Beim Stichwort Festival geht der erste Gedanke direkt nach draußen. Hurricane, Deichbrand, Watt en Schlick - die großen Namen finden alle unter freiem Himmel statt. Indoor-Festivals sind dagegen weit weniger bekannt. Dabei machen viele Acts im kleinen Klub (mindestens) genauso viel Spaß wie auf großer Bühne. Den Beweis dafür tritt in diesem Jahr das „Metropoly“-Festival an, das vom 20. bis 23. April in Oldenburger Hallen stattfindet.
Nein, um Immobilien geht es hier nicht. Dieser Hinweis ist nötig, denn wer flüchtig nach „Metropoly“ googelt, stößt zunächst auf den „allerersten NFT-Immobilien-Marktplatz der Welt“. Sicher eine sinnvolle Sache, aber gerade nicht unser Ding. Stattdessen geht es - wenn wir im Immobilien-Kontext bleiben wollen - um Gebäude, die Klubs beherbergen, wie etwa die Oldenburger Institutionen Metro und Poly. Denn dort findet - wo wir schon bei Superlativen sind - das allererste „Metropoly“-Klubfestival der Welt statt. Und damit hätten wir auch gleich die Frage geklärt, wie der Name entstanden ist.
Ein Klubfestival? Ja, richtig! Und im Grunde ist alles dabei. was ihr auch von den großen Geschwistern unter freiem Himmel erwarten würdet: Gute Live-Bands auf den Bühnen, angesagte DJs bei den Afterpartys, dazu Filme, Vorträge, Talks, Workshops sowie ein intensiver Blick auf die Oldenburger Klubkultur der vergangenen Jahrzehnte. Ultimativer Bonus: Es gibt richtige Toiletten und der Foodcourt erstreckt sich über die gesamte Innenstadt!
Permanent aktiv x Freizeitlärm
METROPOLY KLUBFESTIVAL
DONNERSTAG, 20. APRIL - SONNTAG, 23. APRIL
METRO
26122 OLDENBURG POLYESTER AM STADTMUSEUM 15
26122 OLDENBURG CINE K BAHNHOFSTRASSE 11
26122 OLDENBURG >>> TICKETS <<<
Akzente statt Abstriche
Zugegeben: Alles ist eine Nummer kleiner. Echte Stadion-Bands sind nicht dabei, die Foo Fighters und Kraftklub werden es leider nicht schaffen. Aber: Es geht ja auch nicht um Stadien, sondern um Klubs und um ihre ganz besondere Rolle in unseren Leben. Denn im Gegensatz zu den Wiesen in der Wildnis (aka Festivalgelände) sind die Klubs Teil unseres Lebens und prägen uns vielleicht mehr, als wir denken. Gut, dass wir jetzt endlich nicht nur in ihnen, sondern sie selbst feiern können. Chapeau!
Dabei bekommen wir Unterstützung von einem spannendem Line-Up, das sich nicht auf ein Genre festlegt, sondern ganz unterschiedliche Geschmäcker bedient. Schwerpunkte liegen zwar bei Rap/HipHop- und Techno-/Electro/House-Sounds, die an der Hunte traditionell eine große Lobby haben; es gibt aber auch Indie-Pop zu hören. Und sowieso sollte man sich die Konzerte nicht entgehen lassen, auch wenn sie nicht einhundertzweiprozentig den eigenen Geschmack bedienen. Der ist nämlich nur eine Momentaufnahme und kann durch die furchtlose Konfrontation mit der musikalischen Realität verändert werden. Probiert es aus, das erweitert Horizonte!
Die Frage nach dem Wie
Wir haben uns gefragt: Wie schafft man das? Wie gelingt es, dass man so ein Festival konzipiert, realisiert und organisiert, ohne eine große Institution oder eine Heerschar an Freiwilligen im Rücken zu haben? Anstatt zu spekulieren, haben wir uns mit „Mastermind“ Marianna Martens über Entstehung, Abläufe und Potenziale des Festivals unterhalten. Ein Gespräch, das sich zwar allein um Oldenburg drehte, das aber zeitweise von Paraguay und Indonesien aus geführt wurde, also geradezu weltumspannend war. Eine angemessene Kragenweite für eine waschechte Premiere!
