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WIE GEHT'S DENN SO?

Kaum eine andere Frage hören wir so oft wie diese. Für viele ist sie längst eine Floskel, auf die eine ausführliche Antwort gar nicht erwartet wird. Aber was passiert eigentlich, wenn wir sie wieder ernst nehmen? Wenn wir sie mit aufrichtigem Interesse stellen und umfassend beantworten? Dann erhalten wir spannende Einblicke und neue Perspektiven, wie der Jugendkunstwettbewerb „How are you?“ zeigt.


Das Plakat zum Jugendkunstwettbewerb "How are you", der in Oldenburg läuft
Well designed: Das Plakat zum Wettbewerb (Grafik: Rahel Schmöger)

In den letzten beiden Jahren sind zwei Dinge passiert: Zum einen ging es den meisten von uns deutlich weniger gut, weil uns die Corona-Pandemie in unserem üblichen Leben arg eingeschränkt hat. Der Verlust an Möglichkeiten wog für viele am schwersten, vermittelte er doch das ungewohnte - und unbequeme - Gefühl des Eingesperrtseins. Hinzu gesellten sich Zweifel, Sorge, Ängste.


Gleichzeitig gab es viel weniger soziale Kontakte und damit auch weniger Interesse, Hinwendung und Empathie. Das begann schon mit der Begrüßung, die von einem herzlichen Ritual zu einer unbeholfenen Geste wurde. Faust, Ellenbogen, Fußgelenk - was gerade galt und was das Gegenüber präferierte, wurde zu einem ungelenken Ratespiel. Wenn es denn überhaupt zu Begegnungen kam. Das heißt: obwohl wir wegen der Ausnahme-Situiation mehr Zuspruch gebraucht hätten, wurde er immer weniger.


Was hat das mit uns gemacht? Welche Narben haben wir auf unserer Seele? Das wird vermutlich erst die Zeit zeigen. Aber jetzt ist ein guter Moment für eine Zwischenbilanz. Ein guter Moment, um einmal ganz bewusst zu fragen: Wie geht's denn so?

Eine überfällige Frage


Das tun nun das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte und die Oldenburgische Landschaft. Genauer gesagt: Aurelia Krüger (19) und Rahel Schmöger (18), die dort ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ Kultur) ableisten. Sie haben den Jugendkunstwettbewerb „How are you“ konzipiert und erhielten dabei die volle Unterstützung ihrer beiden Einsatzstellen.


Beim Wettbewerb wurde der Anlass zum Inhalt: Im Mittelpunkt steht die Frage, wie es den Jugendlichen mit der Pandemie geht. Was hat diese zweijährige Phase mit ihnen gemacht? Wie ging es ihnen währenddessen? Und wie geht es ihnen jetzt, wo das Schlimmste hinter uns zu liegen scheint? Die Bedürfnisse der Jugendlichen wurden während der Lockdowns allzu oft übersehen. Die Frage danach, wie es ihnen geht, war längst überfällig. Gut, dass sie nun endlich gestellt wird.


Bei den Antworten darauf dürften Emotionen eine große Rolle spielen. Sie können viele junge Menschen besser künstlerisch/kreativ ausdrücken als mit Worten. Genau das soll bei „How are you?“ passieren - und genau das könnte der richtige Ansatz zum richtigen Zeitpunkt sein. Wir haben uns mit Aurélie und Rahel darüber unterhalten, wie es zu dieser Idee kam und was die beiden FSJ-lerinnen sich davon versprechen.



 


Aurélie und Rahel, ihr habt „How are you“ erdacht und umgesetzt. Was gab den Anstoß für dieses Projekt? Gab es einen bestimmten Moment, in dem ihr festgestellt habt: unsere Generation ist besonders stark betroffen? Und das geht gerade etwas unter?


Aurélie: Alle Generationen sind in irgendeiner Weise stark betroffen. Jugendliche sind das Gegenteil von Stillstand. Sie befinden sich in einer Zeit voller ungeklärter Fragen, wie z.B. Wo gehöre ich hin? Wer bin ich? Was wünsche ich mir vom Leben? Welchen Berufsweg schlage ich ein? Solche Fragen lassen sich nicht zu Hause beantworten. Es ist wichtig, Neues zu erleben und sich mit anderen auszutauschen; auch um zu wissen, dass es anderen genauso geht.


Bild des Oldenburger Schlosses
Kennt jeder: Aurélies Arbeitsplatz, das Oldenburger Schloss (Bild: Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte)

Rahel: Wir möchten den Jugendlichen die Möglichkeit geben, sich auf andere Art und Weise mit dem Thema Corona auseinanderzusetzen und ihrem kreativen Kopf freien Lauf zulassen. Bei unserer Projektentwicklung stand zuerst fest, dass wir etwas für Jugendliche anbieten möchten, bevor wir uns für ein Thema entschieden haben. Da die Pandemie uns alle betrifft, können alle etwas dazu berichten. Es interessiert uns sehr, wie Gleichaltrige die Zeit wahrnehmen und wahrgenommen haben und ob es vielleicht unterschiedliche Erfahrungen gibt.

Wie habt ihr selbst die beiden letzten Jahre erlebt? Was hat euch dabei besonders gefehlt?


