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ERKENNTNISSE AUS DEM KULTURAUSSCHUSS

Der Kulturausschuss auf ungewohntem Terrain: Die Sitzung am 21. Juni fand nicht im angestammten PFL, sondern im Oldenburgischen Staatstheater statt. Sicherlich ungewohnt, auf jeden Fall aber eine Bereicherung. Denn der großflächig verglaste Raum kreierte eine andere Atmosphäre als der Sitzungssaal des PFL.


Der Kulturausschuss im Theaterfoyer
Viel Platz, viel Licht, viel Atmosphäre: Das Theaterfoyer war ein guter Ersatz (Bild: Kulturschnack)

Nachdem ihr bereits Montag in unserer Ankündigung vorab erfahren konntet, was dieses Mal auf der Tagesordnung stand, war es gestern dann soweit. Wir haben uns das Ganze für euch live angeschaut und fassen hier für euch zusammen, was in der über zweistündigen Sitzung diskutiert wurde. Wie immer: In fünf leichtverdaulichen Erkenntnissen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Schließlich ist dies keim Protokoll. Wer sich das wünscht, schaut im Ratsinformationssystem vorbei!



Erkenntnis 1

Veränderung tut gut


Im Grunde ging es schon vor dem Eingang los: Entspannte Stimmung, lockerer Talk in der Nachmittasgsonne. Das Ambiente passt. Und das setzte sich im Inneren nahtlos fort. Das Hauptfoyer des Staatstheaters erwies sich nicht nur als tauglich für eine Ausschusssitzung, sondern beinah schon als ideal: Mit einem gut angelegten Gastgeber Tilmann Pröllochs (in Vertretung des reisenden Intendanten), gastronomischer Grundversorgung und einem guten Blick von innen nach außen. Oder von außen nach innen? Im Vergleich zum PFL war dies auf jeden Fall eine neue, angenehme Form der Präsenz und Transparenz.


Mutig war Pröllochs offensiver Vorstoß zu den Kosten für die Kultur - mit der Bemerkung, dass Theater zu den größten Kostenpositionen einer Kommune gehören. Doch Oldenburg sei hier gut aufgestellt, da das Staatstheater für vergleichsweise wenig Geld (ca. 6,5 Mio. Euro von einem Gesamtbudget von 32 Mio. Euro) sehr viel Programm liefere. Diese Verhältnis sehe bei vielen städtischen Theatern wie etwa in Osnabrück ganz anders aus.


Das Sahnehäubchen der Begrüßungsworte war das Angebot des Verwaltungsleiters, nach der Sitzung einer Probe für die „Götterdämmerung“ des Ring des Nibelungen beizuwohnen. Eine rare Gelegenheit, die sich in diesem Form sonst nicht ergäbe - jedenfalls nicht im PFL.



Erkenntnis 2

Begegnungen tun gut


Projektleiter Bernd Hubl machte neugierig auf die neueste Ausgabe der „Begegnungen“-Reihe, die zwischen dem 20. September und dem 20. November stattfinden wird. Nach China, Südafrika, Türkei, Polen, United Kingdom ist nun Island an der Reihe. „Warum Island?“, nahm Hubl die drängendste Frage sofort vorweg. Zwei Antworten gab er darauf: Island sei überraschend, denn es habe die höchste Künstler:innendichte Europas. Neben der weltbekannten Musik spiele vor allem die Literatur eine große Rolle, aber auch viele experimentelle Kunstformen. Dabei entspräche die gesamte Einwohnerzahl Islands gerade einmal zwei Oldenburgs.


Ort des Geschehens: das Staatstheater - mit dezentem Hinweis auf den Ring (Bild: Kulturschnack)

Die zweite Antwort lautet tatsächlich: Glück: Rankings, in denen die Zufriedenheit der Menschen gemessen wird, verorten die kleine Republik immer wieder auf einem der Spitzenplätze. Ein Grund dafür: Die Wellbeing Economy. Sie rückt ab von einer streng kapitalistischen Marktwirtschaft hin zu einer mehr Gemeinwohl-orientierten Form des Wirtschaftens. Das schlägt sich ganz offenbar im Glücksgefühl der Menschen - und vielleicht auch in deren künstlerischer Expression - nieder Wobei diese Korrelation eine reine Mutmaßung ist, die wir nicht belegen können.


