EINFACH MAL UPDREIHN
- Thorsten Lange
- vor 10 Stunden
- 8 Min. Lesezeit
Weitgehend unbemerkt von der breiten Masse der Bevölkerung hat sich in Oldenburg ein Musikfestival etabliert, das seit dem Start im Jahr 2017 immer wieder durch starke Line-Ups überzeugt und folgerichtig immer ausverkauft ist. Woran es liegt, dass die große Mehrheit keine Notiz davon nimmt? Vielleicht weil es um Punk, Ska und Rock'n'Roll geht? Doch was die einen abschreckt, lieben die anderen heiß und innig - und so wurde das Festival zu einem wichtigen Bestandteil der lokalen Musikszene. Wir haben uns die Sache mal genauer angeschaut.

Wie entsteht eigentlich ein Festival? Und wie wird es erfolgreich? Auf diese Fragen gibt es höchst unterschiedliche Antworten. Zwar werben fast alle Veranstaltungen unabhängig von ihrer Größe mit Authentizität, Unverfälschtheit und Einmaligkeit. Nicht wenige Festivals sind aber in erster Linie deshalb entstanden bzw. wurden von großen Entertainment-Firmen initiiert, weil es mit Live-Erlebnissen und Emotionen viel Geld zu verdienen gibt. So ehrlich muss man sein.
Doch es gibt auch andere Beispiele. Nämlich jene Festivals, bei denen sich anfangs nur einige Freund:innen zusammenfanden, um etwas eigenes auf die Beine zu stellen - vielleicht, weil es nichts Vergleichbares in Reichweite gab. Das bekannteste Beispiel für dieses Prinzip dürfte das Wacken Open Air, das im Jahre 1990 für 22 Mark fünf Bands bot und 800 Leute anlocken konnte - gerade einmal ein Hundertstel der heutigen Resonanz. Ein anderes Beispiel ist das Updreihn Festival in Oldenburg-Bürgerfelde, das jedes Jahr am ersten Samstag im November stattfindet. Es ist zwar einige Nummern kleiner als der große Bruder aus Schleswig Holstein, doch hier wie dort steht am Ende immer: Ausverkauft. Wie hat es das Updreihn geschafft, seine Nische zu besetzen? Wie erklärt sich der Erfolg? Und wohin geht die Reise? Das haben wir Cathrin Winkler und Sven Blendermann gefragt. Die beiden sind seit 2017 bzw. 2021 Teil des Updreihn-Teams - und ihre Antworten zeigen, warum es auch Festivals abseits des Mainstreams geben muss.
7. UPDREIHN FESTIVAL
MIT THE DROWNS, THE GUILT, POMMESPANZER, DAMAGED LIFE, ZEMENTKRAETZE
SAMSTAG, 8. NOVEMBER 2025
JFS BÜRGERFELDE
26127 OLDENBURG
AUSVERKAUFT
Schöner Abend, nette Menschen
Viele Menschen gehen gerne auf Konzerte oder Festivals. Die wenigsten nehmen das aber zum Anlass, selbst so etwas zu organisieren. Wie kam es dazu, dass ihr eines Tages euer eigenes Festival auf die Beine stellen wolltet?
Cathrin Das Updreihn Festival ist aus einem Freundeskreis heraus entstanden, in dem einige in der Gastroszene, andere in der Musik tätig sind. Größtenteils haben wir Verbindungen zum VfB Oldenburg und der Fanszene. Bei der Jugendfreizeitstätte wurde 2017 das VfB Sommerfest veranstaltet. Einige Personen, die in die Planung involviert waren, kamen auf die Idee, anschließend ein Abendprogramm mit Livemusik anzubieten. Wir gaben dem ganzen einen Namen und das erste „Updreihn an de Utfahrt“ fand dann abends in der JFS Bürgerfelde statt. Dadurch, dass viele von uns Expertise in Bereichen der Veranstaltungsdurchführung haben, war es uns möglich, ein Festival in Eigenregie zu planen und durchzuführen.