_Ihr habt euch mit dem „Metropoly“-Konzept im letzten Jahr bei MACH|WERK beworben, Oldenburgs Fonds für innovative Kulturprojekte. Den Namen gab es damals noch nicht, es war eher die lose Vision eines Klubfestivals. War das der Startschuss für euch?
Die wahre Keimzelle des Festivals war eigentlich schon seine Vorgängerversion, das PERMANENT X FAKE Festival im Jahr 2018. Damals sind wir mit unserem Kollektiv Permanent Aktiv und dem Musiklabel Fakeland im Polyester Klub einen ähnlichen Kurs gefahren: Wir wollten viel unterschiedliches Programm und nicht nur Party. Das ist uns auch ganz gut gelungen, mit Workshop-Angeboten, Kino, Konzerten und so weiter.
Jedoch gab es, wie bei jedem Erstversuch, ein paar Baustellen. Die Bewerbung beim MACH|WERK sollte uns die Möglichkeit geben, das Konzept auszuweiten, die Baustellen auszubessern und andere Kultur- und Kunstschaffende in Oldenburg zum Mitgestalten einzuladen und zu fördern.
_Und das hat dieses Mal geklappt?
Ja, denn so bekam das spartenübergreifende Festivalkonzept auch einen historischen Schwerpunkt. Wie sah Clubbing in Oldenburg eigentlich in den 70er, 80er, 90er Jahren aus und welche Diskotheken gab es? Wir haben uns mit der Neuauflage des Festivals also nicht nur eine klare kulturpolitische Aufgabe, sondern auch eine retrospektive Frage gestellt.
Erst mit Zusage der Fördermittel, einigen Veränderungen in der Klublandschaft Oldenburgs und etwas ins Land gezogener Zeit haben unsere liebsten Veranstaltungsstätten zusammengefunden und das Team Zuwachs erfahren. Der Name ist dann bei einem ersten Produktionstreffen ganz organisch entstanden. (Wobei mit Blick auf das Cine k auch „Metropoline“ schön gewesen wäre, Anm. d. Red.)
_Warum braucht Oldenburg denn so ein Festival? Auch wenn man es vielleicht nicht wahrhaben will, ist Oldenburg verglichen mit Bremen, Hamburg und Hannover ein kleineres Licht am Kulturhimmel. Das allerdings ist durchaus in der Lage, hell zu leuchten, wenn es richtig gepflegt wird. Was ich damit sagen will: Wir haben viel zu bieten und es schlummert auch noch ganz viel künstlerisches und kulturelles Potenzial unter der Oberfläche. Jedoch kann dies, und da sind wir uns im Team relativ einig, nicht auf durchkommerzialisiertem Boden wachsen und gedeihen.
Es müssen also Angebote geschaffen werden, die niedrigschwellig und erreichbar sind, die Menschen zum Nachdenken, Mit- und Selbermachen anregen.
Das wollen wir besonders durch das Workshopangebot erreichen. Ob im politischen Gespräch mit der Journalistin und Kulturwissenschaftlerin Anastasia Tikhomirova oder im Scratch Workshop mit DJ Cold Cut.
Ein weiterer Aspekt, der uns allen ganz schön an die Nieren gegangen ist, waren die Pandemie und die damit einhergehende Problematik im gesamten Kultursektor, nicht nur der Festivals und Konzerte. Was ist da eigentlich die letzten drei Jahre passiert? Wie hat uns das als Kulturschaffende aber insbesondere als Kulturkonsument*innen verändert und wollen bzw. können wir wieder auf einen “Normalnull”-Zustand zurück? Wir brauchen Gespräche und müssen, auch wenn jetzt wieder alles cool scheint, dringend miteinander reden.
