In Südostasien sind sie allgegenwärtig: die kleinen, dreirädrigen Gefährte mit ihren knatternden Zweitakt-Motoren. Zusammen mit Millionen von Mopeds prägen die Tuk Tuks das Straßenbild in Bangkok und Phnom Penh, in Saigon und Jakarta. In Zentraleuropa sieht man sie dagegenselten. Doch das könnte sich nun ändern - ausgerechnet in Oldenburg.
Große Veränderungen beginnen häufig mit arglosen Fragen. Sie brechen komplexe Sachverhalte auf das Nötigste herunter und machen die Antworten damit einfacher. So war es in diesem Jahr auch beim Freizeitlärm-Kollektiv. Als Veranstalter kleinerer und größerer Kulturformate stand man oft - und immer öfter - vor derselben Frage: Geht das nicht einfacher?
Statt auf eine Antwort zu warten, entwickelte eine eigene Idee - die nun eine Brücke zwischen Südostasien und Nordwestdeutschland schlägt. Überraschenderweise eröffnet ausgerechnet ein Alltagsgefährt aus der Region zwischen Indien und den Philippinen genau jene Möglichkeiten, die man nun zwischen Ofen und Wüsting braucht.
EIN TUK TUK FÜR OLDENBURG
EINE CROWDFUNDING-KAMAPAGNE DES FREIZEITLÄRM E.V. AUF DER PLATTFORM „VIELE SCHAFFEN MEHR“
LAUFZEIT: 16. AUGUST - 14. NOVEMBER
Exotisch? Nein, praktisch!
Dreirädrige Gefährte gab es natürlich nicht nur in Fernost. In den Nachkriegsjahrzehnten fuhren solche Vehikel auch durch Oldenburg. Die Entwicklung ging danach aber in eine andere Richtung, die Fahrzeuge wurden hierzulande immer größer und breiter. In anderen Teilen der Welt schätzt man aber nach wie vor die hohe Flexibilität und die enorme Praktikabilität der Tuk Tuks. Und manchmal sind genau diese Eigenschaften auch hierzulande gefragt - zum Beispiel dann, wenn man komplexe Dinge einfach machen will.
„Als Verein sind wir auf vielen Veranstaltungen unterwegs, zum Beispiel beim CSD“, erzählt Gesine Geppert von Freizeitlärm. Irgendwann habe man sich die Frage gestellt, wie man Musik oder mündliche Beiträge moderat verstärken könnte, ohne eigens eine Anlage auf- und Wieder abbauen zu müssen. „Ein Tuk Tuk hat bietet mit seiner kleinen Ladefläche ideale Dimensionen, um eine kleine Anlage zu platzieren“, nennt Gesine einen entscheidenen Vorteil. Außerdem könnte es auch auf meisten Arealen mühelos rangieren, so dass es universell einsetzbar ist.
Beim Gedanken an ein Tuk Tuk ging es also nicht etwa darum, die Verkehrssituation asiatischer Metropolen nachzubilden. Das kann niemand und vermutlich will das auch niemand. Vielmehr standen praktische Erwägungen im Mittelpunkt: „Wie wollen ein kompaktes mobiles Fahrzeug mit Ladefläche, das nicht leicht umkippen kann“, bringt Gesine die Anforderungen auf dem Punkt. Und sie sind alle erfüllt.
Eines für alle
Wer beim Namen Freizeitlärm in Oldenburg an Techno denkt, liegt nicht falsch. Der Verein hat u.a. das Festival „Ein außergewöhnliches Ereignis“ auf dem Gelände des ehemaligen Klärwerks auf der Südseite der Hunte realisiert. Das Tuk Tuk ist aber keineswegs dieser Zielgruppe vorbehalten. Im Gegenteil: Die Nutzung ist betont offen und für ganz unterschiedliche Projekte offen stehen.
„Egal ob beim CSD oder der Mass, auf dem Schlossplatz oder dem Utkiek, ob privat oder gewerblich - das Tuktuk ist für alle da und macht das, was es am besten kann: Auffallen, kultig sein und eure Veranstaltungen bereichern. Klein und bunt, nicht gerade schnell, dafür aber laut und einzigartig! Denn klimafreundliche Entschleunigung muss nicht immer leise sein - Kunst und Kultur will schließlich gehört werden.“
„Das betrifft vor allem kleine Kulturveranstalter:innen und Künstler:innen ohne kommerzielles Interesse und ohne großes Budget“, präzisiert Gesine. Sie sollen in die Lage versetzt werden, kleine Events an bekannten oder ungewöhnlichen Orten durchzuführen, ohne erst einen großen Apparat in Gang setzen zu müssen. Un genau diese Projekte sind es, die sich viele Menschen in Oldenburg wünschen und die einen großen Reiz ausmachen.
Die Sache mit dem Kaufpreis
Es gab allerdings einen Haken an der Sache: Neue Tuk Tuks sind - anders als man vielleicht erwarten könnte - keineswegs Schnäppchen zu Spottpreisen. Die Angebote europäischer Hersteller oder Importeure überschreiten häufig die Zehntausend-Euro-Marke. Das ist nichts, was ein Verein aus Ehrenamtlichen nebenher stemmen könnte.
