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VIERZIG JAHRE UNTERGRUND

Ein Club in Oldenburg macht seinem Namen alle Ehre: Nicht nur befindet sich die Metro größtenteils unter der Erdoberfläche - seit der Gründung im Dezember 1983 ist sie zudem ein Ort, an dem Subkultur sich entfalten kann. Warum? Weil von Anfang an über den Rand des Plattentellers hinausgedacht wurde. Zu spüren ist das nun vielleicht stärker als jemals zuvor - in der Jubiläumswoche zum 40-jährigen Bestehen vom 27. November bis 3. Dezember.


Die Treppe, die hinunter zum Eingang des Metro Clubs in Oldenburg führt.
Es geht abwärts: Dieses Prinzip gehörte bei der Metro von Anfang an dazu - und die Treppe war immer schon Teil des Erlebnisses. (Bild: eskapist_photo)

Auf eine gewisse Art muss man Wikipedia einfach mögen. In etwa so, wie man humorlose Menschen mag, deren staubtrockene Kommentare gerade wegen ihrer absoluten Sachlichkeit immer wieder besonders lustig sind. „Discotheken“, so lehrt uns die freie Enzyklopädie, „sind Gastronomiebetriebe, in denen regelmäßig Tanzveranstaltungen stattfinden. Die Tanzmusik wird in der Regel nicht von Bands aufgeführt, sondern durch DJs von Tonträgern eingespielt. In Discos treffen sich vor allem junge Leute zum Tanzen, aber auch zur Anbahnung und Pflege sozialer Kontakte.“


Was Wikipedia vollkommen emotionslos beschreibt, ist zwar inhaltlich korrekt, aber bestenfalls ein Anfang. Tatsächlich ist eine Diskothek noch mehr: Nämlich ein Ort, an dem sich unser Leben in Momenten und Gefühlen initialisiert und manifestiert. Wer man ist und was man wird - das entscheidet sich anhand vieler Faktoren, das beantwortet sich aber auch bei Nächten im Club. Warum? Weil man nirgendwo intensiver in Musik abtaucht - und mir ihr in ein Lebensgefühl der Freiheit. Grund genug, einen Club zu feiern, der seinen Gästen diese Erfahrungen seit vierzig Jahren ermöglicht.


 

40 JAHRE METRO


CLUBKULTUR, PARTY, WORKSHOPS, THEATER, KONZERTE, DISKUSSION

METRO GESCHICHTE, DJ SETS


MONTAG, 27. NOVEMBER,

BIS SONNTAG, 2. DEZEMBER


METRO CLUB

ACHTERNSTRAßE

26122 OLDENBURG


 

Gekommen, um zu bleiben


Vierzig Jahre: Das ist für einen Menschen eine sehr lange Zeit, für einen Club ist es eine Ewigkeit. Über welche Zeitspanne wir reden, zeigt eine kurze musikhistorische Einordnung: Als die Metro im Dezember 1983 seine Türen öffnete, dominierte ein gewisser Paul Young mit „Come back and stay“ die deutschen Charts, um bald darauf von einem Song abgelöst zu werden, der - von verschiedenen Interpreten gesungen - gleichzeitig Platz 1 und Platz 2 belegen sollte, während die legendären Trio mit „Turaluralu, ich mach Bubu, was machst du?“ (sic!) unaufhaltsam Richtung Spitze kletterten. Wer jetzt auf alle Links geklickt hat, weiß was wir meinen: eben eine Ewigkeit.


Theke mit einen Flaschen Spirituosen im Metro Club Oldenburg
Stimmungsvoll: Was hier geradezu romantisch wirkt, macht bei 130 dB einen etwas anderen Eindruck. Aber beides - Lichtstimmung und Lautstäre - gehören zur Metro. (Bild: eskapist_photo)

Das Timing für den runden Geburtstag könnte indes besser sein. Glaubt man den Daten der Kolleg:innen von Statista, sind Diskotheken nämlich ein Modell von gestern. Deren Zahl sank in Deutschland zwischen 2011 und 2021 nämlich von 1.835 auf 864 ein Minus von 53 Prozent. Dieser dramatische Rückgang wurde natürlich durch Corona verstärkt, der grundsätzliche Trend ist aber schon länger intakt. Zu tun hat er nicht zuletzt mit der Demographie: Es gibt schlicht weniger Zwanzigjährige als früher - und damit weniger Kundschaft für die Clubs.



Kein Bett aus Rosen


Auch um Oldenburg machte die Entwicklung keinen Bogen, viele zeitweise angesagte Clubs sind längst Geschichte - und im Sommer 2023 geriet auch die Metro unter Druck. Wie die drohende Zahlungsunfähigkeit letztlich abgewehrt werden konnte, erzählt aber schon viel über die Besonderheiten dieses Urgesteins des Oldenburger Nachtlebens. Nicht etwa sprang eine großer Brauerei ein und verband die Unterstützung mit langfristigen Konzessionsverträgen - ein Modell, das in der Vergangenheit durchaus üblich war. Nein, das Metro richtete sein Hilfegesuch an sein Publikum - und das Publikum half. Schon nach kurzer Zeit war ein fünfstelliger Betrag zustande gekommen. Auf Rosen gebettet ist die Metro deswegen noch lange nicht, aber das akut drohende Aus erstmal abgewendet.



Diese positive Entwicklung hat viel damit zu tun, dass sich die Metro niemals als irgendeine weitere Diskothek verstand, in der einfach nur gespielt wurde, was überall lief - und genauso wenig zählte sich das Publikum zu denen, die einfach nur hören, was gerade in den Charts war. Das Selbstverständnis war immer jenes einer Kulturstätte - in der man zwar heftigst abfeiern konnte, in der es aber immer auch um mehr ging als das, nicht zuletzt um Werte und Haltung.


