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QUEERE FILME FEIERN

  • kulturschnack
  • 8. Okt.
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 10. Okt.

Es gibt Filme, die treffen perfekt den Massengeschmack. Und es gibt andere, die nur für eine bestimmte Nische oder Klientel gemacht zu sein scheinen. Letzteres gilt gemeinhin auch für queere Filme. Doch die Frage ist: Warum eigentlich? Denn im Gegensatz zu Horror-Slashern oder Arthouse-Avantgarde sind diese Werke erzählerisch für alle geeignet. Das große Thema Liebe - und wie man mit ihr umgeht - richtet sich schließlich an alle Menschen. Grund genug, das Queer Film Festival Oldenburg mal genauer anzuschauen.


Szene aus einem Film der „Queerotics“-Reihe, die beim 16. Queer Film Festival Oldenburg läuft.
Die Welt ist bunt: Das Queer Film Festival Oldenburg geht in sein 16. Jahr und beweist einmal mehr, dass es starke Filme jenseits des hetero-normativen Mainstreams gibt - wie hier „Drama Queens“. (Bild: Cine k)

Es passiert immer wieder. Zwar bleibt es die Ausnahme, aber alle paar Jahre wird ein Film mit queeren* Protagonist:innen zu einem großen Publikumserfolg. „Brokeback Mountain“ (2005, 3 Oscars), „Black Swan“ (2010, 1 Oscar) „Blau ist eine warme Farbe“ (2013), „Moonlight“ (2016, 3 Oscars), „Call me by your Name“ (2017, 1 Oscar) sind nur einige Beispiel dafür. Das Publikum spricht dann über diese Filme und ihre zentralen Themen, als wäre das ganz normal. Das ist einerseits erfrischend, andererseits entlarvend. Denn natürlich ist es nichts anderes als das: ganz normal. Und man fragt sich: Warum denn nur dann - und sonst nicht?


Was diese Beispiele zeigen: Es ist dem heterosexuellen Publikum durchaus möglich, queere Filme bzw. Filme mit queeren Elementen nicht nur anzusehen, sondern auch zu genießen und wertzuschätzen. Das heißt: Die Besucher:innen lassen sich zwar unterhalten, sie entwickeln aber gleichzeitig ein Verständnis und Mitgefühl für die Situation von queeren Personen. Das sorgt für eine aktive (weil emotionale) Auseinandersetzung mit deren Lebensrealitäten - eine Form der Empathie, die unserer Gesellschaft grundsätzlich gut tut. Warum aber sollte man darauf warten, bis der nächste Blockbuster das Thema aufgreift? Es gibt viel mehr davon - wie das Queer Film Festival Oldenburg zeigt.


*Begriffserklärung weiter unten


16. QUEER FILM FESTIVAL OLDENBURG


9. BIS 13. OKTOBER 2025


CINE K

26122 OLDENBURG




Kleines Programm, große Wirkung


Beim der Wortkombination „Film Festival“ und „Oldenburg“ denken die meisten Menschen intuitiv an das Internationale Filmfest. Kein Wunder: Mit alljährlich etwa vierzig Langfilmen und zuletzt 13.000 Besucher:innen ist es immerhin ein Mittelgewicht im weltweiten Festivalzirkus - und das bereits seit 32 Jahren. Das Queer Film Festival dagegen ist eher aeine kleinere Nummer. Es ist nur halb so alt, hat lediglich eine Handvoll Filme zu bieten, internationale Stargäste samt Rotemr Teppich und Blitzlichtgewitter sucht man vergeblich. „Natürlich wären wir auch gerne größer, aber das ist mit unserem kleinen Team aus Ehrenamtlichen nicht zu leisten“, erklärt Tommy vom Organisationsteam der Kinogruppe RollenWechsel. Sie ist Teil des Na Und e.V. - seit jeher eine treibende Kraft für die Rechte und Belange von queeren Personen in Oldenburg



Szene aus dem Film „Born for you“, der beim 16. Queer Film Festival Oldenburg läuft.
Völlig normal: Liebende Menschen küssen sich. Nur ist es für die einen komplizierter als für die anderen, wie u.a. „Born for you“ zeigt. (Bild: Cine K)

Ein spürbares Manko sind die klieren Dimensionen allerdings nicht. Denn drei wesentliche Dinge haben die ungleichen Geschwister durchaus gemeinsam. Erstens: Den Fokus auf einen bestimmten, oft übersehenen aber überaus spannenden Bereich des Kinos, der viele verborgene Schätz zu bieten hat. Hier Independent-Filme, dort die Queer-Filme.. Zweitens: Ein gutes Gespür, unter den zahllosen Veröffentlichungen eines Jahres jene zu entdecken, die das Publikum in besonderer Weise ansprechen. Und drittens: Gäste und Gesprächsformate, die das Filmerlebnis durch Hintergründe, Kontexte und Einblicke deutlich aufwerten.