Ihr habt damit definitiv einen Nerv getroffen: Die Resonanz auf die Premiere war positiv, die Nachfrage in den Folgejahre sehr groß. Habt ihr damit gerechnet?
Cathrin Aus eigener Erfahrung wussten wir, dass die Musikrichtung, die wir anbieten, in Oldenburg unterrepräsentiert ist und eine Nachfrage besteht. Trotzdem sind wir nicht von dem Erfolg ausgegangen. Für uns ist es jedes Mal aufs Neue aufregend zu sehen, ob wir wieder ausverkauft sind. Bei der Entstehung des Festivals stand ein schöner Abend mit netten Menschen definitiv im Vordergrund der Planung. Genau das soll bei jeder Veranstaltung auch vermittelt werden.
Die Leute sollen sich einfach wohl fühlen und einen tollen Abend haben. Vermutlich macht das für viele Besuchende auch den Charme aus. Gewinnmaximierung stand nie im Vordergrund bei diesem Festival.
Einfach mal updreihn: Die ultimative Playlist mit fast allen Bands aus sieben Festivals - beginnend mit den Headlinern von 2025 und endend mit 2017.
Die meisten Bands, die in der Vergangenheit bei euch gespeilt haben, lassen sich mehr oder weniger eindeutig der Punkszene zuordnen. Was bedeutet Punk für euch persönlich – und wie spiegelt sich das im Festival wider?
Sven Auch wenn sich von uns niemand selbst als "klassischen Punk" bezeichnen würde, kommen viele von uns aus der Szene bzw. sind in der Szene auf Konzerten unterwegs.
Im Punk dreht sich ja immer viel darum, dass man nicht darauf wartet, dass Dinge passieren, sondern man es selbst in die Hand nimmt. Insofern bedeutet Punk im Bezug auf unser Festival wohl hauptsächlich, dass wir irgendwann feststellten, dass es in Oldenburg schon länger kein Angebot in diese Richtung gab und wir dies einfach ändern wollten. Im Endeffekt also der klassische DIY-Gedanke.
Das Line-up schwankt zwischen kleinen Bands und durchaus auch größeren Namen. Wie entdeckt ihr erstere – und wie kommt ihr an letztere?
Sven Das ist pauschal gar nicht so einfach zu beantworten. Bei den lokalen Bands sind es natürlich die persönlichen Kontakte von uns, da man sich in Oldenburg und Umgebung aufgrund der überschaubaren Szene einfach zwangsläufig über den Weg läuft. Mittlerweile bewerben sich auch viele Bands bei uns direkt, was wir supercool finden, und auch so sind schon Auftritte beim Updreihn zustande gekommen. Zu guter Letzt sind es natürlich unsere eigenen musikalischen Vorlieben, die bei der Bandauswahl eine große Rolle spielen, ganz egal ob es sich dabei um vermeintlich kleinere oder auch größere Bands handelt. Da entstehen durchaus interessante Diskussionen untereinander, die einfach dazugehören und irgendwie auch Spaß machen. Wir buchen die Bands auch hauptsächlich für uns selbst bzw. weil wir sie cool finden und wenn das andere auch so sehen und deswegen zum Updreihn kommen, freut uns das natürlich umso mehr.

