top of page

DER KLANG DER STRAßE

Open Air? Bei diesem Stichwort denken wir sofort an große Festivals wie Deichbrand oder Hurricane. Es geht aber auch eine Nummer kleiner: In den Fußgängerzonen können wir unter freiem Himmel immer wieder wunderbare Künstler:innen entdecken, die uns mit ihrer Straßenmusik unvermittelt in ihren Bann ziehen. Eine von ihnen ist Ayla Schofield. Was für sie den Klang der Straße ausmacht, warum sie in der City spielt und wohin die Reise noch gehen soll - das erzählt sie hier,


Country-Musikerin Ayla Schofield aus Oldenburg bei der Straßenmusik in der Innenstadt
Place to be: Aylas zentraler Spot - hier an der Ecke Haarenstraße/Lange Straße - lohnt sich für sie, aber auch fürs Publikum. (Bild: Monique Ebeler)

Straßenmusiker:innen sind freie Geister, haben aber durchaus feste Gewohnheiten. Das betrifft zum Beispiel ihre Spielorte: Oft findet man die Künstler:innen auf größeren Plätzen, wo sie und ihr Publikum Raum zur Entfaltung finden. Ein gute Bühne bilden aber auch innenstädtische Kreuzungen und Weggabelungen, denn dort vermischen sich verschiedene Passant:innenströme und sorgen für hohe Frequenz.


In der Oldenburger Innenstadt befindet sich solch ein Ort in der Langen Straße, wo sie zusammen mit Gast-, Haaren- und Schüttingstraße einen kleinen Stadtraum bildet. Dort findet man: Ayla Schofield. Und schon während man ihr langsam näherkommt, fällt etwas auf. Man hört nicht etwa flüchtig eingeübte Klassiker oder unsaubere Gesangslinien. Nein, man hört ausgereiftes Material, eine klare und angenehme Stimme und fehlerfreies Gitarrenspiel. Sofort ist klar: Hier spielt nicht jemand, die sonst nirgendwo erwünscht ist. Es muss mehr dahinterstecken. Und so ist es auch, wie Ayla uns im Gespräch erzählt hat.



Die nächste Taylor Swift


Dass die Musik von Ayla so ausgereift klingt, ist natürlich kein Zufall. „Ich hab schon als Jugendliche viel Straßenmusik gemacht“, blickt sie zurück. „Vor allem, um Übung für meine Live-Performance zu bekommen.“ Dafür sei die Innenstadt das ideale Umfeld: mit großer Öffentlichkeit, aber ohne hohe Erwartungen.


Schon als Kind reifte in Ayla der Wunsch, die Musik zu ihrem Beruf zu machen. Sie lernte Fiddle und Gitarre, machte Fortschritte bei Gesang und Songwriting und übte, übte, übte. „Früher waren das sieben oder acht Stunden am Tag“, wie sie verrät - und auch heute sind es im Durchschnitt noch vier. Diesen großen Einsatz hört man ihrer Musik an und versteht ihre Ambitionen. Doch auch wenn sie von der großen Karriere träumt, bleibt sie realistisch:


„Man kann immer nur sein Bestes geben. Dann wird man sehen, wie weit der Weg führt.“

Musikerin Ayla Schofield aus Oldenburg im Vorfeld zu ihrem Queens of Country Auftritt im Core.
Entspannt aber erwartungsvoll: Country-Musikerin Ayla Schofield vor dem Core in der Oldenburger Heiligengeiststraße. (Bild: Kulturschnack)

Auffällig ist an Ayla jedoch nicht nur ihre professionelle Performance, sondern auch ihr Outfit. Karohemd, Bootcut Jeans und Cowboyhut deuten an, wohin die Reise geht: Hier gibt es Country Music - eine Leidenschaft, die Ayla von ihren Eltern geerbt hat. Ihr ist bewusst, dass es dieses Genre in Norddeutschland nicht immer leicht hat, doch sie nimmt die Rolle als Botschafterin an: „Viele denken noch an die Siebziger Jahre-Cowboy-Schlager, aber Country hat sich enorm weiterentwickelt.“ Heute sei er eine zeitgemäße Musikrichtung mit eigener Szene in Deutschland, ganz ohne Stars & Stripes-Patriotismus.


Man sollte den Begriff nicht einengen“, findet die Sängerin. Country vermische sich zunehmend mit anderen Stilen wie Pop oder Folk und werde damit auch massentauglicher. Zudem mangelt es nicht an großen Vorbildern - schließlich hat auch Taylor Swift mit Country angefangen.



Jenseits der Klischees


Mit der Straßenmusik gehen bestimmte Klischees einher: Mal eine romantische Verklärung als ein selbstbestimmtes, freies Leben an wechselnden Orten - mal die sorgenvolle Vermutung, dass die Künstler:innen auf jeden Cent angewiesen sind. Sollte etwas Wahres daran sein, wäre Ayla eine Ausnahme. Als reisende Vagabundin muss man sich die 22-Jährige jedenfalls nicht vorstellen. Statt mit einem klapprigen Van über staubige Straßen kam sie früher mit dem Zug nach Oldenburg. Ihre Anreise aus Wüsting war in wenigen Minuten erledigt. Heute kann sie zu Fuß zu ihrem Auftrittsort in der Langen Straße laufen.



