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KOLUMNE: HAUPTSACHE KULTUR

Seitz Mitte 2020 schreibt Kulturschnacker Thorsten eine monatliche Kolumne für die Spielzeitung des Staatstheaters. Digital findet ihr sie unter www.staatstheater.de. Oder: hier.


Die Dezember-Ausgabe der Spielzeitung des Staatstheaters zeigt eine Szene aus dem Kinderstück "Heidi".
Kunterbunt: Das Bühnenbild von "Heidi" ist deutlich farbenfroher als der Oldenburger Dezember. (Bild: S. Walzl)

Es bleibt kompliziert. Aber besser so als gar nicht.


Eigentlich hatte ich eine andere Kolumne schreiben wollen. Beginnen wollte ich mit einer Frage für Philosophen: Wenn ich einen Ort verlasse und nach einer gewissen Zeit zurückkehre, ist es dann noch derselbe Ort? Oder hat die Zwischenzeit ihn zu einem anderen gemacht? Wahrscheinlich, hätte ich dann vermutet, und so ähnlich könnte es auch mit der Normalität sein. Sie haben wir im März 2020 verlassen.


Trotz vierter Welle befinden wir uns insgesamt auf dem langen Weg zurück. Aber wohin eigentlich? Ist es noch dieselbe Normalität? Oder eine andere?

Eigentlich. Kleines Wort, großes Aber. Denn der rote Faden des letzten Absatzes ist der Konjunktiv. Ich habe die erwähnte Kolumne zwar geschrieben, aber wieder gelöscht. Denn auch wenn meine Antwort auf die Frage nach der Normalität “eine andere” gewesen wäre, erscheint es momentan doch ziemlich absurd, dieses Wort überhaupt nur in den Mund zu nehmen. Aktuell wirkt es so, als hätten wir auf der Autobahn Richtung Alltag die Abfahrt verpasst und unser Ziel deswegen meilenweit verfehlt. “Bitte wenden!”, würde das Navigationsgerät in diesem Moment fordern. Ja, gerne, aber wie?


Optimismus oder Naivität


Was also jetzt? Wieder ins Corona-Lamento einsteigen? Meine Antwort ist ein klares: Nein! Für mich fühlt sich schon der Gedanke daran zersetzend an. Er demotiviert. Auch wenn ich weiß, dass es für viele Akteure gerade wieder zum traurigen Alltag gehört, "Was wäre wenn”-Szenarien durchzuspielen, will ich keine weiteren Zeilen an das Virus verschwenden.


Dazu vielleicht ein kurzer Hinweis: Wer sich ein wenig mit den Gesetzmäßigkeiten von Printmedien auskennt, weiß: dieser Text wurde nicht gestern Abend geschrieben. Die Produktion braucht Vorlaufzeit. Deswegen weiß ich leider nicht, ob es aktuell Diskussionen um Einschränkungen im Kulturbetrieb gibt. Ich gehe einfach mal davon aus, dass alle Veranstaltungen weiterhin möglich sind. Und ich hoffe, dass dieser Optimismus nicht als Naivität enttarnt wird.


Machen wir einfach etwas Konstruktives: Schauen wir mal kurz auf den Kalender. Im Dezember sehe ich etliche Konzerte in großen Hallen und kleinen Clubs, einige Ausstellungen in Kunsthäusern und Museen sowie viel Programm auf den Theaterbühnen. Unter den Veranstaltungen sind sogar echte Knaller wie der Oldenburger Plakatherbst, der noch bis Mitte Dezember zu sehen ist (und ein starkes Rahmenprogramm bietet). Auch die Performance-Ausstellung des Künstlerduos BOSMOS sollte man gesehen haben. Und wer das Stadtmuseum schon schmerzlich vermisst, muss unbedingt den Projektraum_2 in der Innenstadt besuchen.


Ist das so viel wie früher? Wahrscheinlich nicht. Aber wenn man die Umstände bedenkt, dann muss man den Dezember eindeutig als einen attraktiven Kulturmonat einordnen.

Und ein kleiner Tipp am Rande: weil Teile des Publikums nach wie vor zurückhaltend sind, ergeben sich immer wieder Gelegenheiten, Veranstaltungen zu besuchen, die normalerweise ausverkauft gewesen wären. Nach dem Abendessen spontan ins Laboratorium? Früher undenkbar, aktuell aber durchaus möglich.


Hingehen, Dabeisein


Ich bin ich kein Philosoph. Die Frage, in welcher Normalität wir aktuell leben, müssen andere beantworten. Oder ich versuche es in der nächsten Kolumne, wenn wir hoffentlich auf eine heftige, aber überraschend kurze vierte Welle zurückblicken. Unabhängig davon weiß ich aber: Kultur ist ein Lebenselixier. Vielleicht nicht in einem biologischen, aber ganz sicher in einem emotionalen Sinne. Deshalb lautet meine Empfehlung: Gehen Sie hin, seien Sie dabei, wann und wo auch immer es geht. Und kümmern Sie sich nicht um die Frage, ob die Normalität ist oder nicht. Hauptsache: Kultur! Und das wäre auch der Schlusssatz meiner ursprünglichen Kolumne gewesen. Insofern war sie nicht umsonst.


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