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KOLUMNE: MAL WAS ANDERES!

Seit Mitte 2020 schreibt Kulturschnacker Thorsten eine monatliche Kolumne für die wunderbare Spielzeitung des Oldenburgischen Staatstheaters. Digital findet ihr sie unter www.staatstheater.de. Oder: hier.

Szene mit zwei Personen aus dem Stück "Pension Schöller"
Spooky? Im Technical Ballroom findet die Zukunft des Theaters statt. (Bild: Stephan Walzl)


Mal was anderes! Wie oft habe ich daran gedacht, als es um diese Kolumne ging? Ich habe gehofft, entschieden, geplant. Manchmal hatte ich sogar schon geschrieben: Endlich mal was anderes! Und am Ende ging es dann doch wieder um Corona. Es gab zwar durchaus auch andere Themen. Doch wenn man die Szene insgesamt betrachtete und auf die großen Gemeinsamkeiten schaute, dann waren es in den letzten Jahren eben oft die negativen Strömungen.


Das ist auch jetzt leider nicht vollkommen anders. Die Pandemie ist noch da, doch für mich nicht mehr das entscheidende Problem. Das sind jetzt die anderen Faktoren: Der Angriffskrieg Russlands und seine Folgen sowie die enorm hohe Inflationsrate. Was das mit Kultur zu tun hat? Mehr als man denkt. Denn zum einen sind ja auch die Theater und Konzertbühnen mit enorm hohen Energiekosten konfrontiert. Und zum anderen sparen die Menschen zwar auch beim Heizen und beim Einkaufen – zuerst aber beim abendlichen Ausgehverhalten. Mithin: bei der Kultur.



Mittendrin im Moment


Oh Gott, schon wieder ein Lamento? Ja, Anlass gäbe es. Aber wer mehr davon möchte, der lese das bitte auf dem Kulturschnack nach, dort haben wir die aktuelle Lage analysiert. Hier geht es heute mal um was anderes! Und zwar um ein persönliches Erlebnis. Das fand Mitte Oktober statt – und leider gar nicht in Oldenburg. The Reytons spielten im Hedon im wunderschönen Zwolle. Der Laden war rappellvoll, Karl Lauterbach wäre glatt in Ohnmacht gefallen. Aber das spielte schon nach den ersten Akkorden gar keine Rolle mehr, denn aus den vielen Einzelnen wurde augenblicklich eine einzige große springende, tanzende, singende, schwitzende Masse. Ist das unverantwortlich? Nein, es ist genau so, wie es sich gehört. Ich weiß, so eine Aussage polarisiert. Aber ich habe mich einfach nur gefreut, genau dort zu sein: Mittendrin im Moment, zeitweise mit Tränen in den Augen.


Das ist Leben! Das wahre, echte, schmutzigschöne Leben. Es war viel zu lang weg; deshalb halte ich es fest, wo immer und solange es geht!

Denn wie im letzten Monat frage ich mich: Wie viel ist verloren gegangen in den letzten zwei Jahren? Wie viel von uns selbst haben wir zurückgelassen, als wir uns einigeln mussten? Und vielleicht auch wollten? Dieser Abend in Zwolle war eine starke Erinnerung daran, wie es war, bevor sich alles änderte.


Zugleich war dieses Konzert ein gutes Beispiel für das, was die Kultur momentan immer noch beschäftigt: Die Verwerfungen durch die Absagenflut in den Jahren 2020 bis 2022. Das Konzert der Reytons hätte ursprünglich nämlich schon im März stattfinden sollen. Und dann wäre ich an besagtem Abend natürlich in Oldenburg gewesen. Genauer gesagt: In der Kulturetage, beim Gig von Antiheld und Saint Chaos. Ich war es nicht, weil wir alle noch Altlasten abarbeiten. Schön, wenn sie so inspirierend sind wie der Abend im Hedon. Aber schade für alle anderen, die immer noch dagegen anspielen müssen.



Die Kraft der Kultur


Nicht zuletzt deswegen häuften sich zuletzt auch wieder die Absagen und Verlegungen. Anders als bei den Lockdowns ist es nun die Summe unterschiedlicher Gründe, die der Kultur zu schaffen macht. Deshalb werde ich mich wohl auch in den kommenden Monaten bewusst dafür entscheiden müssen, mal was anderes zu thematisieren als die ungünstige Gesamtsituation. Aber ich nehme es mir fest vor.


Wir sollten uns die Kraft der Kultur möglichst oft vor Augen führen, damit sie wieder zur guten Gewohnheit wird. Und damit wir wieder dort sein können, wo wir eigentlich am liebsten sind: Mittendrin im Moment.

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