Der Kulturausschuss ist weiterhin auf Tour: Die Juni-Sitzung fand im Oldenburgischen Staatstheater statt, nach der Sommerpause ging es im Horst-Janssen-Museum weiter. Dieses Mal ging es wieder nicht ins angestammte PFL, denn dort ist dank der KIBUM alles fest in Kinderhand. Der Ausschuss tagte sogar in kulturell eher unverdächtigen Räumlichkeiten, nämlich im Gebäude des städtischen Finanzdezernats auf dem Gelände der Alten Fleiwa.
Das aber sollte sich nur kurz als Problem herausstellen. Eine kleine Gruppe wähnte den markanten Fleiwa-Turm als Tagungsort, fand das richtige Ziel jedoch etwas später. Hätten sie mal unsere Ankündigung gelesen, die genau das vorab erklärt hat. Letztlich bedeutete der kleine Irrtum bei den Betroffenen aber nur kurze Stressmomente und die Sitzung ging beinahe pünktlich los. Apropos Ankündigung: wer sich für die genaue Tagesordnung interessiert, schaue bitte auch dort nach.
Die Sitzung haben wir für euch live angeschaut und fassen hier zusammen, was dort in rund zwei Stunden diskutiert wurde. Wie immer: In fünf leichtverdaulichen Erkenntnissen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Schließlich ist dies kein Protokoll. Wer sich das wünscht, schaut im Ratsinformationssystem vorbei!
Erkenntnis 1
Krise ist überall
Die Kultur bereitet sich auf einen schwierigen Winter vor
Ein Gespenst geht um in Europa und es nennt sich... ja, wie eigentlich? Energiekrise? Inflationskrise? Oder gar Kostenkrise? Wie auch immer man das Ganze bezeichnet, die Preisentwicklung ist derzeit ein dominantes Thema, weil alle unweigerlich davon betroffen sind. Das wurde in dieser Sitzung schon gleich zu Beginn - bei der Einwohnerfrage - spürbar. Deliane Rohlfs, Leiterin der Oldenburger Kunstschule, fragte stellvertretend für die Szene nach, ob die Stadt plane, die drastisch gestiegenen Energiekosten für die Kulturinstitutionen in irgendeiner Form abzufedern. Für die Verwaltung antwortete OB Krogmann, dass auf Landes- und Bundesebene an Lösungen gearbeitet werde, die man abwarten wolle.
Die Vertreter:innen der Parteien bekräftigten, dass dieses Thema bei den anstehenden Haushalts-Beratungen eine wichtige Rolle spielen werde. Dort werde man sich Gedanken machen, ob eine Lücke zwischen den Förderungen durch Land und Bund und den tatsächlich entstehenden Kosten eventuell aufzufangen wäre. Nach einhelliger Meinung aller Beteiligten ist die Kultur vom Kostenanstieg bei der Energie besonders betroffen, so dass man alle Möglichkeiten ausloten wolle. Hingewiesen wurde aber auch darauf, dass auch Sparbemühungen nötig sind. Das Ziel laute hier: 20 Prozent Minderverbrauch.
Dennoch sind die Kultureinrichtungen besorgt. Denn welche Programme auch immer von Land und Bund kommen werden: Keines wird hundert Prozent der Einbußen kompensieren. Dazu passte auch der Reality Check durch den OB: Ein etwaiges Engagement der Verwaltung werde auf jeden Fall Grenzen haben, man könne nicht jede Lücke ausgleichen.
Der momentan allgegenwärtige Elefant im Raum stand also auch im Sitzungssaal des Kulturausschusses. Die Krise ist eben überall. Unsere Prognose deshalb: der Kostendruck wird uns noch eine Weile beschäftigen.
Erkenntnis 2:
Haushalt ist kompliziert
Weniger Mittel bedeuten weniger Möglichkeiten
Nein, ohne Vorwissen in Verwaltungsbetriebswirtschaft kann man einen kommunalen Haushalt nicht wirklich verstehen. Aber selbst mit einschlägigem Know-how bleibt es eine komplexe Angelegenheit. Trotzdem lohnt sich ein Blick auf die trockenen Zahlen. Sie verraten nämlich einiges über die allgemeine Finanzsituation. Fängt die Verwaltung an zu sparen, ist das nicht selten ein Signal für schlechtere Zeiten. Und so ist es - leider - auch dieses Mal. OB Krogmann erwähnte am Rande, dass das prognostizierte Defizit der Stadt Oldenburg in Höhe von 6 Mio. Euro bereits nicht mehr aktuell sei und deutlich höher ausfalle. Da heißt es für alle Teile der Stadtverwaltung: Sparen. Auch in der Kultur.
