestellt über die Jahre? Also hat sich das ausgeweitet oder diversifiziert?


Madlene: Da nenne ich einfach mal ein Beispiel: Wir hatten letztes Jahr ein tolles neues Stammgast-Ehepaar. Das waren zwei Renter:innen, die meist schon den ganzen Tag Kulturprogramm hatten und auf ihrem Heimweg noch hier vorbeikamen, Zum Ende der Saison haben sie sich dann richtig verabschiedet und gesagt, sie würden sich freuen, uns wiederzusehen. Und unsere Antwort war natürlich: Wir uns auch! (lacht)


Cora: Ich habe schon das Gefühl, dass wir vor allem letztes Jahr nochmal andere Leute angesprochen haben. Wir hatten definitiv ein größeres Publikum und eine breitere Zielgruppe. Es kamen nicht nur Leute in unserem Alter, sondern auch ältere Menschen und Familien. Die Kinder haben dann mit Kreide auf dem Hof gemalt, während die Eltern ein Feierabendbierchen trinken konnten.


Madlene Wir haben oft gecheckt, wen wir kennen und wen nicht. Und immer, wenn ein neues Gesicht dabei war, dachten wir: Ja, cool!


Hinterhof als Hingucker: Von der Zweckmäßigkeit des Areals spürt man Donnerstagabends nichts mehr. Dann passen Gebäude, Bäume und Dekoration perfekt zusammen. (Bild: Andreas Behr)
Hinterhof als Hingucker: Von der Zweckmäßigkeit des Areals spürt man Donnerstagabends nichts mehr. Dann passen Gebäude, Bäume und Dekoration perfekt zusammen. (Bild: Andreas Behr)

Kommen wir nochmal zu euch: Obwohl ihr Pelle bisher neben dem Job betrieben habt und ihr stark eingebunden seid, wirkt er sehr harmonisch. Seid ihr das perfekte Team?


Cora: Jetzt wird's vielleicht etwas kitschig, aber: Ich kann mir außer Madlene niemanden vorstellen, mit dem ich so eng zusammenzuarbeiten könnte und wo man auch mal sagen kann, wenn einem etwas nicht passt oder wenn man eine Idee nicht gut findet, ohne dass es böses Blut gibt.


Wenn man so gut befreundet ist, offen und ehrlich über alles sprechen kann und gerne zusammenarbeitet, dann ist es ein echter Glücksfall, wenn man so ein Projekt wie Pelle zusammen machen kann.

Madlene: Das ist so schön! (beide lachen)


Ist dieser positive Vibe vielleicht auch nötig, um ein Projekt dieser Größenordnung zu stemmen und um auch in Stressmomenen Ruhe zu bewahren?


Madlene: Ja, unbedingt. Nicht zuletzt, weil wir beide etwas anders denken als die jeweils andere. Mir hilft das immer sehr, weil ich oft etwas konfus bin und es dann gut ist, wenn jemand anderes sagt: „Komm, wir machen das step by step und dann passt es.“ Mich beruhigt sowas. Ich erinnere mich auch noch gut an ein Gründertreffen, bei dem viele nach einer Gründerpartnerin oder einem Gründerpartner gesucht haben. Da habe ich nur gedacht: „Gott sei Dank habe ich dieses Problem nicht“, weil ich mir gar nicht vorstellen könnte, mit jemand anderem zusammenzuarbeiten, den man gar nicht so gut kennt.



Freundinnen: Madlene und Cora arbeiten gerne zusammen. Als zucker&salz gehen sie nun den nächsten Schritt. (Bild: Kulturschnack)
Freundinnen: Madlene und Cora arbeiten gerne zusammen. Als zucker&salz gehen sie nun den nächsten Schritt. (Bild: Kulturschnack)

Cora: Ich glaube, wir ergänzen uns einfach sehr gut - dadurch, dass wir beide so unterschiedliche Talente und Eigenschaften haben, die dann am Ende aber gut zusammenpassen.


Das klingt ja fast wie: Wie Zucker und Salz!


Cora: So isses! (beide lachen)

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