Seit Mitte 2020 schreibt Kulturschnacker Thorsten eine monatliche Kolumne für die wunderbare Spielzeitung des Oldenburgischen Staatstheaters. Digital findet ihr sie unter www.staatstheater.de. Oder: hier.
Ist das schon Normalität? In den letzten Wochen sind alle Oldenburger Theater nach und nach in die neue Spielzeit gestartet. Von der festlichen Gala über gefühlte Premieren und beliebte Klassiker bis zum Gastspiel war alles dabei, was sich das Kulturherz wünscht. Hatte Christian Firmbach doch Recht, als er im Frühsommer mit großer Vorfreude auf die kommenden Spielzeit – aber dennoch bewusst überspitzt – das Ende der Pandemie ausrief?
Das lässt sich nicht eindeutig sagen, aber er befindet sich inzwischen in guter Gesellschaft. Zuletzt erklärte US-Präsident Joe Biden exakt dasselbe – ohne irgendwelche Ironie. Das neue Motto lautet: „Mit dem Virus leben“. Und ohne die Befürchtungen der Vorsichtigen zu überhören, scheint das der praktikabelste Weg zu sein, um nicht einige der wichtigsten Bereiche unseres Lebens weiter zu gefährden. Und dazu zählt die Kultur tatsächlich, trotz dominierender Themen wie Krieg, Klima- und Energiekrise.
Was die Pandemie mit uns als Menschen – nicht in einem gesundheitlichen, sondern in einem emotionalen Sinne – gemacht hat, vermag noch niemand zu sagen.
Die Rückkehr zu uns selbst
Aber kommt es Ihnen nicht manchmal auch komisch vor, wie Sie auf bestimmte Dinge reagieren? Zögerlicher? Skeptischer? Ich stelle bei mir durchaus Veränderungen fest. Die müssen nichts mit Corona zu tun haben, haben sie aber wahrscheinlich doch. Ich bin überzeugt davon, dass es in unseren Leben Brüche gegeben hat, die wir erst noch wieder kitten müssen. Die Normalität mag faktisch schon wieder da sein. Die Frage ist nur: Sind wir schon bereit dafür? Und eine Antwort darauf gibt es auch schon: Die einen mehr, die anderen weniger. Es wird noch dauern, bis der zwischenzeitlich gerissene Faden zwischen Publikum und Kultur wieder seine alte Stärke hat.
Mit dem Virus zu leben bedeutet letztlich auch, zu uns selbst zurückzukehren. Dorthin, wo – und wie – wir waren, bevor sich im März 2020 alles veränderte.
Damals waren wir Oldenburger:innen ein interessiertes, aufgeschlossenes, aktives Kulturpublikum. Das sind wir nach wie vor; wir müssen diese Eigenschaft hier und da nur wieder freilegen. Dabei sind wir auch ein Stück weit gefordert. So gesund es war, sich in den letzten zwei Jahren zurückzuziehen, so ungesund wäre es, für immer damit fortzufahren. Es ist vertretbar zu sagen, dass man der Kultur – und damit sich selbst – eine Chance auf Alltag geben sollte. Übrigens: Wie sich die Lage im Sommer dieses Jahres für die Oldenburger Theater darstellte, können Sie im großen „Corona-Check“ auf dem Kulturschnack lesen.
Neue Lust auf Normalität
Die Kulturszene hat jedenfalls vorgelegt und bietet uns – wie immer, möchte man fast ergänzen – ein aufregendes Programm. Über die Premieren des Staatstheaters können sie auf diesen Seiten einiges lesen. Schon die Plakate, die man derzeit an den Ausfallstraßen sieht, machen ungeheuer Lust darauf, das Theater wieder in den persönlichen Alltag zu holen. Das gilt aber auch für viele anderen Institutionen und Akteure, die erstmals wieder mit einer gefühlten Planungssicherheit in eine Spielzeit starten. Ich freue mich zum Beispiel auf die Dö!-Konzertreihe der Kulturetage, die in ganz neues Format nach Oldenburg bringt. Aber auch die Island Begegnungen werden spannende Einblicke geben und der Start des Technical Ballroom in der Exerzierhalle ist jetzt schon dick im Kalender markiert.
Ist das schon Normalität? Ich würde sagen; Ja. Vielleicht noch nicht ganz die alte, aber immerhin eine neue – und das ist ein guter Anfang.
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