Der designierte Generalintendant Georg Heckel hat das künftige Leitungsteam des Oldenburgischen Staatstheaters vorgestellt. Das geht das Publikum eigentlich nichts an? Denkste! Denn mit den neuen Köpfen kommen auch neue Ideen, Ansätze und Überzeugungen - die letztlich in das einfließen, was wir auf der Bühne sehen werden.
Donnerstagnachmittag, 17 Uhr: Trotz des leichten Nieselregens herrscht entspannte Stimmung im Großen Foyer des Oldenburgischen Staatstheaters. Menschen stehen zusammen, tauschen sich aus, diskutieren und lachen miteinander. Dass hier Großes passiert? Ist zunächst nicht zu spüren. Und tatsächlich handelt es sich bei diesem Termin um ein entspanntes Pressegespräch ohne viele Programmpunkte. Seine Bedeutung erhält das Ereignis eher durch seine langfristige Wirkung.
Denn auf den Stühlen am gewohnten Ort vor den Fenstern zum Theaterwall nehmen acht Personen Platz, die ab der Theaterspielzeit 24/25 - also: ab September - einen hohen kulturellen Einfluss auf Oldenburg haben werden. Denn sie werden gemeinsam mit Georg Heckel den Weg bestimmen, den das Oldenburgische Staatstheater nehmen wird. Und lauscht man ihren Aussagen an diesem späten Nachmittag, kann man sich eine gewisse Vorfreude nicht verkneifen, denn das Wichtigste bringen alle mit: Lust auf die neue Aufgabe.
Die Mischung macht's
Dabei scheint die neue Führungsriege eine gute Mischung zu haben. So werden einige Positionen gar nicht neu besetzt, Hendrik Vestmann bleibt Generalmusikdirektor, Hanna Puka leitet weiterhin die Theatervermittlung, Antoine Jully das Ballett, Matthias Grön das Junge Staatstheater, Gesine Geppert die Sparte 7 und beim Niederdeutschen Schauspiel bleibt Nora Hecker an der Spitze.
Und doch gab es auch den üblichen theatralischen Reigen, den ein Wechsel der Intendanz immer auslöst: Die einen folgen dem scheidenden Intendanten zu seinem neuen Ziel, in diesem Falle Karlsruhe. Die anderen kommen mit dem neuen Theaterleiter aus seiner bisherigen Wirkungsstätte, also aus Detmold. Einige Mitglieder der neuen Führungsriege hatten bisher mit keiner der beiden Städte Berührungspunkte - und für manche bedeutet die Position nach Oldenburg eine Rückkehr. Wir stellen die drei Gruppen vor.
1. Die Mitreisenden
Zusammen mit Georg Heckel kommt etwa die Musiktheaterdramaturgin Anna Neudert nach Oldenburg. Die gebürtige Augsburgerin ging nach ihrem Studium in Frankfurt am Main zunächst als Dramaturgie-Assistentin nach Detmold, bevor sie dort die gleiche Position innehatte, die sie nun in Oldenburg übernimmt. „Ich bin leidenschaftlicher Musiktheaterfan“, erklärt sie, denn Musik verbinde alle Menschen. Man kann ihren Tatendrang beinahe spüren, als sie betont: „Ich freue mich auf eine größere Stadt - und auf ein sehr schönes Haus.“
Der künftige Leitende Schauspieldramaturg und Schauspieldirektor heißt Reinar Ortmann. Er war in seiner bisherigen Karriere fest im Westen der Republik verortet. Der gebürtige Gießener arbeitete in verschiedenen Positionen in Köln/Bonn, Neuss, Aachen und zuletzt als Chefdramaturg in Detmold. Der Weg in den Norden bedeutet für ihn „echtes Neuland“, wie er bekennt - doch man spürt, dass er neugierig ist auf diese Aufgabe.
2. Die Neueinsteiger
Andere kommen von „außen“ nach Oldenburg, ohne tiefere Bindung zu den beiden Intendanten. Zu ihnen gehört Oliver Ringelhahn, dessen Herkunft schon nach den ersten Silben klar ist: Österreich. Er durchlief zunächst eine erfolgreiche Karriere als Sänger, seine Stationen klingen wie ein Allstar-Lineup der deutschsprachigen Opernszene: Linz, München, Dresden, Wien, Salzburg. Nach einem Studium des Kulturmanagement war er zuletzt jedoch Chefdisponent an der Oper Graz und wird in Oldenburg nun Künstlerischer Betriebsdirektor und Stellvertreter von Georg Heckel.
