In seinem neuen Roman stellt Weltenbummler Matthias Politycki große Fragen. Bei seiner Lesung im Wilhelm13 könnt ihr ihm persönlich beim Antworten zuhören - und nebenbei das ostafrikanische Äthiopien entdecken, in dem die dramatische Handlung angesiedelt ist; und das Dauerläufer Politycki bestens aus eigener Anschauung kennt.
Äthiopien. Die Älteren von uns kennen das ostafrikanische Land vor allem aus Zeiten größter Hungersnöte in den Achtziger Jahren, in deren Folge Millionen Menschen starben. Der Fotograf Sebastiao Salgado hat die dramatische Lage damals in bewegenden Bildern festgehalten; sie sind alljährlich im Film "Das Salz der Erde" im Rahmen der World Press Photo Ausstellung in Oldenburg zu sehen.
Die Situation im Land hat sich seither etwas verbessert, jedoch ohne jemals irgendwann ein Niveau zu erreichen, das man als stabil bezeichnen könnte. Noch immer rangiert der Staat am Horn von Afrika mit seinen 110 Millionen Einwohner*innen fast am Ende des Human Development Index. Durch den Klimawandel kam es wieder zu langanhaltenden Dürren, ein großes Problem ist auch die zunehmende Bodenerosion durch massive Entwaldung. Zuletzt kam es auch immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der äthiopischen Regierung und dier Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF).
LITERATURHAUS OLDENBURG
LESUNG
MATTHIAS POLITYCKI: „ALLES WIRD GUT - CHRONIK EINES VERMEIDBAREN TODES"
MITTWOCH, 19. APRIL, 19.30 UHR
WILHELM13
26121 OLDENBURG
Dem Leben entkommen
Das alles macht Äthiopien zu einem Brennglas für zwischenmenschliche Begegnungen und Beziehungen. Hier gewinnt alles eine zusätzliche Ebene, weil das Leben an sich dramatisch und existenziell ist. Und dennoch gibt es sie: Die Alltage mit ihren kleinen Szenen und Momenten, in denen sich das Leben der Äthiopier:innen abspielt - und die selbst eine Erzählung wert sind, Wie eben jene, die uns Matthias Politycki in seinem neuesten Werk schildert.
Die Handlung beginnt im Jahr 2020, am Vorabend des Krieges: Josef Trattner, Ausgrabungsleiter im Norden des Landes, verschlägt es an die Grenze zum Südsudan. In der winzigen Siedlung Surma Kibish begegnet er Natu, einer Frau mit abgerissenem Ohrläppchen – und einer Aura von Schönheit, Stärke und Gefahr, die ihn sogleich in ihren Bann zieht. Aber dann wird er Zeuge, wie Natu öffentlich mit Stockhieben gezüchtigt wird. Als sie am nächsten Tag plötzlich in seinem Wagen sitzt, wähnt er sich bereits auf der Flucht, mit ihr zusammen, in ein neues Leben. Doch unerbittlich bahnt sich ihrer beider Verhängnis an – das alte Leben fordert seine Rechte und setzt alles daran, Natu zurückzubringen an den Ort ihrer Niederlage.
„Matthias Politycki gilt als großer Stilist und ist einer der vielseitigsten Schriftsteller der deutschen Gegenwartsliteratur“, erklärt Monika Eden vom Literaturhaus Oldenburg. „Sein Roman erzählt von einem Land auf der Suche nach einer besseren Zukunft, vom Konflikt zwischen den Geschlechtern und von einer Liebe, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist.“
Zurück nach Afrika
Für den Weltenbummler Matthias Politycki ist es nicht der erste Roman, der auf dem afrikanischen Kontinent spielt. Schon „Das kann uns keiner nehmen“ spielte dort vor der Kulisse des Kilimandscharo. Vom Spiegel als „Deutschland-Roman vor afrikanischer Kulisse“ gerühmt wurde er zu einem großen Publikumserfolg.“
Was bei seinen Büchern überwiegt? Romanhandlung oder Reisebericht? Das lässt sich eindeutig beantworten: Ersteres. Die Geschichten stehen für sich und wären
mit einem anderen geographischen Setting ebenso lesenswert. Die besonderen Handlungsorte stellt sich bei Politycki aber als klarer Gewinn heraus - weil er die jeweiligen Regionen aus eigener Anschauung kennt und ihre Besonderheiten gekonnt zu erzählen weiß. So ergibt sich eine zweite Ebene, die seine Bücher umso lesenswerter macht.
MATTHIAS POLITYCKI ​Matthias Politycki, 1955 geboren, lebte in Hamburg und München, 2021 zog er nach Wien. Der weitgereiste Autor veröffentlicht seit über 30 Jahren Romane, Erzählungen, Gedichte, Essays und immer wieder Reisereportagen und -erzählungen. Zuletzt erschienen von ihm der Roman „Das kann uns keiner nehmen“, vom Spiegel als „Deutschland-Roman vor afrikanischer Kulisse“ gerühmt, sowie die vielbeachtete Streitschrift „Mein Abschied von Deutschland“. |
Mehr als eine Lesung
Und dieses Prinzip gilt auch - beziehungsweise: ganz besonders - für Polityckis Lesungen. Denn hier hat der Autor die Gelegenheit, abzuschweifen, auszuholen und einzuordnen. Hier kann er zwischen seine eigenen Zeilen noch weiteren Kontext einweben, der uns die Situation noch besser erfassen - oder sogar: erfühlen - lässt.
Was der Autor über seinen neuen Roman zu berichten hat, erfahrt ihr am 19. Aprilab 19.30 Uhr im Wilhelm13. Dort tauscht sich Matthias Politycki mit dem Historiker Prof. Dr. Michael Sommer aus, der vielen aus seiner „Sommer-Zeit“-Kolumne in der Nordwest Zeitung bekannt ist - und der selbst Sprachgewandtheit und Bühnentauglichkeit besitzt. Euch erwartet also ein spannendes Gespräch über ein bemerkenswertes Buch. Es gibt schlechtere Möglichkeiten, seinen Mittwochabend zu verbringen.
Karten bekommt ihr für 12€ oder 8€ ermäßigt. Reservieren könnt ihr sie unter literaturhaus@stadt-oldenburg.de.
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