STEUERFREIES VERGNÜGEN
- kulturschnack
- 24. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. Okt.
Was haben Grundbesitz, Hunde und Getränke gemeinsam? Ganz einfach: Kommunen können Steuern auf sie erheben - und das tun sie vielerorts auch. Besonders kurios: Seit dem 19. Jahrhundert wird in Deutschland auch Vergnügen mit einer Zwangsabgabe belegt! Die gleichnamige Steuer betrifft nicht nur Glücksspiele, sondern auch Tanzveranstaltungen oder Filmvorführungen, also kulturell geprägte Ereignisse. Viele Jahre galt das auch in Oldenburg, doch es gibt gute Nachrichten: Ab dem 1. Januar 2026 ist es damit vorbei.

Wie genau es einst dazu kam, dass die öffentliche Hand es für steuerpflichtig hielt, wenn jemand seinem inneren Tanzdrang nicht mehr widerstehen konnte? Das ist heute schwer zu rekonstruieren. Zumindest sollten mit den Einnahmen keine kaiserlichen Schlachtschiffe refinanziert werden, so wie es im Jahre 1902 bei der Schaumweinsteuer der Fall war. Einiges spricht dafür, dass die „Tanzsteuer“ einst als einfache Einnahmequelle ersonnen wurde. Sie galt bei ihrer Einfühung im 19. Jahrhundert nämlich als Luxussteuer, die nur wenige Privilegierte betraf, die es sich leisten konnten.
Warum es sie bis heute gibt? Das ist eine gute Frage, schließlich hat sich der gesellschaftliche Blick auf Tanzveranstaltungen aller Art genauso gewandelt wie sie selbst. Aber wie es mit Steuern so ist: Sind die erstmal da, bleiben sie auch. Schließlich gibt es auch die Schaumweinsteuer noch, obwohl Deutschland weder einen Kaiser hat noch Schlachtschiffe baut.

Doch es kommt Bewegung in die Sache. In den letzten Jahren haben sich mehr und mehr Kommunen dazu entschlossen, die Vergnügungssteuer defferenzierter zu betrachten. Während beispielsweise Spielautomaten weiterhin besteuert werden - nicht zuletzt wegen des hohen Suchtrisikos - wurden in manchen Städten einzelne Bereiche von der Vergnügungssteuer ausgenommen. Und das betrifft in erster Linie die kulturnahen Formate wie Tanzveranstaltungen und Filmvorführungen. Und genau das passiert nun auch in Oldenburg.
Besteuerung nicht mehr zeitgemäß
Bisher hatte die Stadt Vergnügungssteuer auf die im Stadtgebiet veranstalteten „Vergnügungen gewerblicher Art“ erhoben. Neben der Besteuerung von Geldspielgeräten, Schaustellungen von Personen, Filmvorführungen im Sinne des Jugendschutzgesetzes und „Catcher/-Ringkampfveranstaltungen mit berufs-/gewerbsmäßig Ausführenden“ unterlagen bisher auch Tanzveranstaltungen der Vergnügungssteuer.
In einer Pressemitteilung teilte die Stadt nun mit, dass sie künftig auf die Erhebung der Vergnügungssteuer für Tanzveranstaltungen verzichtet. Das hatte der Rat in seiner Sitzung am 29. September 2025 einstimmig beschlossen. Die bestehende Vergnügungs-Steuersatzung soll zum 1. Januar 2026 entsprechend geändert werden. Dazu wird der Begriff „Tanzveranstaltungen“ in der Auflistung der als steuerpflichtig definierten „Vergnügungen gewerblicher Art“ gestrichen.

Aus Sicht der Verwaltung kann die „Besteuerung von Tanzveranstaltungen und der damit verbundene ordnungspolitische Lenkungszweck nicht mehr als zeitgemäß eingestuft werden“. Darüber hinaus entfallen mit der Abschaffung der Vergnügungssteuer auf Tanzveranstaltungen Schwierigkeiten in der Abgrenzung zu anderen Kulturveranstaltungen wie etwa Konzerten. Im Text heißt es weiter:
„Der Verzicht auf die Besteuerung stärkt zudem die kulturelle Vielfalt und Attraktivität des städtischen Nachtlebens und verbessert die Rahmenbedingungen für Clubs, Veranstalterinnen und Veranstalter sowie Kulturschaffende.“
Nerv des Publikums getroffen
Das Echo in der Bevölkerung war eindeutig: 1.500 Likes hagelte es für die Verkündung dieser Nachricht auf den Social Media Kanälen der Stadt und des Kulturschnack. Zwar fragten einige Kommentatoren nach einer Gegenfinanzierung. Angesichts der entfallenden Einnahmen von lediglich 35.000 Euro bei einem Gesamtvolumen des Haushalts von 882 Millionen Euro darf man diese Frage allerdings als eine Marginalie bezeichnen - auch wenn sie grundsätzlich natürlich berechtigt ist.

Machen wir uns nichts vor: Es wird wohl weiterhin der Normalfall sein, dass uns Steuern dauerhaft erhalten bleiben, wenn sie einmal eingeführt wurden. Deshalb zahlen wir weiterhin einen Obolus, wenn wir Schaumwein trinken, auch wenn sich der Bedarf an Schlachtschiffen heutzutage in Grenzen hält.
Es zeichnet eine Demokratie - und die Lokalpolitik - jedoch aus, wenn sie trotzdem genau hinschaut und überprüft, ob alle Einnahmequellen noch so zeitgemäß sind, wie sie vielleicht einst waren. Dass die Parteien in Oldenburg einstimmig für die Veränderung der Vergnügungssteuer zugunsten der Tanzveranstaltungen votierten, macht das Zeichen besonders stark. Denn es ist vor allem eins: Ein positives Signal für die Kultur. Auch wenn die Entlastung nicht sehr hoch erscheint, ist die Botschaft eine wichtige. Denn sie lautet: Kultur - auch im weiteren Sinne - ist wichtig für Oldenburg und soll nicht unnötig belastet werden.


