CATAPULTS: I HOPE YOU HEAL
- kulturschnack
- 15. Okt.
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 6 Tagen
Was geht eigentlich in der Oldenburger Musikszene? Kurze Antwort: Viel zu viel, um es hier abzubilden! Deshalb werden wir niemals jede Band, alle Singles und sämtliche Auftritte erwähnen können. Aber: Es gibt ja noch Longplayer. Sie sind nach wie vor etwas Besonderes, jeder Release markiert einen Meilenstein der Bandgeschichte. Das wollen wir feiern - im KULTURSCHNACK SOUNDCHECK! Hier stellen wir euch Alben made in Oldenburg vor und verraten euch, warum ihr sie unbedingt euren Playlists hinzufügen müsst. Die zweite Folge dreht sich um die Emo-/Punk-Helden von Catapults.

Wenn es unsere Aufgabe wäre, ein Album-Review auf nur drei Buchstaben zu reduzieren, dann würde das Ergebnis in diesem Fall lauten: Wow! Eigentlich ist damit schon genug gesagt, denn es drückt ja in maximal komprimierter Form aus, dass man die Platte, die jene weitgehende Sprachlosigkeit ausgelöst hat, unbedingt anhören sollte. Case closed.
Aber zum Glück haben wir hier mehr Raum als nur diese drei Buchstaben und können die Sache etwas ausschmücken. Zum Beispiel können wir verraten, dass Catapults auf ihrem zweiten Longplayer zwar weiterhin Pop-Punk mit dezentem Emo-Einschlag spielen, dass der Mix nun aber so abwechslungsreich ist, dass er zumindest in der Zuhörerschaft die Genre-Grenzen sprengen sollte. „I hope you heal“ ist nicht nur etwas für Fans der ersten Stunde, sondern für alle, die irgendwas mit Gitarrenmusik anfangen können. Denn die Platte ist vor allem eines: extrem gut!

In jeder Hinsicht: Besser denn je
Dabei hat es Pop-Punk bei der Hörerschaft außerhalb der Kernzielgruppe traditionell nicht leicht. Wer sonst eher Jazz, Klassik oder Charts hört, nimmt den druckvollen und dichten Sound oft nur als Dröhnen wahr. Dabei ist diese Betrachtung sehr oberflächlich. Tatsächlich sind die Bands des Genres zwar unterschiedlich talentiert. Es gibt also welche, für die Abwechslung ein Fremdwort ist. Andere aber zeigen musikalische Tiefe und ein sicheres Gespür für große Melodien. Sie beweisen: Punk und Pop Appeal schließen sich nicht aus, sondern sind im Idealfall zwei Seiten derselben Medaille.
Spätestens mit dem neuen Album gehören Catapults zur zweiten Kategorie. „I hope you heal“ bewegt sich zwar nach wie vor im Pop-Punk-Spektrum, ist aber deutlich vielseitiger und einfallsreicher als der Vorgänger und viele vergleichbare Releases. „Wir wussten, dass das neue Material anders ist“, verrät Gitarrist Maurice Gärtner im Gespräch. Ob es aber auch den berühmten Schritt nach vorn darstellen würde? Das vermochte in der Band niemand zu beurteilen „Dafür fehlt uns schlicht die Objektivität.“ Also fragte man einfach jemanden, der es wissen muss: den Gitarristen der bekannten US-Band Hot Mulligan. „Seine Reaktion hat uns Gefühl gegeben, dass das, was wir da machen, zumindest schon mal nicht schlecht sein kann“, lacht Maurice.
Auf Augenhöhe mit Neck Deep
Diesen Eindruck hat man auch als Hörer:in schon beim ersten Durchlauf. Catapults gehen direkt in die Vollen und liefern schon in den ersten zehn Minuten mehr besondere Momente als manch andere Band auf Albumlänge. Die erste Irritation kommt spätestens beim vierten Track „A-Okay“. Denn wir haben mitgezählt: Es ist der vierte Hit auf der Platte - und es folgen noch viele weitere. Ohne irgendeinen Leistungsabfall galoppiert dass Quartett von einer Pop-Punk-Hymne zur anderen, alles bewegt sich auf höchstem internationalen Niveau, Zu berühmten Genre-Größen wie Neck Deep oder Knuckle Puck muss man nicht ehrfurchtsvoll nach oben schauen, sondern entspannt zur Seite.
