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SCHEIN UND SEIN

Mit Licht durchfluteten Räumen und Objekten stellt Peyman Rahimi aktuell im Oldenburger Kunstverein die Unterschiedlichkeit und Vielfalt von persönlichen Wahrnehmungen dar. Wie sehr das für uns Scheinbare vom tatsächlichen Sein anderer abweichen kann, haben wir für euch rausgefunden.


Künstler Peyman Rahimi in seiner Ausstellung Schein im Oldenburger Kunstverein
Peyman Rahimi im Gittertrakt seiner eigenen Ausstellung. Foto: Kulturschnack
 

PEYMAN RAHIMI - SCHEIN

01. SEPTEMBER - 12. NOVEMBER


DI - FR: 14:00 - 18:00 UHR SA & SO: 11:00 - 18:00 UHR


DAMM 2A 26135 OLDENBURG

 


Der Schein


Es ist ein überraschender Moment, eine Sekunde der kompletten Irritation, die einen aktuell beim Betreten des Oldenburger Kunstvereins erwartet. "Bin ich hier richtig?", mag man sich vielleicht im ersten Moment sogar fragen. Doch ja, das ist man. Warum diese Frage im Raum steht? Die offene, weite weiße Fläche, in die man sonst hineinblickt und hineinschreiten kann in die Räumlichkeiten des Vereins, ist einem völlig gegenteiligen Eindruck gewichen.


Eine Slowmotionaufnahme des Künstlers Peyman Rahimi innerhalb der Ausstellung Schein vom Oldenburger Kunstverein
Gitter, die die Wahrnehmung verändern. GIF: Kulturschnack

Denn stattdessen blickt man hinein und auf: Gitter. Vor einem erstreckt sich ein rostiger Trakt, ein vorgegebenes System aus Wegen, das einen ganz klar leitet und keine Frage offen lässt. Ein Leichtes, sich hierbei an ein Gefängnis und den Weg hin zu einer Zelle, das völlige Gegenteil von Freiheit, erinnert zu fühlen.


Im Verlaufe dieses Wegesystems gibt es immer wieder kurze Momente des Ankommens, einen scheinbar kurzen, gewollten Freigang. Doch auch dann, wohin man blickt, es umgeben einen die Gitter, die einen an diesen Ort führten. Der Blick von einer Seite des Raumes zur anderen führt durch ein Netz aus Metall, das die Wahrnehmung dessen, was man am anderen Ende zu erkennen glaubt, unweigerlich beeinflusst.



Das Sein


Titelbild zur Ausstellung Schein von Peyman Rahimi im Oldenburger Kunstverein
Geschichtete Welten, übereinander gedruckt. Bild: Peyman Rahimi / Oldenburger Kunstverein

Doch was für manche Besucherinnen und Besucher der Ausstellung vermutlich bedrohlich und angsteinflößend wirkt, das ist für den Künstler Peyman Rahimi, geboren 1977 in Teheran, wie er selbst erzählt, ein eher neutrales Abbild seiner Erinnerungen an eine Kindheit, die inmitten des ersten Golfkrieges stattfand. Beispiele hierfür gibt es mehrere:


Sandsäcke, die sonst als Bauelemente für Gräben oder bei Flutkatastrophen genutzt werden und auch in Rahimis Ausstellung "Schein" immer wieder ein präsentes Element sind, begleiten den Künstler bis heute und er nutzt sie für unterschiedlichste Zwecke, sei es auch einfach nur als Sitzgelegenheit.


Der Duft von Rosenwasser, der in Teheran für die Gräber (unter anderem) gefallener Kindersoldaten genutzt wurde, verbindet der Künstler in seinen Erinnerungen vor allem mit Besuchen auf Friedhöfen, bei denen er als Kind nicht verstand, wo sie sich eigentlich befanden und er gemeinsam mit anderen Kindern spielen konnte. Eine positive Erinnerung an einem doch grauenhaften Ort.



Die Kraft der Wandelbarkeit


So zeigt der Oldenburger Kunstverein mit dieser neuen Ausstellung wieder mal worin eine seiner großen Stärken liegt. Das immense Potenzial, das die Räume den Künstlerinnen und Künstlern bieten, zu überraschen und mit bestimmten Erwartungen zu brechen. In gewisser Hinsicht ist somit auch immer die Ausstellungsfläche des Kunstvereins selbst eine Leinwand, die von den Künstlerinnen und Künstlern gestaltet wird.


Ein Foto vom Künstler Peyman Rahimi innerhalb seiner Ausstellung Schein im Oldenburger Kunstverein
Alles in grelles Licht gehüllt. Foto: Kulturschnack

Im Anschluss an die Erfahrung durch die Gittertrakte zu schreiten erwartet einen in der Mitte des Gebäudes als eine Art Zwischenstation ein Ort der Ruhe. Man tritt hinein in ein großes kreisförmiges Gerüst, welches schwere, lange Stoffe trägt, die unterschiedlichste Muster zeigen. Klassisch gemalt wurde hier jedoch nicht. Gemeinsam mit einem befreundeten Mechaniker schaffte es Rahimi, den Rost aus einer Werkstatt auf Stoff zu übertragen und so mit besonderen Mitteln ebenso besondere Werke entstehen zu lassen. An der Decke hüllen grelle, grüne Lampen alles in einen farbigen Schleier, Spiegelelemente, die den Boden bedecken, fügen dem Raum eine weitere Dimension hinzu und die Stoffe an der Wand lassen alles plötzlich völlig gedämmt wirken. Das Durchwandern dieser Ausstellung verändert somit immer und immer wieder alle unserer gewohnten Wahrnehmungsstrukturen schlagartig.


Auch die weiteren Werke Rahimis entsprechen diesem Muster. Denn zu sehen sind ebenso eine Auswahl seiner Drucke, die Schichten über Schichten stapeln bis ganze Bilderwelten entstehen. Sie scheinen flüchtige Eindrücke und Wahrnehmungen zurückrufen und festhalten zu wollen, was teilweise fast geisterhafte Assoziationen hervorruft. Je tiefer und länger man auf die Werke blickt, desto mehr lässt sich erkennen und erahnen.


Insgesamt eine absolut eindrückliche Erfahrung, die ihr euch nicht entgehen lassen solltet!

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