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KOLUMNE: PÜNKTLICH ZU SPÄT

Seit Mitte 2020 schreibt Kulturschnacker Thorsten eine monatliche Kolumne für die wunderbare Spielzeitung des Oldenburgischen Staatstheaters. Digital findet ihr sie zum Nachblättern unter www.staatstheater.de. Oder: hier.


Szene aus dem Stück „Die große Entwunderung des Wilbur Whittaker“ mit Konstantin Gries, Anna Seeberger und Matthias Kleinert am Oldenburgischen Staatstheater.
Gemischtes Doppel: Wilbur Whittaker (Konstantin Gries, Mitte) will seine Entwunderung rückgängig machen - doch das gelingt ihm nur mithilfe einer Frau, nämlich Prinzessin Fantastic (Anna Seeberger, links). (Bild: Stephan Walzl)

Ich habe etwas zu gestehen. Als ich meine letzte Kolumne zum Thema Digitalität in der Kultur schrieb, war das kein langfristig geplanter Beitrag, sondern eine Last-Minute-Entscheidung. Kurz vor dem Druck warf ich über den Haufen, was ich zuvor geschrieben hatte und schwenkte auf neue Inhalte um. Das geschah aber nicht etwa aus einer Not heraus, sondern ganz bewusst. Denn mein ursprüngliches Thema wäre im März untergegangen – und wirkt jetzt viel stärker, eben weil es nicht in die Zeit passt.

 

Wobei das nicht ganz korrekt ist. Es passt sehr gut in die Zeit, denn es ist eigentlich immer aktuell. Nur scheint sich die ganze Welt darauf eingeschworen zu haben, dass ein Tag ausreicht, um es symbolisch auf einen Sockel zu stellen und den Rest des Jahres darüber zu schweigen. Woran ich dabei denke? Natürlich: An den 8. März, den Weltfrauentag!



Ein Tag ist nicht genug

 

Er scheint jetzt, kaum einen Monat später, schon recht lang her zu sein. Kein Wunder, denn am 9. März brachen ja bereits die 364 Weltmännertage an, die das Jahr komplettieren. Obwohl in den sozialen Medien gefühltermaßen alle Erdbewohner:innen beteuert haben, die Rechte der Frauen zu achten und sich für sie einzusetzen, ist anschließend wieder erstaunlich viel Alltag eingekehrt.


Die meisten Männer haben ihre „Male Privileges“ eben doch sehr liebgewonnen – oder immer noch nicht bemerkt, dass es sie gibt. Grund genug, diesen Platz zu nutzen, gerade jetzt ein paar Sätze dazu zu sagen.

 

Mir ist bewusst, dass ich dabei auf dünnem Eis stehe; schließlich sind einhundert Prozent der Kulturschnack-Redakteure männlich und weiß. Was wissen wir schon über Ungleichbehandlung? Würden wir das Thema wirklich ernst nehmen, müsste einer von uns seinen Platz räumen. Aber ich gebe zu: Wir lieben unseren Job. Deshalb möge man uns bitte verzeihen, wenn wir an dieser Stelle noch nicht so weit sind. Wir tun immerhin das Nächstbeste: Der weiblichen Perspektive möglichst viel Raum bieten, etwa als Gesprächspartnerinnen und Gastautorinnen.

 

Beispiele gefällig? Aber gerne. Nehmen wir dafür doch einfach den 8. März, dieses Datum ist eben ein Kristallisationspunkt. An jenem Tag feierte mit „Prima Facie“ der angesagteste Stoff der Theatersaison seine Premiere im Staatstheater. Wir durften mit Regisseurin Franziska Stuhr ausführlich über ihre Arbeit sprechen. Am selben Freitagabend wurde im theater wrede+ „Liebe – eine argumentative Übung“ aufgeführt, das wir uns vorab von den Schauspielerinnen Marga Koop und Brit Bartuschka erklären ließen. Einen Tag zuvor hatten wir – wie in der letzten Kolumne angekündigt – bei unserer ersten „Digitalog Live“-Veranstaltung die Gamification-Expertin Carolin Becklas zu Gast. Zudem haben wir ausführlich über die Ausstellung „Protest.bewegt.Uni“ berichtet, die von einem vollständig weiblichen Team konzipiert wurde. Und unser Podcast? Dort waren zuletzt Jutta, Gesine, Verena und Inge zu Gast. Wir sehen also: Kulturschnack ohne Frauen? Vollkommen unvorstellbar!



Lauter „Sheroes“


Natürlich könnte man sagen, diese Kolumne kommt viel zu spät. Ich finde aber: genau deswegen ist der Zeitpunkt richtig – und genau deswegen würde ich meine Last-Minute-Entscheidung wieder so treffen.


Die Symbolik zum 8. März ist zwar wichtig und wirkungsvoll. Es braucht dieselbe Haltung aber auch im April, Mai und dem Rest des Jahres. Schließlich leben wir nach wie vor in einer Welt, die von Männern gestaltet wurde und häufig auch verteidigt wird.

Man kann den Frauen gar nicht weit genug entgegenkommen, denn sie werden von den Spielregeln weiterhin benachteiligt. Und das, obwohl sie – zumindest meiner bescheidenen Erfahrung nach – für jede Team-Konstellation eine riesige Bereicherung sind. Dass so viele Frauen sich dennoch nicht entmutigen lassen und ihren Weg weitergehen? Und dass sie trotz allem so viel positiven Einfluss ausüben, ohne dass er angemessen gewürdigt würde? Macht sie allesamt zu „Sheroes“ – nicht nur am Weltfrauentag, sondern auch davor und danach.


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