Eine - vielleicht die größte - Stärke von „I Hope you heal“ ist das Gespür für Details. Es gibt unglaublich viel zu entdecken und zu erhören - von Glockenspiel über Pfeif-Einlage bis zum Hardcore-Riff. Immer dann, wenn man glaubt, einen Song zu kennen, kommt doch ein neues Element oder eine Variation, die ihn in eine neue Richtung lenkt. Die Platte klingt so frisch, dass manches fast wirkt wie spontan eingestreut - was hier und da tatsächlich der Fall ist. „Im Normalfall haben wir alle Songs bereits im Home-Studio einmal aufgenommen, mit allem was dazugehört“, gibt Maurice einen Einblick in den Aufnahmeprozess. Diese Demo-Aufnahmen dienten im Studio dann als Schablone oder Blaupause, an dem sich die Band orientiere. Raum für Spontanität gebe es dennoch:
„Natürlich kommt es aber immer mal vor, dass während der Aufnahme plötzlich eine Idee kommt, die man dann einfach ausprobiert. Ob sie es aufs Album schafft, entscheiden wir ganz demokratisch: Wenn der Großteil die Änderung mag, wird sie übernommen - und wenn nicht, dann nicht!“
NEUES FORMAT „SOUNDCHECK“ OLDENBURGER BANDS AUFGEPASST Ihr seid Solo-Musiker:in oder spielt in einer Band aus Oldenburg? Ihr seid so ambitioniert, dass ihr eure Musik schon veröffentlicht habt oder genau das demnächst tun werdet? Und zwar nicht nur als eine Single, sondern in Form einer EP oder eines Albums? Mega, dann seid ihr hier richtig! ![]() In Zukunft wollen wir hier regelmäßig über den Output Oldenburger Musiker:innen berichten. Ihr habt Interesse im KULTURSCHNACK SOUNDCHECK aufzutauchen? Super, dann lasst es uns - am besten im Vorfeld der Veröffentlichung - wissen. Tickt uns auf Insta an oder schickt uns eine Email, wir kommen auf euch zurück. Super wäre es, wenn ihr schon ein kleines Presskit in petto hättet: Albumcover, Bandfotos, evtl. Link zu einem Video und einigen Soundfiles, die wir für ein Reel nutzen könnten. Es gibt keine Garantien für einen Artikel - aber wir bemühen uns, möglichst alles zu verarbeiten, was uns erreicht. Die Oldenburger Szene ist (noch) bunter und besser als viele denken. Höchste Zeit, dass die Welt davon erfährt! Also: Macht mit beim Kulturschnack SOUNDCHECK! |
Der Ohrwurm als Gratmesser
Theoretisch hätten Catapults auch weit mehr als jene zwölf Tracks aufnehmen können, die es letztlich auf das Album geschafft haben. An Material mangelte es nicht. „Wir wollten diese Zahl aber nicht überschreiten, damit wir im Studio nicht in zeitlichen Stress geraten“, erklärt Maurice. Bei der Song-Auswahl habe es durchaus Diskussionen gegeben, weil die Bandmitglieder unterschiedliche Favoriten hatten. Bei den meisten Songs sei man sich aber einig gewesen: „Ein gutes Zeichen ist es, wenn man die Gesangsmelodie oder bestimmte Parts nach der Aufnahme summt, also einen Ohrwurm davon hat.“ Mit hundertprozentiger Sicherheit könne man aber nie sagen, welche Songs den Hörerinnen und Hörern am Ende am besten gefallen.
„Persönliche Favoriten müssen nicht auch zwangsläufig Fan-Favoriten sein, da haben wir uns auch schon mal vertan!“
Auch wenn man sich auf ein Dutzend Songs beschränkt hat, erreicht „I hope you heal“ mit 41 Minuten Spielzeit geradezu epische Dimensionen im Pop-Punk-Genre, wo ein Longplayer auch gerne mal nach 30 Minuten endet. Ist so ein ausgewachsenes Album denn überhaupt noch zeitgemäß? „Für uns ja, auch wenn die heutige Entwicklung der Musikindustrie etwas anderes suggeriert. Wir selbst sind allesamt Alben-Hörer“, gibt Maurice ein klares Bekenntnis ab. „Für uns käme es nicht in Frage, nur noch Singles zu veröffentlichen, um immer die höchste Interaktion zu generieren.“ Die Band verfolge die Entwicklungen jedoch gespannt und schaue immer, wie sie bestimmte Neuerungen sinnvoll für sich umsetzen könne.
