SPITZE ALS STANDARD
- kulturschnack
- 17. Okt.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Nov.
Lesungen sind eine feine Sache. Es gibt perfekt vorgetragene Texte, mal gnadenlos spannend, mal gesellschaftlich relevant mal hinreißend poetisch, hin und wieder alles auf einmal, Dazu gibt es spannende „Behind the Scenes“-Einblicke oder informativen Kontext. Eine sichere Sache? Ja, allerdings nur mit den richtigen Autor:innen. Wie man diese findet, weiß Monika Eden, Leiterin des Literaturhauses Oldenburg. In ihren feinen Programm sind die Gewinner:innen des Deutschen Buchpreises Stammgäste - auch in diesem Herbst.

Der 13. Oktober 2025 wird Dorothee Elmiger für immer in Erinnerung bleiben. An jenem Montag verkündete die Jury des Deutschen Buchpreises im Rahmen einer feierlichen Zeremonie die diesjährige Gewinnerin. Zwar hatte die Schweizer Autorin zuvor schon auf der Shortlist gestanden und wurde als Favoritin gehandelt. Doch wahr wurde das Ganze erst, als im Kaisersaal des Frankfurter Römers schließlich ihr Name fiel.
In Oldenburg hielt sich die Überraschung derweil in Grenzen - zumindest bei Monika Eden. Die Literaturexpertin ist in der Branche und unter den „Booklovers“ im Oldenburger Land bekannt für ihr gutes Gespür - und das hatte sie auch dieses Mal nicht getrogen. Denn als Dorothee Elmiger die gute Nachricht vernahm, hatten Monika und ihr Projektteam ihre Arbeit längst getan. Sie hatten die Autorin nämlich schon zu einer Lesung eingeladen, bevor das ausgezeichnete Buch überhaupt erschienen war.

Ein Einzelfall ist das nicht. Erst am 17. September war mit Antje Rávik Strubel die Gewinnerin von 2021 zu Gast in Oldenburg, im September 2024 mit Saša Stanišić der Sieger von 2019. Die zeitliche Nähe zur Verleihung ist dieses mal allerdings enorm und bedeutet für die bereits gut nachgefragte Veranstaltung zusätzlichen Rückenwind. Warum dieser Coup mit Glück nichts zu tun hat? Das hat uns Monika im Interview verraten.
LITERATURHAUS OLDENBURG
DOROTHEE ELMIGER - DIE HOLLÄNDERINNEN
MODERATION: SABINE KYORA
SONNTAG, 23. NOVEMBER 2025, 11 UHR
CAR VON OSSIETZKY UNIVERSITÄT
BIS-SAAL
26129 OLDENBURG
AUSVERKAUFT
Monika, am 13. Oktober ist Dorothee Elmiger mit dem Deutschen Buchpreis 2025 ausgezeichnet worden. Bereits am 23. November liest sie in Oldenburg. Eigentlich war das intime Wilhelm13 als Veranstaltungsort vorgesehen. Steht jetzt ein Wechsel ins große PFL an?

