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ZU BESUCH IM SPACE LABOR

  • kulturschnack
  • 6. Aug.
  • 9 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 7. Aug.

Felix Weckner und Jonas Struzina sind unheilbar vom Virus befallen. Vom Virus der Kunst, der sie seitdem nicht mehr loslässt. Innerhalb ihrer gemeinsamen vier Wände haben sie sich sprichwörtlich einen Space geschaffen, in dem sie unter ihren persönlichen Laborbedingungen, die Kunst entstehen lassen, die nicht nur schon bald in einer neuen Ausstellung mit weiteren Kunstschaffenden zu sehen sein wird, sondern letztlich auch einen Beitrag dazu leistet, die Kunstszene Oldenburgs mitzugestalten. Wer die beiden sind, was sie motiviert und was uns von den beiden in nächster Zeit erwartet, das lest ihr hier bei uns im Interview.


Foto der beiden Oldenburger Künstler Felix Weckner und Jonas Struzina in ihrem Space Atelier
Felix und Jonas blicken aus ihrem persönlichen Safe Space hinunter auf die Stadt. Foto: Kulturschnack

AUSSTELLUNG WHAT A GOOD LIFE 12. - 21. SEPTEMBER 2025 HEILIGENGEISTSTRAßE 6 26121 OLDENBURG


Zu Beginn würde ich gerne einmal an den Ursprung des Ganzen. Wie habt ihr beide jeweils überhaupt zur Kunst gefunden?


Felix: Ich erinnere mich, dass ich bereits in der Grundschule gesagt habe, dass ich gerne Künstler werden würde. Doch da haben alle eher negativ drauf reagiert und gesagt, dass das nicht das richtige und nicht zu schaffen sei. Dadurch rutschte das dann lange in den Hintergrund. Ich habe also immer schon kreativ gearbeitet, kreativ gedacht, aber die Malerei, meine heutige Hauptdisziplin, begegnete mir erst Ende 2019 wieder.


Felix sieht sich in stetiger Auseinandersetzung mit sich selbst. Foto: Jonas Struzina
Felix sieht sich in stetiger Auseinandersetzung mit sich selbst. Foto: Jonas Struzina

Davor hatte ich viel Musik gemacht und lebte zu dem Zeitpunkt bei meiner Ex-Freundin in einem riesigen Haus, in dem jedoch nur die oberste Etage vermietet war. Im Keller konnten wir uns dann ein Tonstudio einrichten und haben uns mit anderen während der Corona-Zeit viel dort eingeschlossen, Mucke gemacht und Beats gebaut. Ende 2020, Anfang 2021 hatte ich dann jedoch eine Art Erweckungserlebnis, das für mich alles änderte und mich wieder zum Malen brachte. Ich hatte ganz unterschiedliche Dinge versucht, wollte Architektur studieren, machte Praktika bei Medienproduktionen, verreiste nach Brasilien, kam hier nach Oldenburg und studierte Philosophie und Chemie, doch nichts fühlte sich richtig an. Mir wurde klar, dass ich eigentlich schon mein ganzes Leben diese eine Sache machen wollte und sagte mir: „Mach’s einfach!“ 

Ich habe dann auch quasi von heute auf morgen mein ganzes Geld in Kunstmaterialien gesteckt und hatte dann in dem damaligen Haus meiner Ex-Freundin auch mein erstes eigenes Atelier, in dem ich arbeiten konnte.


Jonas: Bei mir war das eher weniger die ganz große Eingebung. Ich würde behaupten, jedes Kind hat gerne gemalt und gekritzelt und da würde ich mich auch dazuzählen, aber das Fach Kunst im Schulunterricht war für mich immer eine Vollkatastrophe, weshalb ich es auch seit der 8. Klasse dann gar nicht mehr hatte.


Ich kam vom Land, wo es auch entsprechend wenig Angebote gab, für mein Sozialwissenschaftsstudium nach Oldenburg und die Stadt weckte in mir irgendwie eine intrinsische Motivation mich künstlerisch auszuprobieren. Ich war jedoch total überfordert damit, die passenden Materialien auszuwählen und wusste überhaupt nicht wo ich anfangen sollte. Ich bekam zwar BAföG, doch musste natürlich mit meinem Geld haushalten und Kunstmaterialien sind sehr kostspielig. Aber dann fiel mir ein Flyer der Volkshochschule in die Hand, fand einen Kurs für Acrylmalerei und meldete mich einfach an.