Rahel: Wenn ich so zurückblicke, fühlen sich die letzten zwei Jahre an, als wäre erst ein Jahr vergangen. Obwohl eigentlich so viel passiert ist und man sich immer wieder auf viele neue Dinge und Regeln einstellen musste, vergingen die beiden letzten Jahre für mich schneller als vorher. Ich weiß gar nicht, ob mir so direkt eigentlich etwas gefehlt hat. Ich habe die Zeit immer gut genutzt und habe das Glück, viele Geschwister zu haben, wodurch es nie langweilig wurde und ich immer soziale Kontakte hatte.


Aurélie: Mir hat die Spontanität sehr gefehlt. Ich musste genau überlegen, ob und wann ich mit wem Zeit verbringen kann und möchte. Andererseits habe ich intensiver Zeit mit besonders wichtigen Menschen verbracht und wir haben neue Wege gefunden, uns zu sehen oder zu sprechen, ohne einander zu gefährden. Zum Beispiel auf Spaziergängen und Radtouren oder durch Telefonate.

MITMACHEN?


Corona hat auch dein Leben verändert? Abschlussfeier, Clubbesuch, Urlaubsfahrt - alles fiel aus, nichts war los? Und du suchst nach einem guten Weg, all die Gefühle zu verarbeiten, die damit einhergingen und -gehen? Dann bist du hier richtig!


Wenn Du zwischen 14 und 21 Jahre alt bist, dann mach mit bei „How are you“! Drück deine Gedanken und Gefühle künstlerisch-kreativ aus. Dabei sind alle Kunstgattungen erlaubt: Fotografie, Skulpturen, Plastiken, Zeichnungen, Gemälde, Medienkunst usw. - Ganz wie du magst!


Reiche bis zu fünf Bilder deines Beitrags bis zum 27. Mai 2022 unter media@oldenburgische-landschaft.de ein. Im Anschluss wird eine Fachjury eine Auswahl treffen, die ab dem 2. Juli im Oldenburger Schloss ausgestellt wird. Der Hauptpreis ist zudem mit 200,00 Euro dotiert.


Alle weiteren Teilnahmebedingungen unter www.landesmuseum-ol.de


Das Anmeldeformular gibt es auch hier.


Euer Projekt hat sowohl künstlerische als auch inhaltliche Facetten. Auf was seid ihr am meisten gespannt?


Aurélie: Wir freuen uns jedes Mal darauf, die Kunstwerke anzusehen, wenn wir eine neue Einsendung erhalten haben! Mindestens genauso gespannt sind wir aber auch auf die Geschichte dahinter, auf die Gedanken, die sich die Künstler*innen dabei gemacht haben.


Rahel: Ich finde es super spannend zu sehen, welche verschiedenen Gefühle in dem Kunstwerk stecken und welche Erinnerungen die Künstler*innen damit verbinden. Mich interessiert, wie andere Menschen auf die Pandemie blicken und wie sie dies auf ihre ganz eigene Art und Weise ausdrücken.


Das Gebäude Gartenstraße 7 in Oldenburg
Ebenfalls altehrwürdig: Rahels Arbeitsplatz in der Gartenstraße (Bild: Oldenburgische Landschaft)

Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit? Und wie habt ihr es geschafft, dass dieses Projekt umgesetzt wurde?


Rahel: Alle FSJler*innen müssen am Ende ihres FSJ’s ein Projekt auf die Beine gestellt haben. Nach ein paar Überlegungen war für mich klar, dass ich auf jeden Fall gerne etwas machen möchte, wobei ich Menschen, besonders Kinder oder Jugendliche, einbinden kann. Als wir dann auf unserem ersten gemeinsamen Seminar alle zusammen über unsere Projekt-Ideen gesprochen haben, ist mir aufgefallen, dass Aurélie mit Ihrem Ansatz ungefähr in die gleiche Richtung denkt wie ich. Also habe ich sie angesprochen und gefragt, was sie von der Idee hält, gemeinsam ein größeres Projekt zu machen.


Aurélie: Während der ersten Seminarwoche haben alle FSJler*innen gemeinsam eine wirklich beeindruckende Kulturshow veranstaltet. Danach wollte ich anderen Jugendlichen unbedingt auch einen kreativen Raum schaffen. Unsere Einsatzstellen und die Sponsoren haben es uns ermöglicht, all unsere Ideen umzusetzen. Hinzu kommt, dass Rahel und ich uns während unserer Zusammenarbeit gut ergänzt und gegenseitig unterstützt haben.


 


Tiefgang statt Floskel


„How are you?“: Diese drei Worte sind hier keine Floskel, sie sind eine tiefgehende Frage, mit ehrlichem Interesse gestellt. Das Projekt zeigt, wie alle Beteiligten davon profitieren können, wenn junge Menschen ihre Lebensrealitäten selbst hinterfragen: Aurélie und Rahel hatten die Chance, an diesem Projekt zu wachsen. Ihre Zielgruppe freut sich über ein attraktives Format. Die Institutionen bekommen einen frischen Akzent. Und die Oldenburger Bevölkerung darf sich in der Ausstellung ein Bild davon machen, wie die Jugendlichen die Pandemie sehen.


Was diese Zeit mit ihnen gemacht hat? Welche Narben sie auf ihrer Seele haben? Das wird vermutlich erst die Zeit zeigen. Aber jetzt ist ein guter Moment für eine Zwischenbilanz. Ein guter Moment, um einmal ganz bewusst zu fragen: „Wie geht's denn so?“



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