Mir persönlich fällt es, auch wenn es wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit ist, immer noch schwer auf Veranstaltungen zu gehen, an denen viele Leute teilnehmen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich da die einzige bin. Es ist also nicht nur die Stadt, die dieses Angebot braucht, sondern es sind auch wir selbst als Teil einer Gesellschaft, die in der Kunst und Kultur ihren Ausdruck findet.
DAS PERMANENT AKTIV KOLLEKTIV ist eine Art lebender Widerspruch. Zwar sind seine Mitglieder tatsächlich kontinuierlich mit neuen Projekten beschäftigt - häufig aber mit jeweils eigenen, so dass die Gruppe mittlerweile eher eine lose Verbindung ist. Der Instagram-Account @permanentaktiv ist heute am ehesten den Arbeiten des Designers und Stenografen Janusz Kendel zuzuordnen. Und so flackerte der Name bisher nur sporadisch in der Oldenburger Kulturlandschaft auf; dann aber sehr hell, wie zuletzt im Herbst 2021 mit „Lichtung“, einem kleinen Festival in der Kulturhalle am Pferdemarkt, das dank seiner Lichtinstallationen eine ganz eigene Magie entwickelte. In allerbester Erinnerung ist vielen ebenfalls das oben erwähnte „Permanent x Fake“ Festival aus dem Jahr 2018 und die alljährliche Permanent Aktiv Weihnachtsfeier im Polyester ist für viele längst zu einem Ritual geworden. Vom 20. bis 23. April kehrt das Kollektiv mit "Metropoly" in die Veranstaltungskalender zurück. Ermöglicht wurde dies u.a. durch eine Förderung durch den MACH|WERK-Fonds. Die Hauptlast der Organisation trägt Marianna Martens, unterstützt wird sie von den - tatsächlich - permanent aktiven Menschen vom Freizeitlärm.
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_Der Kulturausschuss sah das schließlich auch so und hat die Idee gefördert. Wie wichtig ist so ein Signal: Dass man auch Geld für eine Idee bekommen kann, die sich erst noch durchsetzen will? Es gibt meiner Meinung nach nichts Wichtigeres! Was die Stadt Oldenburg mit der Zusage eigentlich gemacht hat, war ein gewisses Risiko einzugehen und uns als bunt zusammengewürfelten Haufen zuzutrauen, dass wir das wuppen.
Aus meiner Sicht gibt es nur einen Nährboden für Innovation, wenn man sich traut, unbefestigte Wege zu gehen.
Auch wenn unser Konzept global gesehen jetzt kein Novum ist (siehe z. B. den Kulturkosmos in Lärz und sein Angebot, der hier definitiv als Inspirationsquelle dient). Es ist einfach eine Form des Vertrauens, dass uns als Underground-Playern ganz gut tut, Sicherheit gibt und Kraft für die Zukunft schenkt. Also alles richtig gemacht, MACH|WERK! :)
(Die Playlist ist noch nicht vollständig und wird noch ergänzt.)
_Ist Oldenburg eigentlich ein gutes Pflaster für sowas? Hattet ihr das Gefühl, genügend Support zu bekommen? Oldenburg bietet sich an, weil das zur Verfügung stehende Netzwerk überschaubar, aber fest geknüpft ist und man eigentlich für jede Angelegenheit schnell die/den richtige*n Ansprechpartner*in findet. Dementsprechend: Ja, Oldenburg ist ein gutes Pflaster für ein Indoorfestival mit kulturdemokratischem Anspruch. Allerdings sticht an der Stelle auch die Arbeit von Gesine Geppert heraus, sie kümmert sich um unsere Öffentlichkeitsarbeit und hat immer den richtigen Riecher. Kooperationspartner*innen zu suchen und die Öffentlichkeit zu erreichen, war z. B. die größte Baustelle unseres Erstversuchs im Jahr 2018.
