Seit Mitte 2020 schreibt Kulturschnacker Thorsten eine monatliche Kolumne für die wunderbare Spielzeitung des Oldenburgischen Staatstheaters. Digital findet ihr sie zum Nachblättern unter www.staatstheater.de. Oder: hier.
Nein, es gibt keine Ausreden. Ich hätte es besser wissen müssen. Und trotzdem ist es passiert: Ich wurde vom Kulturherbst überrascht. Das ist tatsächlich ein wenig kurios und eigentlich unverzeihlich, schließlich beschäftige ich mich tagtäglich mit Kultur. Wie also konnte das passieren?
Zwischen Baggersee und Bühne
Das habe ich mich auch gefragt und sogar den Ansatz einer Erklärung gefunden: Es ist die große Wucht, mit der die Szene nach der Sommerpause wieder durchstartete. Während meine Wege im September überraschend oft noch an den Baggersee führten, wurden auf den Bühnen längst wieder Premieren gefeiert und Projekte gestartet. Darunter waren sogar zwei ganz besondere: Wer selbst mal an einer Bühnenproduktion beteiligt sein wollte, hat gleich zwei neue Möglichkeiten. Das Stadtensemble des Staatstheaters und die Bürgerbühne des Theater k liefen im letzten Monat an – und bereichern die Stadt hoffentlich um spannende neue Akzente direkt aus unserem Alltag.
Dass nebenbei auch noch Veranstaltungen wie das Einfach Kultur Festival, das Internationale Filmfest, die Kulturfeste in Bloherfelde und Kreyenbrück, der Rave for Art am Prinzenpalais, das Jazz Fest in der Kulturetage oder der Tag der Museen stattfanden? Belegt meine These.
Die bange Frage lautet: Bleibt das so? Und damit meine ich nicht meine kulturelle Überrumpelung. Die hat sich inzwischen gelegt und wir arbeiten beim Kulturschnack daran, möglichst viele Entwicklungen und Ereignissen gebührend vorzustellen. Nein, damit meine ich die Vielzahl und die Vielfalt der Oldenburger Kulturangebote. Und die Antwort liefere ich an dieser Stelle gleich mit: Ja, das bleibt so. Mit der endgültigen Rückkehr von draußen nach drinnen rücken Theater, Konzerte, Lesungen, Clubnächte wieder in den Fokus. Und genau dorthin wird sicher auch bald wieder unsere ungeteilte Aufmerksamkeit gehen. An den Baggerseen wird es langsam nämlich ungemütlich.
Kompliment an die Szene
Auf den Seiten dieser Spielzeitung ist schon deutlich geworden, was und wie viel allein im Staatstheater los ist. Von Oper bis Sparte 7 würde das bereits ausreichen, um ganze Kulturkalender zu füllen. Gleichzeitig sind aber auch die anderen Theater in die Spielzeit gestartet und locken uns mit ersehnten Wiederaufnahmen, aufregenden Gastspielen und auch der einen oder anderen Premiere. Und dann wären ja noch interessante, inspirierende Ausstellungen in den Museen und Galerien (und dank der Kunstschule auch im Core) sowie die Kneipen- und Clubkonzerte, die für ein subkulturelles Grundrauschen sorgen, das vor allem für die Jüngeren absolut unverzichtbar ist.
So sehr ich die Sommerzeit liebe und so gern ich mich von ihr ablenken lasse: Jetzt freue ich mich auf all die kleinen und großen Momente in den Sälen, Hallen, Räumen und Kneipen.
ass mich der Kulturherbst überrascht hat, darf man zwar als Versäumnis werten, aber auch als Kompliment verstehen. Denn die Wucht, von der ich schrieb, steht letztlich für das große kulturelle Angebot in unserer Stadt und für die Kreativität, Leidenschaft und Energie der Szene. In die werde ich jetzt wieder voll und ganz eintauchen. Weil Live-Kultur draußen wie drinnen einfach wunderbar ist – und weil es sowieso keine Ausreden gibt.
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