Interessantes Land also, aber was erwartet uns konkret? Ingesamt 34 Veranstaltungen, die zu gegebener Zeit genauer vorgestellt werden. Zwei Projekte hob Bernd hervor: Jon Gnarrs „Hotel Volkswagen“. In Kooperation mit dem Staatstheater ist eine szenische Lesung des Erfolgsstücks geplant, anschließend wird es einen Talk mit dem bekannten Autor geben. Der war übrigens, wie Bernd erzählt, früher ein Comedian und wurde dann Oberbürgermeister von Reykjavik. Das zweite Projekt ist: Björk! Nein, leider kommt die Künstlerin nicht persönlich, aber in Form eines Theatersstücks in Zusammenarbeit mit der Kulturetage und em Schlauen Haus Oldenburg. An einem sehr ungewöhnlichen Ort, wie Bernd gekonnt anteasert, wird es unter dem Titel "Björk meets Timothy - Kunst trifft Philosophie" um einen Email-Austausch zwischen der Sängerin und dem Philosophen Timothy Morton gehen. Diese Konversation erschien erstmals im Kontext zu einer Björk-Retrospektive im New Yorker Museum of Modern Art. Genau unsere Kragenweite!



Nummer 3

Musik tut gut


Der Leiter der Musikschule Holger Denckmann stellte sein Haus für den - immer noch relative neuen - Kulturausschuss vor. Holger beschrieb dabei die gesamte Demographie seiner Einrichtung - inklusive einer Aufschlüsselung der Nutzer:innen nach Stadtteilen, die manches Klischee bestätigen. Daran entspann sich eine rege Diskussion, wie man Zielgruppen ansprechen könnte, die man normalerweise nicht so leicht erreicht, insbesondere jene mit geringem Einkommen. Ein wichtiges Thema, das sicher fortgesetzt werden dürfte - auf das es aber keine einfachen Antworten gibt. Denn der entscheidende Fakt sei laut Holger nicht etwa das Geld, sondern die Musikalität der Eltern. Und die könne man eben kaum beeinflussen.


Ein Lichtlein ist dem Ausschussmitgliedern gleich mehrfach aufgegangen (Bild: Kulturschnack)

Auch auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie kommt er ausführlich zu sprechen, Und obwohl die Reaktionen der Musikschule beeindruckend waren und sie sich über Nacht digitalisierte, erspare ich euch die Details an dieser Stelle. Widmen wir uns lieber Holgers Feststellung, dass es 2022 endlich wieder los ging mit den Großveranstaltungen und dass sie häufig sogar ausverkauft seien.


Die größte von allen war aber ein externes Format: Jugend Musiziert. Vom 2. bis 9. Juni hat der Bundeswettbewerb in Oldenburg stattgefunden und war aus Sicht des Musikschulleiters ein toller Erfolg. Oldenburg habe sich als wunderbare Gastgeberin präsentiert und sei beim Organisationsteam und bei den Teilnehmenden hervorragend angekommen. 2.300 Kinder und Jugendliche waren vor Ort und haben „wahnsinnige musikalische Leistungen“ vollbracht, von denen man zum Teil gar nicht erwartet habe, dass sie überhaupt möglich seien. Als “musikalisches Höchstniveau“ bezeichnet Holger das - und dem können wir nur zustimmen. Auch die Bevölkerung war dabei: Insbesondere übers Pfingstwochenende waren die Veranstaltungen sehr gut besucht. Für den Musikschulleiter war diese Großveranstaltung eine ideale Verbindung von Bildung und Kultur - und für die Stadt ein Riesengewinn.