Ich würde sofort den Umzug der Lesung ins PFL organisieren, so wie ich es kürzlich erst für die Eröffnungslesung der LiteraTour Nord mit Nora Gomringer am 26. Oktober getan habe - wenn dort im November nicht die KIBUM beheimatet wäre. Das PFL fällt damit als möglicher Veranstaltungsort ausgerechnet für diese Lesung der LiteraTour Nord aus. Ich habe aber gleich am Tag nach der Preisverleihung, die ich abends im Livestream verfolgt habe, Sabine Kyora angeschrieben, meine Projektpartnerin an der Universität. So konnten wir schnell in den dortigen Bibliothekssaal wechseln. Er bietet immerhin doppelt so viele Plätze wie das Wilhelm13. Wer dabei sein will, sollte sich aber dennoch beeilen - die Veranstaltung wird am Ende sicher ausverkauft sein.
Aus welchen Gründen Hast du Dorothee Elmiger ins Programm des Literaturhauses aufgenommen worden. Was hat dich an „Die Holländerinnen“ überzeugt?
Ich habe gemeinsam mit allen Partnerinnen und Partnern schon im Mai beschlossen, Dorothee Elmiger mit dem Roman in die aktuelle LiteraTour Nord einzuladen. Wegen der vielen Menschen, die in sieben Orten an dem Literaturprojekt beteiligt sind, brauchen wir so einen großen Planungsvorlauf. Der Vorschlag kam aber tatsächlich aus unserem Oldenburger Projektteam, das aus Prof. Dr. Sabine Kyora (für die Carl von Ossietzky Universität) Andreas Barth (für Buch Brader) und mir (für das Oldenburger Literaturhaus) besteht. Erschienen ist der Roman erst im August. Wir haben deshalb auf der Grundlage der Verlagsankündigung für die Schriftstellerin plädiert, und weil wir ihre bisherigen Veröffentlichungen kennen und schätzen. Gleich im August habe ich den Roman dann gelesen.
WORUM ES GEHT
DOROTHEE ELMIGER - DIE HOLLÄNDERINNEN
Dorothee Elmigers neuer, bildgewaltiger Roman – eine mitreißende Erfahrung. Mit blinkenden Warnlichtern fährt die Erzählerin, eine namenlose Schriftstellerin, an den Straßenrand, als ein unerwarteter Anruf sie erreicht. Am Apparat ist ein gefeierter Theatermacher, der sie für sein neuestes Vorhaben zu gewinnen versucht – ein in den Tropen angesiedeltes Stück, die Rekonstruktion eines Falls.
![]() Wenige Wochen später bricht sie auf, um sich der Theatergruppe auf ihrem Gang ins tiefe Innere des Urwalds anzuschließen. Dorothee Elmiger erzählt eine beunruhigende Geschichte von Menschen und Monstren, von Furcht und Gewalt, von der Verlorenheit im Universum und vom Versagen der Erzählungen. „Die Holländerinnen“ wurde mit dem Deutschen Buchpreis 2025 ausgezeichnet, was die Jury wie folgt begründete:
Dorothee Elmiger, 1985 in der Schweiz geboren, lebt als freie Autorin und Übersetzerin in New York. Sie studierte Literatur am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel und am Deutschen Literaturinstitut Leipzig sowie Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft an der Universität Luzern und der Freien Universität Berlin. Ihre Bücher Einladung an die Waghalsigen (2010), Schlafgänger (2014) und Aus der Zuckerfabrik (2020) wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, für die Bühne adaptiert und vielfach ausgezeichnet. Zuletzt erhielt die Autorin 2022 den Nicolas-Born-Preis des Landes Niedersachsen. |
Spürt man beim ersten Lesen: Das könnte was für den Buchpreis sein?
Ich denke bei meinen Programmentscheidungen nicht daran, ob die Bücher für Preise infrage kommen könnten. Ich wähle sie aus, weil sie mich literarisch überzeugen. Dorothee Elmiger sagt zu ihrem Roman, dass am Anfang des Schreibprozesses die Überlegung gestanden habe, wie sie etwas erzählen dürfe, das sie nicht selbst erlebt habe. Sie fand eine großartige literarische Lösung dafür, indem sie sich für ein vielfach gebrochenes Erzählen entschied, das sprachliche Zwischenebenen einzieht, um Distanz zu schaffen. Ihr Roman formuliert über weite Strecken im Konjunktiv. Was dabei vordergründig kühl und sachlich berichtet wird, traf mich bei der Lektüre mit so einer Wucht, dass ich mich dem Gelesenen nicht entziehen konnte. Denn je tiefer ihre Figuren in den südamerikanischen Urwald vordringen, umso intensiver schauen alle in die eigenen Abgründe und Dunkelheiten, und erzählen sich nach und nach ihre verstörenden Geschichten. Als die Shortlist bekanntgegeben wurde, war sie ganz klar meine Favoritin auf den Preis.

Die Träger des Buchpreises sind erfreulich oft in Oldenburg zu sehen. Was ist dafür die wichtigste Voraussetzung: Literarisches Gespürt – oder gute Connections?
Natürlich ist meine Expertise - also die Fähigkeit, die Qualität von Literatur zu beurteilen - für die Programmentscheidungen des Literaturhauses unverzichtbar. Von meinen guten Kontakten profitiere ich dann bei den Einladungen in das doch etwas abseits gelegene Oldenburg. In aller Regeln folgen die Autorinnen und Autoren ihnen, weil meine Arbeit einen guten Ruf genießt.
Was erwartest du dir von der Lesung?
Ich freue mich besonders auf das Gespräch mit der Autorin, das bei dieser Lesung von Sabine Kyora geführt wird. Sie bietet das begleitende Seminar zur LiteraTour Nord an der Universität an und ist bei dem Projekt meine Verbindung zu den Studierenden, die unsere Lesungen kostenlos besuchen dürfen.
Mit Akribie und Herzblut
Man gewöhnt sich allzu schnell daran, wenn man in einem Veranstaltungsbereich durchgehend höchstes Niveau serviert bekommt. Hin und wieder sollte man sich allerdings bewusst machen, dass diese Qualität nicht vom Himmel fällt, sondern akribische Arbeit, fachliches Know-how und viel Herzblut voraussetzt. Wenn also die aktuelle Gewinnerin des Deutschen Buchpreises nur wenige Wochen nach der Auszeichnung in Oldenburg zu Gast ist, ist das keineswegs der Normal-, sondern ein Glücksfall fürs Publikum.

Das Lob dafür gebührt nicht Monika Eden allein, sondern ebenso ihren Projektteam mit Prof. Dr. Sabine Kyora und Andreas Barth sowie all ihren Unterstützer:innen. Sie ist es jedoch, die alle Fäden zusammenführt und die sich bis zum sprichwörtlichen Umfallen dafür einsetzt, dass Oldenburg ein starkes Literaturprogramm erleben darf, in dem wir perfekt vorgetragene Texte erleben dürfen, mal gnadenlos spannend, mal gesellschaftlich relevant mal hinreißend poetisch, hin und wieder alles auf einmal. Die Spitze als Standard: Das sollte man nicht verpassen - erst Recht nicht, wenn die frisch gekürte Buchpreisträgeirn zu Gast ist.