Foto von Jonas Struzina, einem der beiden Oldenburger Künstler, die das Space Labor verantworten und Beteiligter an der Ausstellung What a good life
Jonas, vom Virus der Kunst unheilbar befallen. Foto: Kulturschnack

Dort kam ich dann mit meinen zwei, drei Leinwänden an und hab mit meiner Anwesenheit dann erstmal den Altersdurchschnitt komplett runtergezogen, aber alle fanden es irgendwie toll, dass auch junge Menschen wie ich Interesse zeigten. Von dem Moment an habe ich dann nach und nach immer wieder neue „Aha-Momente“ gesammelt. Dort konnte mich zum ersten Mal wirklich ausprobieren und habe dadurch begriffen, dass ich machen kann, was ich möchte und hatte Ideen über Ideen. Danach habe ich mir eigene Materialien besorgt, weil ich nun auch den nötigen Überblick hatte, was ich wirklich brauche, eignete mir das Wohnzimmer meiner damaligen WG so ein bisschen als Atelier an und setzte meine ersten eigenen Projekte um. Das ist alles noch gar nicht so lange her, aber seit dem ist es, als sei man von einem Virus befallen, der einen besetzt, wenn man dafür empfänglich ist und die Motivation selten enden lässt.


Felix (mit großer Zustimmung): Auf jeden Fall!



Wie habt ihr beide denn dann aber letztlich zueinander gefunden?


Jonas: Das knüpft gut an meine Anfänge an. Ich habe im Zuge meines Sozialwissenschaftsstudiums ein Praktikum gebraucht und überlegte, wo ich ein solches absolvieren könnte. Das Ganze fiel in die Zeit der ersten großen The Hidden Art Project Ausstellung im ehemaligen HEMA Gebäude, die ich mir anschaute, weil ich über meine eigene Auseinandersetzung mit der Kunst wieder mit viel offeneren Augen durch die Welt lief, Menschen kennenlernen und Inspirationen sammeln wollte. Und so schrieb ich, als ich mit der Frage eines Praktikums konfrontiert war, einfach auf gut Glück eine Mail, saß kurz darauf bei Hauke Beck und Sven Müller, den beiden Köpfen hinter The Hidden Art Project, und mein Praktikum dort war beschlossene Sache.


Ich habe dann viele coole, offene Leute kennenlernen dürfen und mich bei vielen Projekten mitinvolviert. So kam es dann auch, zu dem Zeitpunkt hatten wir gerade eine Galerie im Lambertihof, dass Hauke bei einem gemeinsamen Meeting von Felix erzählte und ein paar seiner Arbeiten auf Instagram zeigte. Wir haben ihn dann zu uns eingeladen, waren auch bei ihm zu Hause, haben uns noch weitere Sachen angeschaut und dann letztlich beschlossen eine Ausstellung für ihn zu organisieren. Da haben wir dann auch privat immer mehr Zeit miteinander verbracht.


THE HIDDEN ART PROJECT Ihr fragt euch, worum es sich dabei dreht? Die beiden Künstler Hauke Beck und Sven Müller, die The Hidden Art Project gemeinsam verantworten, sind keine Unbekannten auf dem Kulturschnack und waren auch im Zuge ihrer Ausstellung RE:CLAIM schon früh als Gäste in unserem Podcast vertreten. Wer die beiden also ein wenig besser kennenlernen möchte, findet hier die vollständige Episode:


Felix, hattest du davor denn schon Menschen in deinem Umfeld, mit denen du dich künstlerisch austauschen konntest?


Felix: Nein und als sich The Hidden Art Project damals bei mir meldete, dachte ich wirklich: „Ich hab’s geschafft! Ab jetzt Rock’n’Roll, wir ziehen das jetzt durch, es läuft jetzt!“ (lacht) Nach meiner ersten Ausstellung hatte ich dann nichts verkauft, das war schon ein bisschen ernüchternd irgendwie. Aber trotzdem hatte ich jetzt plötzlich Menschen in meinem Leben, die sich mit genau den gleichen Themen auseinandersetzten, wie ich. Zum ersten Mal wurde ich nicht für das, was ich mache, belächelt, sondern wurde ernst genommen. Das hat mir wirklich viel gegeben und dann haben wir immer mehr miteinander rumgehangen bis wir schlussendlich zusammen in eine WG gezogen sind, in der wir mit der Zeit irgendwann eines der Zimmer zu unser beider Atelier umwandeln konnten – das Space Labor.