Wie wichtig ist euch der lokale Bezug – also Bands und Publikum aus Oldenburg und Umgebung?
Cathrin Wir möchten etwas für die Kulturszene in Oldenburg tun und dementsprechend ist es uns sehr wichtig, lokalen Bands eine Bühne zu geben. Für uns ist klar, dass mindestens eine lokale Band pro Jahr im Lineup vertreten ist. Auch das Publikum aus Oldenburg und Umgebung ist uns wichtig. Hier wählen wir Veranstaltungsorte, die gut zu erreichen sind, und Preise, die den Zugang für möglichst viele Menschen ermöglichen.
Wie erlebt ihr die Oldenburger Punkszene aktuell – wächst sie, verändert sie sich, schrumpft sie?
Sven Also „die“ Punkszene an sich ist natürlich ein sehr weit gefächerter Begriff. In Oldenburg findet ja seit jeher nicht so viel statt, wie z.B. in Bremen oder Hamburg. Es gibt immer wieder Bands, welche sich neu gründen, oder auch Veranstaltende, welche sich bemühen, Konzerte aus diesem Bereich zu organisieren. Einen Trend, in welche Richtung auch immer, sehen wir da aktuell nicht.
Da das Updreihn auch dieses Jahr wieder ausverkauft ist, gibt es auf jeden Fall genügend Menschen in Oldenburg, die gute Musik mögen. : )
Gute Musik: Dafür stehen in diesem Jahr mit The Drowns erstmals eine Band aus den USA, außerdem The Guilt aus Schweden, die „Dorfpunks“ von Pommespanzer, Damaged Life aus Bischofswerda sowie die Oldenburger Zementkraetze, letztere ohne Bild. (Bilder: Bands)
Punk ist ja sehr politisch, manchmal steht die Haltung beinah gleichberechtigt neben der Musik. Spielt das bei euch eine Rolle?
Cathrin Das Updreihn Festival findet seit 2017 regelmäßig in Oldenburg statt und richtet seinen Fokus insbesondere auch auf die Aufklärung/Sensibilisierung für sozial-gesellschaftliche Themen wie Inklusion, Integration, Rassismus und Sexismus.
Seit 2019 wird das Festival vom gemeinnützigen Updreihn e.V. veranstaltet, der eine klare politische Haltung vertritt und besonders Wert darauf legt, eine Veranstaltung durchzuführen, bei der alle Teilnehmenden in einem sicheren Umfeld feiern können.
Ihr wart in den letzten Jahren regelmäßig ausverkauft. Da könnte man denken, so langsam wäre das Updreihn reif für eine größere Location. Wie seht ihr vor diesem Hintergrund die Zukunft des Festivals – soll es größer werden oder lieber im DIY-Geist klein bleiben?
Cathrin Das Updreihn Festival wird komplett ehrenamtlich veranstaltet. Daher sind wir mit der Größe, die wir aktuell erreicht haben, zunächst an unserer realistisch zu stemmenden Grenze angekommen. Mit ca. 25 Personen im Verein die am Festivalwochenende sämtliche Tätigkeiten erledigen, sowie einer deutlich kleineren Gruppe, die die unterjährige Planung durchführt, ist eine größere Location aktuell nicht machbar. Was die Zukunft bringt, können wir nicht sagen, aber wir wünschen uns weiter viele kleine DIY-Veranstaltungen, bei denen wir und unsere Gäste eine wunderbare Zeit haben.

Sven Als gemeinnütziger Verein sind wir auf Förderungen angewiesen. Ohne die Stadt Oldenburg, die uns seit Jahren unterstützt, würde das Festival in dem Rahmen nicht funktionieren. Auch unseren kleinen Förderern sind wir sehr dankbar. Ohne diese Unterstützungen wären wir nicht in der Lage, eine schwarze Null zu erreichen und trotzdem ein niedrigschwelliges Angebot zu schaffen. Der Grundgedanke unseres Festivals lässt sich nur durch die Unterstützungsbereitschaft weitertragen und finanzieren. Hier hoffen wir, für zukünftige Veranstaltungen weiter Unterstützung in Oldenburg zu finden. Ansonsten würde es sehr schwer bis unmöglich, das Festival nach unseren Ansprüchen weiterzuführen. Unser Fokus liegt also darauf, dass Festival so wie es aktuell ist zu erhalten. Eine Vergrößerung übersteigt zur jetzigen Zeit unsere Möglichkeiten.
Die Nische als Erfolgsgarant
Keine Frage: Punk, Ska und Rock'n'Roll sind nicht für jeden etwas - und das wird auch so bleiben. Und das heißt auch, dass in Oldenburg-Bürgerfelde kein zweites Deichbrand entsteht. Dennoch ist dieser Fokus auf eine Nische entscheidend für den Erfolg des Updreihn Festivals. Denn eine Antwort auf die eingangs gestellten Fragen lautet: Indem sich Gleichgesinnte zusammenfinden, eine gemeinsame Idee entwickeln und viel Herzblut in die Umsetzung stecken, weil sie die Musik lieben, um die es geht. So entstehen Festivals, so werden sie erfolgreich - auch wenn es bedeutet, dass sie dauerhaft in kleinen Dimensionen agieren.

Der „Erfolg“ definiert sich hier nicht über die Masse, sondern über die Erfahrung vor Ort. Richtig: mit Live-Erlebnissen und Emotionen lässt sich viel Geld verdienen. Am schönsten ist es aber doch, wenn das gar keine Rolle spielt und sich alles um die Musik und einen gute Zeit dreht - wie beim Updreihn Festival. Deshalb sollten vielleicht auch diejenigen ein Ohr riskieren, die mit den genannten Musikrichtungen bisher wenig anfangen konnten oder den Selbstversuch noch gar nicht gewagt haben. Also: Einfach mal updreihn - und im kommenden Herbst aufmerksam sein. Denn sonst heißt es wieder: Ausverkauft.