Letzteres gehört zu den Eckpunkten des Festivals: „Unsere Gäste wie z.B. Regisseur:innen bieten eine andere oder weiterführende Perspektive auf ihren Film“, erläutert Tommy. Außerdem gebe es für die Kinobesucher:innnen die Möglichkeit, im Anschuss an die Vorführung Fragen zu stellen und so vielleicht auch einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Auch die jeweilige Expertise der Menschen, die an den Filmgesprächen teilnehmen, böte gute Möglichkeiten, die Filme besser einordnen zu können.


„Auf jeden Fall bieten die Gespräche sowohl den Besucher:innen als auch dem Team einen unglaublich hohen Mehrwert.“

Dass es diese Programmpunkte beim Queer Film Festival zu erleben gibt, ist alles andere als selbstverständlich. Die Organisation wird von einem kleinen Team nämlich rein ehrenamtlich organisiert. Der entscheidende Faktor ist also die Filmleidenschaft. Sie ist es, die alle Beteiligten antreibt - und das spürt man auch bei der Auswahl. Das Queer Film Festival mag letztlich ein Freizeitprojekt sein, qualitative Abstriche muss man deshalb aber nicht machen. Im Gegenteil: Das alljährliche Ergebnis ist umso imposanter, wenn man bedenkt, dass hier niemand seine gesamte Arbeitszeit investieren kann.



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Prinzipiell können sich alle, die nicht eindeutig in die traditionellen Kategorien von Geschlecht und Sexualität passt, als queer bezeichnen. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Menschen, die sich als nicht-binär oder genderqueer identifizieren: Diese Personen sehen sich nicht strikt als männlich oder weiblich, sondern haben ein fließenderes oder flexibleres Verständnis von Geschlecht.

  • Lesben, Schwule und Bisexuelle: Personen, deren sexuelle Orientierung nicht heterosexuell ist, können sich ebenfalls als queer verstehen, um ihre Identität über die klassischen Kategorien von „lesbisch“ oder „schwul“ hinaus zu definieren.

  • Transgender-Personen: Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem Geschlecht übereinstimmt, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, können sich ebenfalls als queer bezeichnen.

  • Asexuelle oder aromantische Personen: Auch Menschen, die keine sexuelle oder romantische Anziehung verspüren, können sich als queer verstehen, wenn sie sich nicht mit traditionellen Vorstellungen von Sexualität und Romantik identifizieren.

  • Menschen, die sich außerhalb heteronormativer Beziehungen bewegen: Dies umfasst alle Menschen, die sich in gleichgeschlechtliche oder nicht-monogame Beziehungen begeben und dabei keine traditionellen heterosexuellen Normen anstreben.

Es gibt keine festen Regeln, wer sich als queer identifizieren kann, und der Begriff ist immer im Wandel. Es ist ein offenes Konzept, das Raum für Vielfalt und unterschiedliche Erfahrungen lässt.


Gewinn für Oldenburg


Das Festival mag zwar klein sein und vorerst auch klein bleiben, seine Bedeutung könnte aber kaum größer sein. „Es ist wichtig, in der Öffentlichkeit die Lebensrealitäten von queeren Menschen zu normalisieren und Identifikation mit den Charakteren zu schaffen“, findet Tommy. Durch das Festival enstehe zudem ein wichtiger Bezugspunkt für die Community, an dem man sich treffen, offen sprechen und natürlich auch gemeinsam Filme gucken könne. Das begrüßt auch Wolfgang Bruch, Leiter des Cine k. „Queeres Kino war von Anfang an wichtiger Bestandteil im Programm des Cine k.“, betont er. Dabei habe es schon immer eine enge Zusammenarbeit mit der queeren Community gegeben - mit dem Na Und e.V., der queeren Kinogruppe RollenWechsel oder dem CSD. Deshalb sei es für das Cine k eine große Freude, das QFF präsentieren zu dürfen, betont Wolfgang:


„Diversität, das Sichtbarmachen von Diskriminierung und der Kampf um gesellschaftliche Teilhabe, aber auch das Feiern von alternativen Lebensentwürfen und gesellschaftlichen Utopien spielen im Programm des Cine k eine zentrale Rolle, weshalb auch das QFF wunderbar in unser Profil passt.“

Zudem freue er sich, dass es seit einigen Jahren auch ein Schulfilmprogramm gebe, indem Schulklassen die Gelegenheit hätten, ausgesuchte Filme zu sehen und mit den Festivalmacher*innen darüber zu diskutieren. Das begrüßt auch die Oldenburger Verwaltung, bei der die Wettschätzung für das kleine Festival ebenfalls groß ist. Das Kulturbüro unterstützt es bereits seit vielen Jahren, auch der Kurzfilmpreis wird von der Stadt finanziert. „Für Oldenburg ist das diverse Filmprogramm mit Fokus auf geschlechtliche und sexuelle Vielfalt ein Gewinn“, bilanziert auch Oberbürgermeister Krogmann in seinem Grußwort.



Intime Atmosphäre: Das „Muvi“ ist der perfekte Ort, um tief in die queere Filmwelt einzutauchen. (Bild: Cine k)
Intime Atmosphäre: Das „Muvi“ ist der perfekte Ort, um tief in die queere Filmwelt einzutauchen. (Bild: Cine k)


Die Qual der Wahl


Die Aufgabe, die passenden Werke zu finden, ist gar nicht so einfach. Denn es geht ja nicht darum, wahllos irgendwelche Film zu zeigen, in denen queere Personen auftauchen - oder einfach nur die oben genannten Hollywood-Produktionen noch einmal auf die Leinwand zu bringen. Ihre queeren Elemente sind zwar manchmal ein Zeichen von Haltung, oft genug aber auch nur ein oberflächlicher Tribut an den Zeitgeist.


„Es geht um mehr als die Tatsache, dass ein:e queere:r Schauspieler:in in einem FIlm zu sehen ist“, erläutert Tommy. „Es geht auch darum, inwiefern queere Lebensrealitäten im Film überhaupt eine Rolle spielen, in welchem Rahmen diese thematisiert werden und welchen Themenkomplexe noch angesprochen werden.“

Dem Queer Film Festival geht es also um mehr, nämlich um starke Inhalte und Storys, zu denen das Publikum einen Bezug aufbauen kann. Das klappt eben weniger gut, wenn eine Marvel Superheldin mal kurz eine Frau knutscht, umso besser aber, wenn der Junge aus der Nachbarschaft von seinen Gefühlen für den Klassenkameraden irritiert ist. Das erzählerische Feingefühl ist entscheidend - was aber nicht bedeuten muss, dass das Tempo deshalb immer langsam sein müsste. Auch queere Filme bilden die gesamte Bandbreite an Genres, Stilen und Techniken ab. Wie behält man da nur den Überblick?



Starkes Programm: Vier Langfilme sind zusehen, dazu die Kurzfilmformate „Best of Shorts“ und „Queerotics“ - letztere mit eplizitem Material. (Bilder: Verleihe)


 „Wir sind Teil von Queerscope, einem Netzwerk von 29 verschiedenen queeren Filmfestivals“ weiß Tommy. „Da schauen wir natürlich, was andere Festivals im Programm hatten oder welche Filme infrage gekommen sind, es dann aber aus verschiedenen Gründen nicht ins Programm geschafft haben.“ Aber auch das RollenWechsel-Team halte jederzeit die Augen offen und achte auf spannende Neuerscheinungen und entscheide gemeinsam, welche Filme infrage kämen. „Bei der Auswahl spielen viele Faktoren eine Rolle, z.B. das Alter der FIlme oder die Qualität. Wir überlegen aber auch, welche Themen und Geschichten in den Filmen behandelt oder erzählt werden und welchen Mehrwert das für die Kinobesucher*innen bietet.“



Zwischen Lebenslust und Verunsicherung


Natürlich ist das Queer Film Festival in erster Linie für Personen gemacht, die sich zu dieser Gruppe zählen. Und es wäre auch völlig in Ordnung, wenn das kleine Filmfest ausschließlich diesem Kreis vorbehalten bliebe. Angesichts der vielen Fronten und Gräben, die sich derzeit in unserer Gesellschaft aufbauen, ist es für alle anderen aber sicher keine schlechte Idee, einmal die eigene Blase zu verlassen und ein Gefühl für die Situation anderer zu bekommen.