Kurzer Exkurs zum Verfahren In den Sommermonaten erarbeiten die Ämter der Stadtverwaltung die Haushaltsentwürfe für das kommende Jahr. Das heißt: Sie schlagen vor, wie viel Geld für welche Dinge eingesetzt werden soll. Dabei berücksichtigen sie aktuelle Vorgaben wie die pauschalen Einsparziele. Das Ergebnis, sprich: der Entwurf, wurde nun im Kulturausschuss vorgestellt. Er geht danach in die Beratungen der Fraktionen, die höchstwahrscheinlich einige Änderungswünsche haben werden. Erst im Anschluss wird im Rahmen einer Ratssitzung - meist im Dezember, manchmal im Januar - der Haushalt beschlossen.
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Dieser Haushaltsentwurf ist etwas unbequemer als die letzten, weil er auch Reduzierungen vorsieht. Immerhin: die Strukturbrücke wird eingestellt. Paradoxerweise ist das eine gute Nachricht, denn der enorme Bedarf ist einfach nicht mehr da. In diesem Jahr wurden die Budgets nämlich nicht ausgeschöpft. Etwas umstrittener: Die Verwaltung möchte bei RaZ kürzen, Mach|Werk soll wieder auf den ursprünglichen Ansatz ihn Höhe von 40.000,- Euro eingedampft werden. Hier gab es seitens der Politik durchaus Diskussionsbedarf, weil man die langfristige Dimension dieser Ansätze sah. Es wurde mehrfach eine tiefergehende inhaltliche Auseinandersetzung befürwortet. Es könnte also sein, dass dem Hü aus der Verwaltung ein Hott der Politik folgt. Oder so. Wie gesagt: Es ist kompliziert.
Erkenntnis 3:
Alle sind sich einig
Schwere Zeiten schweißen zusammen
Wie bitte? In der Politik sind sich alle einig? Das muss doch ein Scherz sein! Aber nein, ist es nicht. Denn auch wenn die Redebeiträge zum den TOPs durchaus changierten, war die Stoßrichtung immer dieselbe, nämlich die Unterstützung der Kultur in schweren Zeiten. Und auch wenn der eine oder andere Verwaltungsvorschlag für den Haushalt nicht allen gefiel, gab es ein allgemeines Bewusstsein für Notwendigkeiten. Das heißt: bestimmte Dinge werden unvermeidbar sein, das war allen klar. Und das ist auch okay, solange die grundsätzliche Richtung stimmt. Und das tut sie ja, denn: alle sind sich einig.
Die Einigkeit betraf auch das Thema Klima. Einige Kultureinrichtungen haben nämlich Förderanträge für die energetische Sanierung ihrer Spielstätten gestellt. Die seien absolut notwendig, stimmten Vertrer:innen der Politik zu. Schließlich wäre es ja sinnlos, Defizite durch schlecht gedämmte Häuser zu subventionieren. Entsprechende Anträge würden aber nicht aus dem Kultur-, sondern dem Klimaschutzprogramm finanziert, so dass das strapazierte Kulturbudget dadurch nicht weiter angetastet würde. Eine gute Nachricht.
Tatsächlich setzte sich die Einigkeit auch bei anderen Punkten fort - wie zum Beispiel einem Tastmodell für die Stadt. Viele von euch kennen so etwas sicher aus anderen Städten. Solche Modelle geben Menschen mit Sehbeeinträchtigungen die Möglichkeit, sich ein Bild von den räumlichen Gegebenheiten und Bezügen zu machen. Das Oldenburger Modell wird im Maßstab 1:500 hergestellt und im kommenden Mai auf der Grünfläche neben dem Pulverturm aufgestellt. Vielleicht nicht der naheliegendste Ort, mit dem Modell soll dort aber auch einer Aufwertung erfolgen. Nach derzeitiger Planung wird die Produktion noch im Dezember in Auftrag gegeben und soll etwa 70.000 Euro kosten. Das begrüßten alle Anwesenden.
Und die große Einigkeit ging sogar noch weiter! Sie betraf nämlich auch die Erkenntnis Nummer 5: Mehr geht immer. Alles weitere lest deshalb bitte dort. Was wir festgestellt haben: So sehr wir den politischen Diskurs schätzen und zünftige Schlagabtausche lieben, so schön ist es auch mal, solche Einigkeit zu erleben.
Erkenntnis 4:
Geschichte gehört in die Gegenwart
Die Stadt sucht nach kreativen Formen der Erinnerung
Lange wurde über den sogenannten Wilhelmsstein diskutiert. Zunächst nach seinem Fund vor sieben Jahren - und erneut in den letzten zwei Jahren, in denen er bei sechs Ausschusssitzungen auf der Tagesordnung stand. Wer ganz tief in das Thema einsteigen möchte, lese bitte den wunderbaren Beitrag „Stein des Anstoßes“ des Stadtmuseums. Für alle anderen: Der Stein ehrt mit Kaiser Wilhelm I. eine zweifelhafte historische Persönlichkeit und steht zudem dort, wo er gefunden wurde: auf einem Spielplatz auf dem Anne-Frank-Platz in Neu-Donnerschwee. Das halten viele für unvereinbar.