Mit Kreativität und Liebe
Bei „I hope you heal“ stellt sich der Album-Kontext als klarer Gewinn dar. Vor allem die beiden letzten Tracks - „Birdsong“ und der Titeltrack „I hope you heal“ - wirken am Ende der LP besonders stark, zumal beide ohne klassische Vers-Chorus-Struktur auskommen und stattdessen auf ein Build-up setzen. Sie gipfeln in großen Momenten, die als Single nicht in dieser Form funktionieren würden. Das Album erzeugt in seiner Gesamtheit eine eigene Stimmung die nicht etwa zwischen Spielfreude und Ernsthaftigkeit hin und her pendelt, sondern diese beiden Pole miteinander verschmilzt. Entsprechend stolz ist die Band auf das Gesamtergebnis, wie Maurice betont:
„Man kann den Moment, in dem man seine Platte fertig gepresst in der Hand hält, mit nichts vergleichen. Man hat so unfassbar viel Zeit, Arbeit, Kreativität und Liebe in dieses Projekt gesteckt.“
Außerdem sei er sehr stolz auf die Entwicklung, die jedes einzelne Bandmitglied in den acht Jahren seit der Gründung durchgemacht habe. „Die Produktion des ersten Albums hat für zehn Songs noch drei Wochen Studiozeit in Anspruch genommen. Beim neuen Album haben wir 12 Songs in zwei Wochen geschafft - mit weniger Diskussionen und viel mehr Sicherheit.“
Apropos Bandmitglieder: Genau wie das Songwriting zeigt sich auch Sänger Joost variantenreicher als zuvor. Seine Stimmfarbe bleibt zwar über weite Strecken des Albums dieselbe. Die größere Bandbreite und die Ergänzung mit Backing Vocals verleihen den Vocals aber eine größere Dynamik. Sowieso sind sie ein Markenzeichen der Band und zeichnen sich durch eine hohe Wiederkennbarkeit aus. Und wer noch mehr Abwechslung will, höre sich etwa „Digging Deeper / Going Nowhere“ an, das zusammen mit der Kölner Band Still Talk entstand. Ein wunderbar relaxter Midtempo-Song mit einem starken Duett und Singalongs. Für uns steht fest: Der gehört in ein Stadion!
Zur Qualität der Scheibe trägt auch die sehr gelungene Produktion bei: ausgewogen und rund, druckvoll und fett. Der einzige Kriitikpunkt könnte sein, dass es hier und da vielleicht zu rund ist. Auch Pop-Punk verträgt hier und da eine scharfe Kante - die aber sind weitgehend weggebügelt. Das allerdings ist zu verschmerzen, denn die Wucht der Produktion sorgt auf andere Weise für Druck.

Übrigens wurde „I hope you heal“ bereits im letzten Sommer aufgenommen, die Veröffentlichung erfolgte mit etwas Verzögerung. Das heißt: Die Band hat ihre zuletzt rasante Entwicklung nun schon ein Jahr fortgesetzt. Da fragt man sich: Wohin geht die Reise noch? Bewegen sich Catapults weiterhin im Pop-Punk Universum? Oder sprengen sie auf der nächsten Platte die Genre-Grenzen? „Das ist schwer zu sagen“, will Maurice sich nicht festlegen. Nach der Herbst-Tour wolle man sich wieder dem Schreiben widmen.
„Ob das neue Material in ganz andere Richtungen gehen wird, kann ich aber noch nicht sagen. Ich bin selber gespannt, was dabei herauskommt!“
All Killer, No Filler
Es wirkt stets unreflektiert, wenn man einem Album „nur Hits“ zuschreibt. Während der Counter nun den vierten Hördurchlauf zählt, kommen wir aber nicht umhin, genau das festzustellen: Für „I hope you heal“ gilt tatsächlich die Feststellung „All killer, no filler“. Zwar nimmt sich die Band innerhalb der 41 Minuten durchaus kurze Verschnaufpausen. Die sind aber so geschickt eingestreut, dass sie sich selbst als Highlight erweisen - eben weil der Kontrast stark wirkt.
Insofern können wir entspannt in die Zukunft sehen. Entweder bleiben Catapults ihrem Sound weitgehend treu und wir erleben eines Tages eine Fortsetzung von „I hope you heal“ - oder aber es folgt der nächste Schritt nach vorn und der Sound wird noch differenzierter und ausgereifter. Gelingt es der Band, die aktuelle Form zu konservieren, wird das Urteil in beiden Fällen das Gleiche sein: Wow! Und vielleicht belassen wir es beim nächsten Mal dann tatsächlich dabei. Case closed.

CATAPULTS I HOPE YOU HEAL
12 Songs, 41 Minuten
Pop-Punk/Emo
19. September 2025