Jonas: Ich würde eher Lebens- statt Wohngemeinschaft dazu sagen. Es ist wirklich Gold wert, dass man sich einfach über alles austauschen kann, die Probleme des anderen versteht und die Meinung des anderen einholen kann, auch wenn einem die Kommentare dann vielleicht manchmal weniger gefallen. Da haben sich über die Zeit „Großer-Bruder-Gefühle“ bei mir entwickelt. Der große Bruder und der Chaos-Kopf. (Beide lachen laut)



Wenn ich mir eure jeweiligen Arbeiten anschaue, würde ich schon sagen, dass ich bei jedem von euch einen eigenen Stil zu erkennen glaube. Wie denkt ihr darüber, würdet ihr das unterschreiben?


Felix: Ich würde eher sagen, dass man sich persönlich die ganze Zeit auf der Suche befindet und über dieses ewige Suchen manifestiert sich irgendwo etwas in der Kunst. Man schafft und schafft und arbeitet dabei ja zwangsläufig mit gewissen Parametern, aber in erster Linie verarbeite ich, was mich beschäftigt und reflektiere das irgendwie auf ein anderes Medium. Mir persönlich liegt das schnelle Arbeiten deutlich besser. Man checkt oft aber auch selbst nicht, was man da eigentlich tut, bis man Jahre später irgendwann aus der Retro-Perspektive begreift, warum man diese Bilder zu dieser Zeit, auf diese Art und Weise gemalt hat. Am Ende des Tages geht es, glaube ich, immer darum dieses eine perfekte Bild malen zu wollen. Aber dieses eine Bild wird es niemals geben, weil würde man es malen, würde man damit aufhören.


Jonas: Ich würde mich dem anschließen. Oft ist es wirklich ein Schritt vor, ein Schritt wieder zurück. Bei mir ist das auch eher eine Momentaufnahme. Als ich angefangen habe zu malen, habe ich total viel mit Texturen gearbeitet, danach war es eine Weile ein bisschen psychedelischer und nun bin ich aber wieder komplett in der Abstraktion gelandet. Ich würde schon sagen, dass bei uns beiden eine gewisse Handschrift vorhanden ist, so würde ich das jetzt mal betiteln, denn auch innerhalb von sich ändernden Stilen kann eine eigene Handschrift bestehen bleiben. Ich finde jedoch gerade die Kategorielosigkeit total spannend, weil unser Gehirn eigentlich über Kategorien funktioniert und die Abstraktion dann verschiedenste Reaktionen bei den Menschen hervorruft.


Malutensilien der beiden Oldenburger Künstler Felix Weckner und Jonas Struzina, innerhalb des gemeinsamen Ateliers "Space Labor"
Ein "Space", der ein Arbeiten unter genau den richtigen Bedingungen ermöglicht. Foto: Kulturschnack

Ihr habt bereits das „Space Labor“ erwähnt, euer Atelier, in dem wir gerade sitzen und das sich innerhalb eurer Wohnung befindet. Der Begriff Labor suggeriert ja auch etwas Forschendes – ist da was dran? Habt ihr euch bewusst für diesen Namen entschieden?


Felix: Also zum einen wurde hier schon die eine oder andere „verspacete“ Nacht drin verbracht, würde ich sagen (lacht), aber es sind vor allem die Laborbedingungen, die ich in den Vordergrund stellen würde. Es ist halt wie eine Werkstatt, nur noch sehr viel spezifischer. Hier können wir uns alles ganz genau so herrichten, wie wir es brauchen. Man ist irgendwie abgekapselt von der Außenwelt und man fühlt sich, als könne einen auch niemand finden und sei abgeschirmt. Hier finden wir die Bedingungen, die wir brauchen um zu arbeiten, kreativ zu sein, aber auch mal ein bisschen durchzudrehen, wenn es nötig ist.


Jonas: Wir dachten uns einfach, es wäre cool, mit dem Space Labor einen offenen Ort zu schaffen, an dem auch unsere Freunde ganz ungezwungen vorbeikommen können, wenn sie in der Nähe sind oder einfach bei uns sein möchten. Es ist also nicht nur der Space nach oben, über die Erde hinaus, den wir damit meinen, sondern natürlich auch der Safe Space, den wir für uns mit diesem Raum hier selbst geschaffen haben.


Habt ihr also eher ein Atelier in eurer Wohnung oder wohnt ihr in eurem Atelier? Was würdet ihr antworten?


Jonas: Ich würde zum Zweiten tendieren. Denn überall findet man Sachen von uns gelagert, die du heute nicht siehst und wir womöglich für dieses Interview ein wenig versteckt haben. (Beide lachen) Aber auch in meinem Zimmer, wir haben noch einen weiteren Raum, da stehen ebenfalls Bilder, überall in der Wohnung findet man auf jeden Fall Sachen von uns.


