Die zwei Corona Jahre von März 2020 bis März 2022 waren vor allem eines: unvorhersehbar. Das bekamen ausnahmslos alle zu spüren, vor allem aber die Kultur- und Veranstaltungsbranche. Die Zahl der verlegten Veranstaltungen war immens. Aber wie hat sich das alles angefühlt?
Die Kulturetage gehört zu den größten Kulturakteuren in Oldenburg. Jährlich finden dort bis zu 150 Veranstaltungen statt: Konzerte, Theater, Kabarett, Lesungen, Comedy - die gesamte Bandbreite. Und wie ist die Lage seit März 2020? Definitiv anders, wie uns Pressesprecherin Bettina Stiller im Gespräch berichtet hat.
Bettina, vor einigen Wochen verschickte die Etage eine Email mit dem Betreff „Leider schon wieder Verschiebebahnhof“. Fühlt man sich tatsächlich so? Als würde man nur rangieren, aber käme nirgendwo an?
Ja, schon. Das bringt auch eine gewisse Unerfahrenheit über Pandemien so mit sich. Corona war definitiv meine erste Pandemie. Und eine Ausbildung als Epidemiologe habe ich ebenfalls keine, auch keine eingebildete. Anfangs denkt man noch: „Naja, in 2-3 Monaten wird sich das Ganze schon wieder beruhigt haben.“ Doch Mitte 2020 wurde doch langsam klar, dass es nicht so schnell vorbei sein würde mit der Pandemie wie gedacht. Und viele Veranstaltungen wurden bis zu vier Mal verschoben.
Nein, es war alles andere als schnell vorbei. Weißt du, wie viele Veranstaltungen insgesamt verschoben werden mussten seit dem März 2020?
Unzählige. Gefühlt eine Million. Das Frühjahr und der Herbst sind unsere veranstaltungsstärksten Monate. Da war in 2020 jeweils ein Lockdown. Auch 2021 war unter den Auflagen kein normales Veranstalten möglich und viele Agenturen haben die Touren ihrer Künstler*innen auch abgesagt oder verschoben.
Manche Veranstaltung kann man einfach unter Corona-Auflagen nicht machen, manche nicht aus ökonomischen Gründen, andere wegen atmosphärischen Gesichtspunkten. Wieder andere hatten gesundheitliche Bedenken.
Die Situation war für alle Beteiligten schwierig. Aber was hat das für euch bedeutet? Atmosphärisch und wirtschaftlich?
Wir dürfen nicht mehr das machen, wofür wir eigentlich brennen: Ein (hoffentlich) nachhaltig wirkendes kulturelles Erlebnis zu veranstalten. Menschen zu berühren, sie zu begeistern, sie zum Staunen, zum Weinen, zum Lachen zu bringen mit unserem Programm.
Sie als Gäste in unserem Haus einfach willkommen zu heißen, ohne sie in Kategorien einteilen zu müssen und jede*n am Eingang in eine Einbahnstraße zu schleusen und penibel auf Abstände und Masken zu achten. Bitte nicht falsch verstehen, wir nehmen die Auflagen sehr ernst und sind am gesundheitlichen Wohlergehen aller in unserer Gesellschaft mehr als interessiert, aber aus Gastgebersicht, war das Veranstalten unter diesen Auflagen eine Qual. Natürlich hat uns das Ganze auch wirtschaftlich geschadet, aber wem in unserer Branche denn nicht?
Und was ist mit den Künstler*innen und dem Publikum? Bekommt ihr da was mit?
Auch für die Künstler*innen war das eine lange Durststrecke, die für viele auch zur existenziellen Bedrohung wurde. Viele staatliche Hilfen haben, grade für soloselbstständige Kulturschaffende, gar nicht, zu spät oder zu wenig gegriffen. Hier wurde viel zu spät erst nachgebessert.
Unser Publikum war einfach großartig. Wir haben so viel Rückendeckung und Solidarität erfahren. Das hat ganz oft, ganz viel geholfen, diese Pandemie durchzustehen.
Wie nimmst du die Szene in Oldenburg generell wahr? Gibt es immer noch Kampfgeist? Oder eher Frust?
Ich glaube schon, dass alle Kultur-schaffenden in den zwei Jahren Pandemie irgendwann der Frust gepackt hat. Den einen mehr, den anderen weniger.
Aber Kampfgeist und den Mut weiterzumachen, haben alle gehabt. Zumindest ist das mein Eindruck. Was alleine letzten Sommer auf die Beine gestellt wurde, war ein Feuerwerk der Kultur.
Es gab so viele neue Ideen und viele neue Formate, die das kulturelle Leben der Stadt bereichert haben. Hier sei nur als Beispiel „Die Loge“, „Künstler von hier“ oder „Die Klappstuhltage“ genannt. Es gibt so viele tolle und inspirierende Kulturakteure in Oldenburg und ich hoffe, es bleibt auch nach der Pandemie so.
Und selber? Macht es noch Spaß?
So langsam kommt es wieder. Zwischendurch hat es mir keinen Spaß mehr gemacht.
Zum Abschluss etwas Positives: Woraus schöpfst du Hoffnung?
Das Prinzip Hoffnung funktioniert beim Menschen doch immer gut. Klar, ich denke, dass Menschen sich weiterhin treffen wollen, um etwas miteinander zu erleben. Wir sind soziale Wesen und wir wollen uns begegnen, miteinander in Kontakt kommen. Wo kann man das schöner als auf einer kulturellen Veranstaltung? Lauter Gleichgesinnte unter sich, die eine gute Zeit verbringen wollen. Das kommt wieder. Davon bin ich überzeugt.
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