Neuer Orchesterdirektor wird Stefan Schmidt. Der studierte Bratschist profilierte sich parallel zu seiner künstlerischen Karriere in der Orchester-Organisation sowie als Geschäftsführer freier Ensembles. „Diese Tätigkeiten kommen mir jetzt bei der Weiterentwicklung des Staatsorchesters sehr entgegen“, erklärt er. Seine allerletzten Bedenken hinsichtlich des Wechsels an ein Staatstheater seien verflogen, als er in Oldenburg auf ein tolles Team stieß. Für diese Position empfohlen wurde Schmidt übrigens von seinem Vorgänger Oliver Kersken, der zur neuen Spielzeit - natürlich - nach Karlsruhe wechselt.
3. Die Rückkehrerinnen
Und dann gibt es da noch jene, die zwar eine neue Tätigkeit übernehmen, für die Oldenburg aber auch ein Stück Heimat bedeutet. Allen voran die neue Hausregisseurin Ebru Tartıcı Borchers. Sie studierte in Ankara und Salzburg Schauspiel bzw. Regie und kennt das Staatstheater durch Gast-Inszenierungen in drei Spielzeiten bereits bestens. Für „Amsterdam“ wurde sie für den Deutschen Theaterpreis 2023 nominiert. „Ich bin ein Fan des Staatstheaters“, bekennt sie bei ihrer Vorstellung und ergänzt: „Ich habe deshalb auch noch Träume für dieses Haus.“ Sie wolle mit vielen Menschen ins Gespräch kommen, um zu erfahren, was sie sich von „ihrem“ Staatstheater wünschen. Borchers wechselt nun fest ins Haus und übernimmt zudem eine unterstützende Rolle in der Schauspielleitung.
Eine Rückkehr der besonderen Art vollzieht Milena Paulovics, die an diesem Abend - mit leichter Verspätung - aus Potsdam anreist, wo sie derzeit inszeniert. Bereits vor ihrem Regiestudium in Berlin war sie am Staatstheater als Regieassistentin und Abendspielleiterin beschäftigt. Nach drei Jahren zog sie damals zwar weiter, doch in ihr stieg ein Gefühl auf: „Mit dieser Stadt bin ich noch nicht fertig.“ Und so schloss sich ein Kreis, als Georg Heckel sie nun in sein Team holte, um als Leitende Regisseurin im Zusammenspiel mit Reinar Ortmann die Doppelspitze im Schauspiel zu bilden. „Für mich ist Oldenburg eine Stadt voller Erinnerungen. Sie ist Mitschuld daran, dass ich mein Herz ans Theater verloren habe.“ Und nicht zuletzt sei sie auch: ein Stück Heimat.
Weniger eine Rückkehr als vielmehr eine Fortsetzung unter veränderten Vorzeichen werden die kommen Spielzeiten für Vanessa Clavey, der persönlichen Referentin des Generalintendanten. Die gebürtige Hannoveranerin wechselte nach ihrem Studium der Musik und Anglistik im Sommer 2023 als Dramaturgieassistentin für Oper und Konzert ans Oldenburgische Staatstheater und wird zur kommenden Spielzeit ihre neue Funktion übernehmen. „Ich freue mich, dass ich jemanden an meiner Seite habe, die das Haus schon gut kennt“, bekennt Georg Heckel.
Auf ein Neues
Die letzten zehn Theaterjahre werden die meisten Oldenburger:innen - trotz der Corona-Delle - in guter Erinnerung behalten. Viele hätten es mit dem scheidenden Generalintendanten Christian Firmbach durchaus noch länger ausgehalten. Trotzdem darf sich Oldenburg glücklich schätzen: Mit dem neuen Team kommen neue Gedanken und Gewichtungen nach Oldenburg - und allen Beteiligten konnte man trotz des Oldenburger Februarwetters die Vorfreude auf die neue Aufgabe anmerken.
Auch wenn sie noch nichts zur neuen Spielzeit verraten dürfen - das kommt am 11. Mai - deutete sich bei einigen schon an, dass sie lieber heute als morgen losgalloppieren würden. Und dieses Engagement geht das Publikum sehr wohl etwas an, denn es wird eine wichtige Zutat sein für die kommenden Spielzeiten - zwischen Neuland und Heimat.
Comments