Felix: Der Flur zur Küche wurde immer schmaler und schmaler! (Alle lachen)


Bleiben die Arbeiten denn vorerst gut versteckt in eurem Space Labor, oder haben diejenigen, die dieses Interview jetzt lesen, in nächster Zeit denn die Gelegenheit aktuelle Arbeiten von euch zu sehen?


Ein Foto vom Oldenburger Künstler Felix Weckner während dieser an einem seiner Werke arbeitet
Eine neue Ausstellung entsteht. Foto: Jonas Struzina

Felix: Ja, tatsächlich werden zum einen wir, also Jonas, Hauke Beck und ich unsere Werke in einer eigenen Ausstellung mit dem Titel „What a good life“ in der Heiligengeiststraße 6, direkt neben dem Core, vom 12. bis zum 21. September zeigen. Zum anderen wird den vierten künstlerischen Beitrag zur Ausstellung neytive beisteuern, der für die passende, musikalische Untermalung sorgt. Das Core hat uns erlaubt, diese Fläche in dieser Zeit zwischennutzen zu können. Der Titel „What a good life“ kann dabei gerne ironisch gelesen werden. Denn wir sitzen hier einfach auf unserer Insel des Westens, irgendwo in der Mitte und checken oftmals überhaupt gar nicht, was abgeht auf der Welt. Wir führen hier ein gutes Leben, während irgendwo anders Menschen dafür sterben, dass wir dieses Leben hier führen können.


Jonas: Das Ganze ist auch komplett eigens organisiert, ohne Fördergelder, wir machen alles selber. Zwei WGs plus viele weitere Helferlein. Das sind jetzt noch etwas mehr als vier Wochen, aber unter Druck entstehen Diamanten! (Beide lachen)


Zum Schluss würde mich noch interessieren: was wären denn künstlerisch eure Ziele, die ihr im Blick habt? Habt ihr soetwas für euch persönlich?


Felix: Also, was ich irgendwie versuche zu manifestieren, was meinen Motor am Laufen hält, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gegen Null geht, dass es jemals passieren wird, ist eine Einzelausstellung im MoMA, dem Museum of Modern Arts. Das ist die große Vision, die mir vorschwebt. Ist mir auch egal, ob ich dann bereits 80 Jahre alt bin, mit einem Sauerstoffgerät und meinem Rollator dort reinmarschiere. Aber ich glaube, wenn man da nicht dran glaubt, dann wird es auch nicht passieren, also ist das meine Antwort.



Foto einiger Werke des Oldenburger Künstlers Jonas Struzina
Auf der Suche nach dem eigenen Stil, bleibt doch die Handschrift zu erkennen. Foto Instagram: jonas.struzina

Jonas: Für mich ist es vor allem der Wunsch, mit der Kunst genug Geld zu verdienen, um nicht viel anderes machen zu müssen. Unabhängiger mit und durch die Kunst zu sein. Denn manchmal fressen mein Studium und Nebenjob schon ein bisschen meine geistigen Kapazitäten, auch wenn das eigentlich zwei verschiedene Disziplinen sind. Ich würde also gerne auf jeden Fall noch selbstständiger mit meiner Kunst werden wollen. Dass ich im Sommer nach Berlin fahren kann, dort arbeite und abseits dessen woanders meine Zeit verbringe. Verschiedene Standorte oder Gemeinschaften mit anderen Leuten zu haben, mit denen man arbeiten kann. Und darüber dann natürlich mehr auszustellen, auch deutschlandweit. Mein nächster kleiner Meilenstein für dieses Jahr ist es aber, die Bildhauerei zu lernen.

Felix: Genau, mein künstlerisches Nonplusultra wäre zwar das MoMA, aber mein Ziel im Leben wäre es, was ich dann gerne durch die Kunst verwirklichen würde, gemeinsam mit meinen Freunden, meiner Crew irgendwo Land kaufen und etwas aufbauen zu können. Einen Ort, an dem man sich selbst versorgt, nachhaltig lebt, es gäbe ein großes Gemeinschaftshaus mit Atelierfläche, Tonstudios, großer Küche, Gemeinschaftsräumen und jeder hat dann sein Tiny House dort stehen und macht seinen Kram.


Das klingt fantastisch! Vielen Dank für eure Zeit & das Gespräch! 

Wer die Arbeiten der beiden nun noch mehr kennenlernen möchte oder sich für den Kauf eines Werkes interessiert, dem seien die Instagram-Profile der beiden und auch der Account des Space Labors ans Herz gelegt: Felix Weckner: @felix.weckner Jonas Struzina: @jonas.struzina

Space Labor: @space_labor

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