Wenn wir die Zielgruppe mal ganz einfach in zwei Teile trennen, dann ergäbe sich folgendes Bild: Diejenigen, die sich als queer bezeichnen, finden beim QFFOL Filme, die ihre Lebensrealitäten abbilden - zwischen Selbstbewusstsein und Verunsicherung, Lebenslust und Verlustangst, Liebe und Hass. Durch das intime Festival entsteht eine Art Safe Space, der ein befreites und tiefes Eintauchen in die Geschichten erlaubt. Und das wäre schon genug,



Szene aus einem Film der „Queerotics“-Reihe, die beim 16. Queer Film Festival Oldenburg läuft.
Nackte Haut: Beim zweiten Kurzfilmabend „Queerotics“ gibt es auch expliziteres Material - sprich: queere Pornos - zu sehen. (bild: Cine k)

Aber es gibt ja noch die zweite Gruppe Das sind all die anderen, die sich wahrscheinlich als „normal“ bezeichnen würden und damit Heterosexualität, Binarität und CIS meinen. Oft werden sie als Gegensatz zu queeren Personen wahrgenommen. Aber diese klare Grenze ist Quatsch, schließlich sind wir alle Menschen. Das Queer Film Festival ist der ideale Moment, den Beweis dafür anzutreten, denn es bietet wunderbare Möglichkeiten, sich den Gedanken und Gefühlen von queeren Personen anzunähern. Damit leistet das QFFOL einen aktives zu mehr gegenseitigen Verständnis und einem besserem Miteinander. Tommy betont:


„Das Queer Film Festival Oldenburg läuft zwar unter dem Motto 'Von der Community für die Community', aber natürlich sollen und dürfen auch heterosexuelle Menschen die Filme besuchen.“

Und auch Kinoleiter Wolfgang hat beobachtet, dass das Publikum durchaus gemischt ist. „Das QFF ist ein offenes Format und wird entsprechend von verschiedensten Menschen besucht“, stellt er fest. „Hier spielen Alter, Sexualität und Herkunft keine Rolle und wir freuen uns auch ein sehr vielfältiges Publikum zu haben. Bestimmte Formate und Diskussionsgäste richten sich hauptsächlich an ein queeres Publikum, sind aber grundsätzlich ebenfalls offen und werden auch entsprechend angenommen.“



Szene aus dem Film „Drama Queens“, der beim 16. Queer Film Festival Oldenburg läuft.
Große Gefühle: Viele queere Filme beschäftigen sich mit essentiellen Frragen oder Problemen - ein Erlebnis auch für Menschen, die sich als heterosexuell einordnen würden. (Bild: Cine k)


Gemeinsam queere Filme feiern


Von 40 Langfilmen und 13.000 Gästen ist das Queer Film Festival Oldenburg noch weit entfernt. Aber es will dort auch gar nicht hin. Das QFFOL ist ein Kleinod, das nicht zuletzt durch seine intime Atmosphäre überzeugt. Eine andere Zahl ist dagegen deutlich realistischer: Eine 32. Auflage, die das Internationale Filmfest im Jahr 2025 feierte, könnte das QFF ebenfalls erleben. Denn alle Beteiligten haben die dafür nötige Haltung, Überzeugung und Freude an ihrem Tun. Und das Publikum? Weiß die stets gelungene Auswahl sehr zu schätzen.


Zwar werden Filme mit queeren Hauptfiguren weiterhin die Ausnahme bleiben und nur hin und wieder die Oscarverleihungen dominieren. Aber das ist vergleichsweise unwichtig, wenn weiterhin so viele gute queere Filme produziert werden und das Team der Kinogruppe RollenWechsel im Na Und e.V. sie für uns entdeckt und beim Queer Film Festival präsentiert. Es ist nichts falsch daran, wenn sich das Publikum in erster Linie aus queeren Personen zusammensetzt, die gemeinsam das intime Filmerlebnis feiern. Wir empfehlen aber auch allen anderen, mit der nötigen Offenheit in das Festival hineinzuschnuppern. Dabei stellt man dann vielleicht fest, dass gute Filme grundsätzlich für alle geeignet sind - unabhängig davon, wen die Hauptfigur liebt.


 
 
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