Deshalb hat der Freizeitlärm e.V. ein Crowd-Funding gestartet. Auf der genossen-schaftlichen Plattform „Viele schaffen mehr“ kann man das Projekt mit einem frei wählbaren Betrag unterstützen. Kommt die Mindest-Summe von 1.500,- Euro zusammen, wird sie von den Volks- und Raiffeisenbanken noch verdoppelt. Das heißt: Aus jedem Euro, den ihr spendet, werden am Ende zwei, eine sagenhafte Rendite von 100 Prozent!
Bis zum erreichen des Ziels ist das Tuk Tuk noch Zukunftsmusik. Das heißt: Die Realisierung hängt vom Erfolg der Kampagne ab. Zwar sah es einen Monat nach dem Start bereits gut aus, bei Erscheinen des Artikels waren bereits 1.370,- Euro zusammengekommen. Jedoch braucht es für den Kauf und die Ausstattung des Tuk Tuk eine höher Summe - Spenden sind deshalb weiterhin nötig und willkommen.
AUFFÄLLIGER NAME WAS IST EIGENTLICH FREIZEITLÄRM? Freizeitlärm entsteht durch Einrichtungen oder menschliche Aktivitäten in der Freizeit, also während der nicht erwerbsbezogenen Tätigkeit, unabhängig von der Tageszeit. Probleme mit Freizeitlärm können etwa durch den Einsatz von lauten Sportgeräten oder Musikanlagen in Erholungsgebieten oder Wohngebieten entstehen. Insbesondere Sportflieger, Motorbootfahrer, Sportschützen sowie andere als lärmerzeugend wahrgenommene Freizeitbeschäftigungen (zum Beispiel Musik machen oder abspielen) stoßen häufig auf Widerstand der unmittelbar betroffenen Wohnbevölkerung. Auch die Nachbarschaft zu Freibädern oder Spaßbädern, Tennisplätzen, Bolzplätzen, oder auch zu Diskotheken, Biergärten, Straßencafés, Skateboard-Pipes usw. löst Konflikte aus, die nicht selten von Verwaltungsgerichten gelöst werden müssen. Viele Bundesländer haben eine Freizeitlärmrichtlinie erlassen, die die maximal zulässige Lärmimmission regelt. Die Version für Niedersachen kannst du hier runterladen. Der Freizeitlärm e.V. möchte mit seiner Namensgebung darauf aufmerksam machen, dass dieser Lärm nicht nur störend sein. kann, sondern auch zum Lene dazugehört und seinen Reiz ausmacht. Denn wo immer Lärm entsteht, sind Menschen aktiv und haben eine gute Zeit. Es gilt also, gemeinsam einen gesunden Mittelweg zu finden zwischen dem Ermöglichen von Veranstaltungen und der Rücksichtnahme auf Anlieger:innen.
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Kein mobiler Technotempel
Wer nun befürchtet, dass dank des Tuk Tuk in Zukunft die ganze Nacht lang Technobässe durch Oldenburg wummern, kann sich entspannen. Erstens sind die Dimensionen der installierten Anlage so gering, dass sie zwar kleine Veranstaltungen beschallen, aber nicht ganze Stadtteile nachts wachhalten können. Und zweitens wird die Nutzer:innenvielfalt dafür sorgen, dass nicht nur laute Veranstaltungen realisiert werden. Und sowieso gilt ja: die Freizeitlärm-Richtlinie des Landes Niedersachsen.
Zudem wird das Tuk Tuk selbst im Flüstermodus unterwegs sein. Auch wenn das Knattern ihmseinen Namen gab, bleibt die Zeit auch für die Kleingefährte nicht stehen. Längst gibt es elektrische Varianten, die leise schnurren statt laut zu tuckern. Auch wenn es ihnen ein Stück ihres Charakters nimmt, war diese Entwicklung für Freizeitlärm nicht unbedeutend: „Wir würden gerne dazu beitragen, dass man Veranstaltungen in Zukunft klimaneutral durchführen kann“, betont Gesine. Ein Fahrzeug mit Verbrennermotor passe nicht dazu. „Deshalb würden wir ein Tuk Tuk mit Elektroantrieb anschaffen - auch wenn es nicht so schön klingt.“
Tausend gute Gründe
Viele Argumente sprechen also für ein Engagement. Mit dem Tuk Tuk könnte es vor allem für Unerfahrene deutlich einfacher werden, eine kulturelle Veranstaltung durchzuführen. Man bekäme die gesamte Veranstaltungstechnik „in one go“, also aus einer Hand. Das wiederum ist auch aus Konsument:innenperspektive interessant. Denn je einfacher die Durchführung mehr, desto mehr Veranstaltungen dürfte es geben.
Vor allem für die Subkultur ist das eine gute Nachricht. Zwischen den etablierten Größen im Kultursektor könnten neue Akteur:innen und Gruppen erste Gehversuche wagen. Dadurch würde die Oldenburger Kulturlandschaft dichter, bunter und jünger. Wir wollen nicht so weit gehen, ein Fahrzeug als Verjüngungskur zu glorifizieren. Das ist es nicht. Jedoch darf man es als Möglichmacher bewerten - und das wiederum setzt vieles in Gang, von die Stadt dauerhaft profitieren würde. Die Antwort auf die arglose Frage, wie es bei kleinen Kulturveranstaltungen einfacher gehen könnte, ist also ganz klar: Mit einem Tuk Tuk für Oldenburg!
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