Die Verwaltung hat die dort benachbarte Jugendkulturarbeit e.V. gebeten, Ideen für einen kreativen Umgang mit diesem Stein zu erarbeiten. Das entsprechende Projektkonzept wurde nun vorgestellt und stieß in Verwaltung und Ausschuss auf Zustimmung (schon wieder Einigkeit!). Doch der Teufel liegt im Detail. Es ergaben sich einige Fragen z.B. zu künftigen Nutzung des freiwerdenden Sockels, die nicht abschließend beantwortet werden konnten. Im kommenden Jahr sollen sie final geklärt werden, so dass der Wimhelmsstein die kulturpolitische Diskussion wohl noch eine Weile begleitet. Wie schön, es haben sich ja sowieso schon alle daran gewöhnt. Und wenn die Länge des Prozesses letztlich dabei hilft, eine kreative Erinnerung zu ermöglichen, dann war es die Mühe und die Zeit definitiv wert.
Etwas anders war es bei Ehrung für Pastor Urdze, denn die Vorschläge wie Grabpflege fand man im Ausschuss eher mittelmäßig kreariv. Die Verwaltung versprach, in weiteren Verlauf nach weiteren, attraktiven Möglichkeiten zu suchen, zum Bespiel zusammen mit den Gemeinnützigen Werkstätten. Auch dieses Thema setzt sich also fort, aber immerhin ist es noch nicht sehr alt: Es bezieht sich auf einen Antrag, der erst in der Juni-Sitzung gestellt wurde.
Erkenntnis 5:
Mehr geht immer
Auf der Suche nach Räumen und Terminen
Das war eine Überraschung: Bei den Sitzungsterminen des Kulturausschusses im kommenden Jahr gab es tatsächlich eine inhaltliche Diskussion. Deren Zahl sollte nämlich von 7 auf 5 reduziert werden. Aus Sicht des Protokollanten ist das natürlich ein Traum, inhaltlich aber natürlich diskutabel. Grund dafür sei aber nicht etwa, dass man mehr nicht für nötig halte, sondern etliche Ferientermine, die auf den dritten Dienstag im Monat fallen. Kuktrpolitik im Telegramstil, wie Pavel Möller-Lück es formulierte, konnten sich die meisten Mitglieder des Kulturausschuss aber nicht vorstellen. Deshalb erging der Auftrag an die Verwaltung, weitere mögliche Daten auszuloten. Mehr geht schließlich immer. Da waren sich wiederum alle einig.
Das Doppel-Prinzip betraf übrigens auch die beiden Anträge der Fraktionen zur Kunst im öffentlichen Raum und zum Mangel an Proberäumen. Die Vertreter:innen der Politik vertragen über Parteigrenzen hinweg die Ansicht, dass Kunst im öffentlichen Raum eine hohe Bedeutung habe, weil sie anders als ein Museum keinerlei Schwelle besitze. Wer mehr dazu erfahren möchte, besucht das städtische Portal „Kunst auf Klick“. Der Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum solle man tatsächlich wieder mehr Aufmerksamkeit widmen, mittelfristig eventuell mit dem Ziel eines Budgets für solche Zwecke. Das auch mit Blick darauf, dass es so etwas aktuell nicht gibt - und (vielleicht deshalb?) in den letzten zwanzig Jahren kaum neue Kunstwerke hinzugekommen seien. Also: Mehr geht immer!
Gleiches gilt für Proberäume für Solokünstler:innen und Bands. Im Johann-Justus-Weg sind nun einige weggefallen, so dass weitere Bands auf der Suche seien. Wer die Kultur weiterentwickeln und ihr eine Zukunftsperspektive eröffnen wolle, lautete eine Feststellung, müsse hier ansetzen. Zudem sei Musik auch für junge Menschen ein enorm wichtiger Kanal für die Expression und Verarbeitung von Emotionen ist.
Normalerweise sei das Sache des Marktes, erklärte die Verwaltung, doch Vertreter:innen der Parteien sahen eine größere politische Dimension. Denn dort, wo früher Proberäume standen, stünden heute teure Mietwohnungen. Insofern müsse auch irgendwo ausgeglichen werden, was weggefallen ist. Wenn Kultur wirklich wichtig ist - und da sind sich natürlich wieder alle einig - müsse man hier eventuell sogar finanzielle Mittel einsetzen - auch wenn die Krise überall ist.
Das gleiche Problem betrifft auch Ateliers, die auf dem Mietmarkt ebenfalls nicht konkurrenzfähig sind. Freiräume würden generell immer weniger. Deswegen stelle sich natürlich die Frage, ob die Stadt nicht nach Immobilien Ausschau halten könne, wo viele Kreative eine Heimat fänden. Die wiederum verwies darauf, dass die Frage 2012/13 schon mal diskutiert worden sei, dass sich aber alle Möglichkeiten zerschlagen hätten, obwohl der Verdichtungsdruck längst nicht so hoch war. Amtsleiterin Christiane Cordes bringt es auf den Punkt: "Es ist extrem kompliziert." Das bleibt vermutlich auch so, aber immerhin sind sich alle einig: Mehr geht immer!
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