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KONSTRUKTIV, KONKRET, MINIMAL

Weniger ist mehr: Kaum eine Redewendung ist so überstrapaziert wie diese. Wer die aktuelle Ausstellung des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte anschaut, kommt jedoch unweigerlich zu eben jenem Schluss: Weniger ist mehr. Warum eine inflationär verwendete Floskel durchaus eine präzise Analyse sein kann, könnt ihr derzeit im Augusteum selbst erleben. But hurry up: Nur noch bis zum 1. Mai!


Ein Bild der Ausstellung „Konstruktiv, konkret, minimal“ in Oldenburg
Wird ihrem Namen gerecht: Die Ausstellung "Konstruktiv, konkret, minimal" (Bild: Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte)
 

KONSTRUKTIV, KONKRET, MINIMAL

DIE SAMMLUNG HUPERTZ


BIS SONNTAG, 1. MAI 2022 DI - SO 10.00 - 18.00 UHR

AUGUSTEUM ELISABETHSTRASSE 1 26135 OLDENBURG

 

Die Frage danach, was Kunst eigentlich ist, wird wohl für alle Zeiten unbeantwortet bleiben. Einer guten Beschreibung am nächsten kam vielleicht Andy Warhol: „Kunst ist alles - solange man damit durchkommt“, soll er gesagt haben. Touché! Letztlich ist es aber kein Dilemma, sondern vielmehr eine große Freude, dass diese Frage offen bleibt.


Alle können sich selbst auf die Suche nach der Antwort begeben und ganz eigene Sichtweisen entwickeln. Wo sonst haben wir in unserer genauestens vermessenen und präzise getakteten Realität noch so viel Freiraum?

Eine perfektes Experimentierfeld für diese Ausgangsfrage ist die Ausstellung „Konstruktiv, konkret, minimal“ des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte. Sie stellt die These des „Weniger ist mehr“ zunächst auf den Kopf: Zu sehen sind nicht weniger als hundert Werke der insgesamt mehr als vierhundert Objekte umfassenden Kunstsammlung des Hamburger Ehepaars Hupertz. Seit den Sechziger Jahren haben die beiden Kunstliebhaber einen Bestand an moderner Kunst aufgebaut, der seinesgleichen sucht. Die Liste der vertretenen Künstler:innen liest sich wie ein Who-is-who der abstrakten Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.



Überfordernd oder erschlagend wirkt diese große Menge an Bildern und Objekten aber keineswegs. Im Gegenteil: die Werke haben genügend Raum, um wirken zu können. Und das tun sie in der Tat. Es ist völlig unmöglich, keine Haltung zu ihnen aufzubauen, weil sie die Besucher:innen geradezu auffordern, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Die Abwesenheit von Opulenz in Dimension oder Detailreichtum führt nicht etwa dazu, dass die Exponate unscheinbarer werden. Sie wirken stärker. Und den Betrachter:innen drängt sich unweigerlich ein Gedanke auf. Ihr ahnt schon, welcher: Weniger ist mehr.



Eindrücke als Experiment


Dabei ist natürlich klar, dass dieses Prinzip keine Allgemeingültigkeit hat. Rembrandt oder Michelangelo bleiben davon vollkommen unberührt. Deshalb lautet unsere Empfehlung: Lasst euch ein auf dieses Experiment. Ihr müsst nicht wissen, welche Werke dem Konstruktivismus zuzuordnen ist und inwiefern sich Konkrete Kunst von Minimal Art unterscheidet. Es geht auch nicht um die Frage, ob Reduktion besser ist als Realismus. Die Ausstellung ist auch ohne jedes Vorwissen ein Erlebnis. Und vielleicht ist sie gerade dann am spannendsten - weil man am klarsten sieht, wenn der Blick unverstellt ist.


Weniger ist mehr: Diese Redewendung bleibt wohl weiterhin stark strapaziert. Denn ob sie passt oder nicht, liegt stets im Auge des Betrachters. Das ist hier nicht anders, doch eine Prognose sei erlaubt: In der Ausstellung „Konstruktiv, konkret, minimal“ wird jede:r Besucher:in einen Moment erleben, in dem sie oder er unweigerlich zu diesem Schluss kommt. Und wer weiß: vielleicht sind es sogar hundert dieser Momente.



Starke, klare Farben und Formen (Bilder: Karlheinz Grünke (2), Maria del Pilar Garcia)

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