Pop-Punk ist Mannschaftssport. Er braucht Gesang, Gitarren, Schlagzeug, Bass, manches auch gerne doppelt. Kann so ein musikalischer Kraftakt auch alleine funktionieren? Aber ja! Das zeigt Jannik Gutschner, besser bekannt als Josy's Boyfriend. Sein Solo-Projekt klingt nach voller Besetzung, entsteht aber komplett allein - und erlaubt Songwriting ohne Kompromisse. Das Ergebnis? Hört ihr bei uns!
Duo statt Solo: Für seinen Auftritt bei den Acoustic Sessions hatte Jannik mit Fabian Becker eine Verstärkung dabei.
Es ist ein Klassiker der Kindheit: Schon nach den ersten Gitarrenstunden wächst in den künftigen Guitar Heroes unweigerlich der Traum, irgendwann mit einer Band auf der Bühne zu stehen. Rampenlicht, Jubelstürme, das volle Programm. Von stundenlangem Feilen an Songdetails im stillen Kämmerlein spricht zu diesem Zeitpunkt niemand. Natürlich nicht, schließlich wirkt es im Vergleich deutlich unglamouröser.
Bude statt Band
Umso überraschender dass der 28-jährige Jannik Gutschner (Typ: Sadboy meets Teenage Dream) diesen Weg gewählt hat und allein unterwegs ist. Warum nur? „Ich hasse Demokratie und bin eher der Diktator-Typ", lautet seine schnelle Antwort - und fast fallen wir auf seine Ironie herein. Aber natürlich meint er das nicht ernst: „Scheeeeerz!“, fegt er jede Irritation lachend beiseite. „Ich mag es aber tatsächlich, alleine in meiner Bude Songs zu schreiben und zu produzieren und wenig Kompromisse machen zu müssen.“ Klar: Ungestört seine Ideen zu verarbeiten, ohne dass sie jemand erstmal blöd findet, hat einen großen Reiz. Für den Schreibprozess ist das hilfreich, an anderer Stelle gibt es aber Grenzen: „Live macht's mit Band mehr Spaß“, stellt Jannik klar. „Bei diesem Genre kommt dann mehr rüber, man kann miteinander interagieren und eine gute Zeit auf der Bühne haben.“ Deswegen trete er live in der Regel gemeinsam mit anderen auf, die seinen Songs die nötige Durchschlagskraft verleihen - wie Fabian Becker bei den Kulturschnack Acoustic Sessions.
Jenseits des Mikrokosmos
Dennoch ist Josy's Boyfriend im Kern ein Solo-Projekt - und zwar ein sehr agiles. Im Jahr 2021 veröffentlichte Jannik seine erste Single „Sitcom & Dystopie", bis heute sind neun weitere und die 2022er EP „Gib mir eine Axt“ dazugekommen. Dieser Output kann sich wahrlich sehen lassen, zumal Jannik ihn ganz alleine schafft. Aber vielleicht ist ja genau das der Grund, warum ihm diese Schlagzahl überhaupt gelingt: Weil Reiberein mit anderen Bandmitgliedern einfach nicht existieren.
Obwohl sich alle Songs letztlich im Pop-Punk-Mikrokosmos bewegen, gibt es doch eine erstaunlich große Bandbreite. Jannik ist eben kein Hardcore-Purist: Er scheut nicht davor zurück, Elemente aus anderen Genres einzubinden. Typische Gesangslinien und Gitarrenriffs untermalt er gern mit Trap-Beats aus dem Drumcomputer und kreiert dadurch einen eigenständigen Sound. Ein gutes Beispiel dafür: Ein stark verändertes Cover seiner Vorbilder von blink-182. Zwar gehören auch neuere Acts wie Machine Gun Kelly zu seinen Einflüssen, der ebenfalls mit Genregrenzen spielt. Doch eines steht fest: „Wenn ich mich entscheiden müsste, dann für die alten Sachen!" Seine Hommage ist jedenfalls überaus gelungen!
Bunte Mischung: Die Diskographie von Josy's Boyfriend besteht vorwiegend aus Singles, die Jannik in relativ kurzen Abständen veröffentlicht.
Balladen auf Stereoiden
Wer die Diskographie von Josy's Boyfriend durchstöbert, wird dort auch „Warum du mich magst“ entdecken - jenen Song, den Jannik bei den Kulturschnack Acoustic Sessions performt hat. Wer ihn anhört, wird ihn kaum wiedererkennen, so sehr hat die Stimmung sich verändert. Aber wie geht es ihm selbst? Entdeckt man seine eigenen Songs nochmal neu, wenn man sie akustisch spielt? Ganz so weit würde Jannik nicht gehen, aber:
„Man merkt dabei , dass die ganzen Pop-Punk Songs oft diesen traurigen Emo-Vibe haben und erst durch das ganze Drumherum - das Arrangement und das Tempo - zu dem werden, was sie sind.“
Wenn man so will, sind viele Punk-Kracher also Balladen auf Stereoiden - und wenn man auf Verzerrer und Verstärker verzichtet, dringt man zu ihrem Wesenskern vor. Das spürt man auch auf der Bühne: „Man fühlt sich tatsächlich ein bisschen verletzlicher und nackt“, beschreibt Multitalent Jannik den Effekt. „Man hat eben keine laute Band im Rücken und kann nicht einfach rumschreien, weil eh alles laut ist.“
Pop-Punk der Generation TikTok
Für ihn sei das eine interessante Erfahrung gewesen, zumal das Experiment gut funktioniert habe. Einen größeren Stilwechsel müssen Fans aber nicht befürchten. „Einige Songs meiner Songs hätten tatsächlich auch 'akustisch' erscheinen können, da sie teilweise auch auf der Akustikgitarre geschrieben wurden“, erklärt der Multi-Instrumentalist, schränkt aber sogleich ein: „Ich fand die Songs dann irgendwie doch immer cooler, wenn sie in diesem Pop-Punk Style ausproduziert wurden, weil ich vor allem die Power an dem Genre mag.“ Für alle, die es ruhiger mögen, besteht aber dennoch Hoffnung: „Vielleicht treffe ich irgendwann die Entscheidung anders, wenn ich das bei einem Song sehe.“
Bleibt am Ende eigentlich nur eine große Frage: Wer ist eigentlich Josy? „Sag ich euch nicht“, antwortet Jannik mit einem Schmunzeln. Aber: „Man kann aber recht schnell drauf kommen.“ Und tatsächlich: Wer ein bisschen sucht, wird auch fündig. Kleiner HInweis unsererseits: Mit Josy wird am Ende alles gut - genau wie Janniks Performance bei den Kulturschnack Acoustic Sessions!
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