_Dementsprechend kam die Unterstützung nicht nur von MACH|WERK, sondern auch von anderer Seite, nämlich Freizeitlärm e.V., Metro, Polyester und Cine k , quasi ein Oldenburger All Star-Lineup. Statt Konkurrenz also Kooperation. Wie kam es dazu? Wie eben schon erwähnt war das ein Zusammenspiel vieler Faktoren. Allerdings hat gerade der Freizeitlärm e. V. beeindruckend umtriebige Mitglieder, von denen dieses Vorhaben immens profitiert.
Da wäre Jonas vom Cine k, Philipp von der Metro und Christian aka Hasi, ohne den (im wahrsten Sinne des Wortes) gar nichts laufen würde. Stefan vom Polyester als „alt eingesessenes Eisen“ der Oldenburger Kulturlandschaft ist auch immer nur ein Telefonat entfernt und bislang für jede unserer Ideen offen gewesen.
Dazu kommt, dass wir alle eine ähnlich philanthropische Auffassung von unserer Arbeit haben. Das ist vielleicht nicht immer das Beste für uns selbst, hinterlässt am Ende eines Projektes aber ein gutes Gefühl, das einen immer wieder, auch in komplizierten Momenten, antreibt und weitermachen lässt.
Warum also sich gegenseitig ausstechen, wenn man auch Kräfte bündeln und zusammen was feines auf die Beine stellen kann?
_Metropoly bietet eine ziemlich bunte Mischung an Programmpunkten, Orten, Menschen. Für eine Markenbildung ist so eine Vielfalt normalerweise ungünstig. Euch scheint es aber genau darum zu gehen, alle mitzunehmen und niemanden auszuschließen. Ist das richtig? Ist Metropoly für alle da?
Auf jeden Fall! Alle sind herzlich eingeladen vorbeizuschauen. Und so, wie wir uns das gedacht haben, müsste eigentlich auch für jede*n was dabei sein: Vom Arthouse-Kino über Trance-Techno, Rap-, Indie und Synthpop-Konzerten bis hin zu politischen Diskussionen, einer Ausstellung über die Oldenburger Klubkultur der vergangenen Jahrzehnte und die sonntägliche Theatervorstellung.
Ich finde es enorm wichtig, aus seiner eigenen Bubble rauszukommen und auch hin und wieder Eindrücke zu erhalten, die außerhalb der eigenen Komfortzone und Gewohnheiten liegen.
Mein größter Wunsch, und ich glaube auch das ist Konsens in der Gruppe, für das Festival ist es, dies mit dem interdisziplinären Programm möglich zu machen und einen Nährboden fürs Aufeinandertreffen, aber gleichermaßen loslassen des Alltags für Alle zu schaffen.
Wie draußen, bloß anders
Mit dem „Metropoly“ gewinnt Oldenburg ein echtes Veranstaltungs-Highlight im sonst eher festivalarmen Frühjahr - mit einer Programmvielfalt, die ihresgleichen sucht. Die ersten Gedanken beim Stichwort „Festival“ werden wahrscheinlich auch in Zukunft nach draußen gehen. Und allen sei von Herzen gegönnt, beim Deichbrand, Watt en Schlick, Hurricane, Tante Mia tanzt, Reload, Appletree, A Summer's Tale, Strandfieber, Fonsstock, Afdreiht & Buten oder auch Tabularaaza abzufeiern. Im April aber spielt drinnen die Musik. Und das ist nicht schlechter oder fader, sondern anders - in einem positiven Sinne.
Unsere Empfehlung: Nutzt das Wochenend-Ticket und taucht voll ein ins „Metropoly“. Das gibt euch die Freiheit, alles anzusehen und auszuprobieren, hin und wieder aber auch mal aufzutauchen und Luft zu holen. Wird das Festival ein Erfolg, dann wird das Permanent Aktiv Kollektiv seinem Namen in Zukunft wieder alle Ehre machen, wenn es - hoffentlich - viele Nachfolger fabriziert. Und dann sind die ersten Google-Ergebnisse zu diesem Begriff vielleicht nicht mehr obskure Anlage-Optionen in Digitalimmobilien, sondern ein Festival in Oldenburg.
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