Das spiegelt sich auch in der Gegenwart wider. In der Metro finden nicht nur Partynächte statt, sondern auch Kunstausstellungen, Bandproben, Konzerte, Workshops und Vorträge zur Auseinandersetzung mit Gleichstellungsthemen. Das war bereits beim „Metropoly“-Festival so, aber auch bei der „Club-Simulation 2“ mit dem Exitocin Kollektiv. Und das wird auch in dieser Jubiläumswoche so sein, wie uns Stephan Lantow vom Metro Team erzählt hat.


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40 Jahre, für einen Club ist das absoluter Wahnsinn. Eigentlich ein Grund zu Feiern, zuletzt gab's aber auch Probleme, im Sommer habt ihr einen Aufruf zur Rettung gestartet. Was überwiegt denn gerade: Freude oder Frust? Natürlich haben wir ein paar anstrengende Monate hinter uns, die auch mal frustrierend waren. Aber das Überstehen der nahenden Insolvenz durch den großartigen Support von ganz vielen Menschen und natürlich auch die Geburtstagswoche sind schöne Anlässe, die ausgiebig gefeiert werden sollen.



Innenaufnahme des Metro Clubs in Oldenburg
Typische Atmosphäre: In der Metro ist die Clubgeschichte zum Teil der visuellen DNA geworden. (Bild: eskapist_photo)

Viele kennen die Metro von langen Tanznächten. Euren Geburtstag feiert ihr aber mit mehr als „nur“ Party, auch mit Ausstellungen zur Clubgeschichte, Workshops zu gesellschaftlichen Themen. Warum ist euch das wichtig? Wir wollen zeigen, wie viele kreative Menschen sich in der Metro und im Umfeld aufhalten und ihnen eine Plattform bieten. Für viele steht die Metro vermutlich für Partys, aber eigentlich passiert dort noch viel mehr und das wollen wir zeigen. Ihr wart sogar mit einem Antrag für Mach|Werk erfolgreich, dem Fonds für innovative Kulturprojekte. Was ist an dem Programm denn neu?


Ich glaube, es ist schon sehr lange her, dass es eine ganze Woche am Stück Programm in der Metro gab. Bei einer 40 Jährigen Geschichte ist es natürlich schwierig etwas komplett Innovatives zu machen, aber in der Art gab es so eine Woche vermutlich noch nicht in der Metro. Und vor allem die Workshops und die Wissensvermittlung stellen für uns Innovation in der Metro dar. Außerdem ist die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Metro in Kooperation mit dem Stadtmuseum in Form des Podiumsgesprächs, kleiner Führungen und eines Textes zur Metro Geschichte neu. Auch der Kontakt zu DJ’s aus den 80er und 90ern, die am Geburtstags-Freitag auflegen werden, ist so vorher noch nicht zu Stande gekommen.



Eine Regenbogenflagge auf einem Tisch im Oldenburger Metro-Club
Einer für alle: In der Metro soll sich niemand ausgeschlossen fühlen. (Bild: eskapist_photo

Erfindet sich die Metro mit solchen Events auch ein Stück weit neu? Vom Club als reine Location hin zu einem Akteur, der eigene Inhalte kreiert und Akzente setzt? Ich denke schon, da wir neue Facetten zeigen und uns in anderen Formaten ausprobieren. Natürlich werden die Partys immer im Mittelpunkt stehen, aber es ist zukünftig auch anderes denkbar. Wir freuen uns da auch über Menschen, die Ideen bei uns ausprobieren und umsetzen wollen. Aber erstmal steht die Sicherung der Zukunft der Metro auf der Agenda.


Support you local Club


Wie gesagt: Der Metro-Club macht seinem Namen alle Ehre. Dass man zunächst eine enge Treppe runtermuss, ist eigentlich nur eine strukturelle Notwendigkeit. Doch die Stufen sind mehr als nur die Überwindung eines Höhenunterschieds, sie bilden eine Art Schleuse - zwischen dem profanen Alltag und einer anderen Welt.


Das klingt pathetisch? Stimmt! Aber ist es nicht genau so? Was in Clubs wie der Metro passiert - die einen ganz eigenen Charakter besitzen und die mit Herzblut betrieben werden - hat absolut nichts mit dem zu tun, was wir den Rest des Tages erleben. Und das ist gut so, denn das erlaubt einen ganz anderen Blick auf sich und die Welt um uns herum - mit all den positiven Effekten, die oben bereits genannt wurden. Deshalb: Supportet die lokalen Clubs, erst Recht wenn sie Haltung und Werte zeigen und vor allem, wenn sie vierzig Jahre alt werden. Und in diesem Fall heißt das: Nutzt das starke Programm in dieser Woche, das lohnt sich sehr!


Haltung zeigen: Das ist ein Anliegen der Metro - und funktioniert auch beim Kickern. (Bild: eskapist_photo)

Ob das Kultur ist oder nicht, hängt gar nicht unbedingt an der Frage, ob auch Ausstellungen oder Konzerte stattfinden; sie machen die Einordnung nur noch leichter. Aber im Grunde reicht auch das grundlegende Setup für diese Klassifizierung aus. Was DJs mit ihren Sounds kreieren und wie die Tanzenden darauf reagieren, was man dabei denkt und fühlt - das ist nicht weniger als beim Betrachten einer gelungenen Druckgrafik im einschlägigen Kunstmuseum. Warum also Unterschiede machen?


Nach vierzig Jahren Untergrund ist die Metro auf jeden Fall elementarer, essentieller Bestandteil der Oldenburger Clubszene - und trägt dazu bei, selbige auch im allgemeinen Bewusstsein als Bestandteil der Kulturlandschaft zu verankern. Und eines Tages steht sicher auch das bei Wikipedia.

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