Nummer 4 Geld tut gut


Leiterin Paula von Sydow berichtet für das Kulturbüro über die städtische Kulturförderung. Sie klärt darüber auf, dass in diesem Jahr 127.000 Euro für Projektförderungen zur Verfügung stellen, 37 Anträge lägen bisher vor, 33 wurden bereits bewilligt, die Quote liege also sehr hoch. Für Projekte der Kulturellen Bildung stünden 15.000,- Euro zur Verfügung, die maximal Förderhöhe liege bei 500,- Euro pro Projekt, hier lägen 13 Anträge vor.


Auch in diesem Jahr gibt es eine Strulturbrücke. Institutionen haben die Gelegenhit, bis zu acht Prozent ihren üblichen Fördervolumens beantragen, insgesamt 140.000 Euro. Für freie Kulturschaffende und Solokünstler:innen stehen 124.000 Euro zur Verfügung, Anträge können eine Höhe von bis zu 3.500 Euro haben. Das letzte Förderinstrument ist Mach|Werk, der Fonds für innovative Kulturprojekte, der 80.000 Euro vorsieht. Er wird ab dem 22. Juni ausgeschrieben und läuft bis zum 31. August.



Ring von hinten: Neue Orte bieten neue Einblicke (Bild: Kulturschnack)

Daneben gebe es, so Paula weiter, die institutionelle Kulturförderung, die den 22 geförderten Einrichtungen jährlich einen festen Zuschuss garantiert. Aktuell läuft ein Prozess zu einer Neuausrichtung dieser Förderung, um verschiedene - von der Kulturpolitik in der letzten Legislaturperiode formulierten - Zielsetzungen besser erreichen zu können. Dazu braucht es allerlei Kriterien, Strukturen und Formalien, sprich: sehr viel Vorarbeit. Das zeigte auch die anschließende Diskussion, die offen legte, dass die Corona-Pandemie womöglich diverse Neuüberlegungen nötig macht.


Natürlich ist es profan, den direkten Kontext zwischen Geld und Kultur herzustellen. Doch seien wir ehrlich: Ohne Förderung würde vieles, was wir schätzen oder sogar lieben, nicht passieren. Ohne Förderung wären auch Theaterkarten unerschwinglich. Deshalb ist dieser Bereich des Kulturbetriebs zwar vergleichsweise unglamourös, aber umso bedeutender.



Nummer 5

Diskutieren tut gut


Bei allen Tagesordnungspunkten, nicht zuletzt auch bei den Anträgen der Fraktionen, zeigte sich, wie sinnvoll und anregend es sein kann, sich über Themen aktiv auszutauschen.


Bei den Anträgen ging es zunächst um ein Gedenkobjekt für Paulis Urdze. Den kennst du nicht? Wir gestehen: wir auch nicht. Der bereits 1985 verstorbene Oldenburger Pastor gehörte zu den Mitbegründern der Gemeinnützigen Werkstätten, die wir heute alle kennen und schätzen und der Gemeinwesenarbeit, die mittlerweile unter dem Dach der Verwaltung ihre wichtige Arbeit macht. Eine Initiative würde Urdze gerne ein Gedenkobjekt widmen, idealerweise beim Kulturzentrum Rennplatz, wo er seine Hauptwirkungsstätte hatte - und bei dessen Gründung er ebenfalls mitwirkte.


Knapper, aber trotzdem ebenfalls konstruktiv, waren die kurzen Diskussionen über die Sanierung der Kulturhalle und einem neuen Standort für das Wandbild eines Turmspringers, das früher am Hallenbad Berliner Platz prangte und seit dessen Abriss eingelagert ist. Zwar verhinderte die bevorstehende „Götterdämmerung“ einen tieferen inhaltlichen Einstieg - aber nach zwei Stunden Diskussion war das vielleicht auch kein schlechter dramaturgischer Kniff. Wobei festzuhalten bleibt, dass die Luft im Theaterfoyer nach 120 Minuten nicht halb so verbraucht wirkte wie im PFL. Grund genug, auch in Zukunft mal wieder auf Reisen zu gehen.



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