Von ihren Gastspielen in der Oldenburger Fußgängerzone konnte sie auch deutlich mehr finanzieren als nur die nächste Mahlzeit, nämlich ihre erste EP. „Das hätte ich mir sonst gar nicht leisten können“, ist Ayla sich bewusst. Tatsächlich sei der Verdienst bei der Straßenmusik in Deutschland gar nicht so schlecht:


„Wenn man dranbleibt und das regelmäßg macht, hat man ein ordentliches Nebeneinkommen.“

Ungewöhnlich für eine Straßenmusikerin ist auch eine Teilnahme bei The Voice of Germany. Ayla war im Jahr 2019 dabei und blickt heute mit gemischten Gefühlen darauf zurück. Zwar tauche man dort in eine reine Kunstwelt ein, die mit Country nicht viel zu habe, aber „der Druck dort hat mich ordentlich gepusht.“ Schon bevor man auf der Bühne stehe, habe man fünf Casting-Runden hinter sich bringen müssen. Zudem gab es viel Bühnen- und Interviewcoaching. „Das war ein gutes Trainingslager“, lacht Ayla. Im Nachhinein ist sie aber froh, nicht weiter gekommen zu sein: „Man muss dann bereit sein, seine eigenen Vorstellungen aufzugeben. Das wollte ich gar nicht“, gewährt sie einen Blick hinter die Kulissen.



Lehrreich: Mit 17 Jahren nahm Ayla an „The Voice of Germany“ teil. Die Kunstwelt der Castingshow war weit weg vom gängigen Country-Image.


Mal umringt, mal unsichtbar


2019 war auch das Jahr, in dem Ayla begann, regelmäßig in der Oldenburger Fußgängerzone zu spielen. Wie fühlt es sich an, auf der Straße zu stehen, während die Passant:innen darüber nachdenken, ob sie noch ein Paar Schuhe anprobieren wollen, wo es einen guten Kaffee gibt oder wie lange das Parkticket noch läuft? „Am Anfang kostete es ein bisschen Überwindung“, denkt Ayla zurück. Zwar hatte sie mit ihren 17 Jahren schon Bühnenerfahrung, die Fußgängerzone habe aber ein ganz anderes Feeling. Letztlich seien die Auftritte inmitten des Einkaufstrubels aber sehr schnell normal geworden. Das Gefühl sei bis heute jeden Tag anders, auch wenn man an der gleichen Ecke stehe, erzählt Ayla weiter.


„An manchen Tagen hören viele Menschen zu und es bilden sich richtige Trauben vor mir. Das ist dann eine noch direktere und intimere Erfahrung als auf der Bühne, weil kein Licht blendet und man sich auf Augenhöhe begegnet.“

Es gebe aber auch andere Momente, in denen die Auftritte nicht mehr seien als ein Job. Das betreffe Phasen mit besonders schlechtem Wetter, aber auch Tage, an denen es richtig voll ist: „Dann rennen die Leute nur an einem vorbei, alle haben was zu tun, niemand hört zu.“ Wenn man in der Masse geradezu unsichtbar werde, kratze das durchaus an der Künstlerseele, gibt Ayla zu. Das dürfe man aber nicht persönlich nehmen: „Es ist ja kein Konzert. Die Leute kommen nicht, um Musik zu hören. Aber trotzdem ist es natürlich schöner, wenn die Menschen meine Arbeit honorieren.“



Mal im Zentrum der Aufmerksamkeit, mal weitgehend unbeachtet: Das Schicksal von Straßenmusikerinnen ist wechselhaft. (Video: Monique Ebeler)



Das Vorbild Montengro


Der fehlende Graben zwischen Künstlerin und Publikum könnte dabei ein entscheidender Faktor sein: Man kommt durchaus mal ins Gespräch. „Das kommt eigentlich bei den meisten Auftritten vor“, berichtet Ayla. „Das ist super schön, darüber freue ich mich jedes Mal.“ Generell sei es aber gar nicht so einfach, in Deutschland Stimmung zu erzeugen und die Passant:innen zum Stehenbleiben zu motivieren.


