Endlich September! Okay, er bringt auch einige Nachteile mit sich, morgens ist es mitunter knackig kalt. Aber davon abgesehen gibt er einiges her: Wunderbares Herbstlicht, letzte Outdoor-Events - und den Start in die Theatersaison! Nach und nach nehmen alle Oldenburger Häuser ihr Programm wieder auf. Wer beginnt wann? Und mit was? Wir haben alles Wichtige für euch zusammengetragen - und daraus eine kleine Serie gebaut.
Kleinode haben es so an sich, dass man sie häufig erst auf den zweiten Blick erkennt. Touristische Aushängeschilder, massenwirksame Events oder große Veranstaltungshäuser findet man meist sehr leicht. Aber die kleineren, stilleren - aber nicht minderwertigen - Vertreter:innen der jeweiligen Zunft muss in der Regel erst entdecken. Das mag aufwändiger sein, hat aber einen Vorteil: Der Lohn für die Mühe fühlt sich umso besser an.
Das theater hof/19 gehört ohne Zweifel zu diesen Kleinoden, die man jenseits von Hamburg und Hannover nicht zwangsläufig kennt. Auch ist die Zahl derer, die auf Besuch in Oldenburg sind und als allererstes die Bahnhofstraße ansteuern, vergleichsweise gering. Das heißt: Das kleine Theater muss um jene Aufmerksamkeit kämpfen, die anderen schon allein wegen ihrer Größe zuteil wird. Doch genau das gelingt ihm sehr gut - und genau das ist auch verdient. Schließlich versorgt es ein treues Stammpublikum und einen steten Strom an Neugierigen mit einer wohligen Form von Theater. Wer ins hof/19 geht, darf fest davon ausgehen, einen schönen Abend zu erleben. Und das hat gerade in diesen Zeiten Konjunktur.
THEATER HOF/19
START IN DIE NEUE SPIELZEIT
„HAFEN DER EHE" KOMÖDIE MIT LIVE-MUSIK
FREITAG, 23. SEPTEMBER, 20 UHR (RESERVIERUNG)
SAMSTAG, 24. SEPTEMBER, 20 UHR (RESERVIERUNG)
„DREI MAL LEBEN“
VON YAMINA REZA
FREITAG, 30. SEPTEMBER, 20 UHR (RESERVIERUNG) SAMSTAG, 1. OKTOBER, 20 UHR (RESERVIERUNG)
THEATER HOF/19
26122 OLDENBURG
Gutes Gefühl? Nicht schlecht.
Das theater Hof/19 startet mit einem Doppelpack in die neue Saison. Den Anfang macht der „Hafen der Ehe“, eine lustvolle Kombination aus Schauspiel und Musik. Und schon mit einem einzigen Satz zum Inhalt lässt sich große Vorfreude auf einen vergnüglichen Theaterabend wecken: „Ausgerechnet während einer Hochzeitsfeier rechnet die frisch geschiedene Standesbeamtin mit den Tücken der Ehe ab“. Intuitiv spürt man, wie reizvoll das Spiel mit den unterschiedlichen Gedanken, Meinungen und Reaktionen der Beteiligten sein kann; erst Recht, wenn man sie wortstark, aber dennoch gefühlvoll zum Ausdruck bringt.
Dieses Stück passt perfekt zum Saisonstart des theater Hof/19, vereint es doch alle Stärken des kleinen Hauses auf sich: lebenskluge Dialoge, große Emotionen, bittersüße Momente, gefühlvolle Musik. Und wie der Zufall so will (oder auch nicht): All das sind auch wichtige Zutaten in unserem persönlichen Alltag. Deswegen steht jetzt schon fest: Viele Zuschauer:innen werden am Ende der Vorstellung, während ihr Hände noch den verdienten Applaus spendieren, voller Überzeugung denken: „Endlich wieder Theater!“
Aus der Feder der wunderbaren Yamina Reza stammt das Stück "Drei Mal Leben“. Die französische Dramatikerin ist vielen vor allem durch „Der Gott des Gemetzes“ bekannt. Das Konversationsstück feierte 2011 in der starbesetzten Verfilmung von Roman Polanski große Erfolge an der Kinokasse. „Drei Mal Leben“ schlägt in eine ähnliche Kerbe, denn auch hier geht es in einem Kammerspiel mit vier Personen um zunächst sublime, im Verlaufe des Stücks aber zunehmend pointierte Provokationen. Das ist eine schleichende verbale Eskalation mit wechselnden Koalitionen und messerscharfen Wortgefechten. Das zu beobachten, macht viel mehr Spaß, als es sich gehört.
Drei Mal Leben ist dabei eine „gefühlte Premiere“: Zwar wurde das Stück seit vergangenen November bereits mehrfach aufgeführt. Aber wir wissen ja noch, wie das damals war: Es war keine gute Zeit für Theater und es war eine noch schlechtere Zeit für große Premieren. Noch dazu lag die Zahl der anschließenden Aufführungen deutlich unterhalb der normalen Niveaus. Deshalb fühlt sich „Drei Mal Leben“ im Herbst 2022 noch genauso frisch und unverbraucht an wie zehn Monate zuvor.
Groß in der Nische
Das theater hof/19 besetzt in mehrfacher Hinsicht eine feine Nische. Es liegt etwas verborgen zwischen höheren Gebäuden und mit seinen knapp hundert Plätzen gehört es eindeutig zu den kleineren Schauspielhäusern. Damit einher geht auch eine szenische Selbstbeschränkung: Regie und Ensemble wählen Stücke aus, die gerade in dieser Nahbarkeit besonders gut funktionieren. Weihevolle Opulenz sucht man in der Bahnhofstraße 19 vergeblich. Stattdessen gibt es dort: Nähe, Wärme, Herz, Gefühl. Und auch, wenn das manchen Kompromiss bedeutet, sind dies doch die Elemente, die vom Publikum immer geschätzt werden. Ganz besonders, wenn es draußen unwirtlich wird - durch Viren, Wetter, Weltlage.
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