„Es ist tatsächlich etwas mühsam, eine gute Atmosphäre oder sogar Begeisterung entstehen zu lassen. Das könnte gerade in der wärmeren Jahreszeit noch viel mehr sein.“

Ayla hat den Vergleich. Zwar hat sie in Oldenburg eine feste Heimat, das Leben im Van ist ihr aber dennoch nicht fremd. Mit ihrer Musik war sie schon in Ländern wie Griechenland oder Montenegro unterwegs. Dort gäben die Leute zwar weniger, weil das Einkommens-Niveau niedriger sei. Aber: „Die Menschen strahlen sehr viel mehr Ruhe aus, hetzen nicht immer zum nächsten Termin. Da bleibt man auch mal stehen und hört sich drei Songs an.“ Danach erfolgten sogar häufig noch Einladungen auf ein Getränke und Gespräch. „Das ist einfach eine ganz andere Atmosphäre, die ich mir hierzulande auch noch mehr wünsche.“



Fast schon ein Star


Während hierzulande viele Menschen an Ayla vorbeilaufen, kennt man sie im Rest der Welt schon etwas besser. Zu einem Song des jungen Country-/Folk-Stars Oliver Anthony veröffentlichte Ayla im vergangenen Jahr auf ihrem YouTube Channel ein Video, in dem sie den US-Künstler mit Fiddle und Gesang begleitet. Das berührende Lied gewann durch sie nochmal an Tiefe und löste weltweit begeisterte Reaktionen aus. Nicht weniger als 1,8 Millionen Menschen haben sich das Video bereits angeschaut Unter ihnen: Oliver Anthony selbst, der es sehr positiv kommentierte und mit dem sie im Februar 2024 schließlich in Utrecht auf der Bühne stand.


Fsst zwei Millionen Views: Ayla sang und spielte die Fiddle zu Oliver Anthonys „I want to home“ - und traf damt den Nerv eines globalen Publikums.

Für Ayla sind solche unvorhersehbaren Entwicklungen wichtig: „Ich schaue natürlich schon auf die Szene in den USA und in Kanada, weil da einfach mehr möglich ist.“ Besonders positiv: Die virale Aufmerksamkeit verhallte nicht im Netz, sondern löste einige konkrete Anfragen für Konzerte und Festivals aus.


Die neue Generation


Solange der endgültige Durchbruch jenseits des Atlantiks noch ausbleibt, konzentriert Ayla Schofield sich aber genauso gern auf den heimischen Markt: „Ich merke, dass Country auch in Deutschland größer wird“, erklärt die Vollblutmusikerin. Und dazu trägt sie auch selber bei: Mit ihren jungen Kolleginnen Alina Sebastian (25) und Lisa-Marie Fischer (33) trat sie im Juni 2024 als „Queens of Country Germany“ nicht etwa auf der Straße auf, sondern im Core.


Pop oder Country? Rein äußerlich unterscheiden sich die „Queens of Country“ Alina Sebastian, Lisa-Marie Fischer und Ayla Schofield (vlnr) nicht von ihren Kolleginnen in den Charts. (Bilder: Künstlerinnen, Agenturen)

Damit waren in der Heiligengeiststraße drei aufstrebende Vertreterinnen einer neuen Country-Generation zu Gast, die mit den alten Klischees nicht mehr viel am Cowboyhut haben und die ihre Musik stattdessen jung, smart und attraktiv präsentieren - so wie es in den USA längst der Fall ist. „Wir alle mögen es, wenn sich traditionelle Instrumente wie Geige oder Mandoline mit modernen Arrangements verbinden“, erzählt Ayla mit strahlenden Augen und man merkt ihr dabei die authentische Begeisterung für ihre Musik an. Gemeinsam haben die drei Singer-Songwriterinnen aber nicht nur ihr Faible für Country und Folk, sondern auch ihre Herangehensweise:


„Wir erzählen Geschichten aus unserem Leben, zu denen hoffentlich jeder einen Bezug findet. Es handelt sich um ehrliche, persönliche Musik. Das ruft niemand 'Yeehaw!'


Country-Feeling: Die aktuellen Singles von Ayla Schofield machen schon visuell deutlich, in welche Richtung es geht. Aber: Nicht klassisch, sondern modern. Klickt auf die Bilder, um die Videos zu sehen.


Mehr Neugier wagen


Straßenmusik wird es in Deutschland vermutlich weiterhin nicht leicht haben. Viele Menschen präferieren offensichtlich eine Art kulturellen Ablasshandel: Lieber reichlich geben als intensiv zuhören. Davon profitieren die Künstler:innen natürlich finanziell. Noch schöner wäre es aber, wenn man sich etwas Zeit nehmen und Aufmerksamkeit schenken würde. Denn das Beispiel Ayla zeigt: Manchmal steht dort vielleicht ein heimlicher Star an der Straßenecke.


Bei der jungen Musikerin soll vorerst dennoch alles beim Alten bleiben. „Rund um unser Queens of Country-Konzert waren es wirklich intensive Wochen, in denen ich wenig Straßenmusik gemacht habe“, schränkt sie zwar ein. Das soll sich aber wieder ändern: „In Zukunft will ich eigentlich wieder zweimal pro Woche in der Fußgängerzone spielen. Solange ich hier bin, wird das Teil meines Lebens bleiben.“ Alle, die sie bisher verpasst haben, haben also noch die Chance, es besser machen als manch andere: Einfach mal stehen bleiben, zuhören, genießen. Das ist der Klang der Straße - und eine echte Attraktion!


Comments


bottom of page