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LAUTER BLOCKBUSTER

Schaut ihr euch hin und wieder einen Trailer an? Klar, jeder tut das. In kompakter Form verraten sie Grundzüge der Storyline, lassen aber genug offen, um Spannung und Vorfreude steigen zu lassen. Was ihr vielleicht nicht wisst: Was man aus Kino und TV kennt, funktioniert auch mit einem Bühnenprogramm. Das Oldenburgische Staatstheater hat am 2. Juni das Programm für die kommende Spielzeit vorgestellt - und dabei eine Art Trailershow mitgeliefert. Der Effekt ist ebenfalls derselbe: Spannung und Vorfreude!


Das Leitungsteam des Oldenburgischen Staatstheaters
Gute Stimmung: Kein Wunder, angesichts eines attraktiven Spielplans für die Saison 2022/23 (Foto: Stephan Walzl)

Es ist eine spezielle Konstellation an diesem frühsommerlichen Donnerstagmittag im Hauptfoyer des Staatstheaters. Draußen müht sich die Sonne, die morgendliche Kälte zu vertreiben, drinnen strahlen die Gesichter umso wärmer: Dem bestens aufgelegten Generalintendanten Christian Firmbach ist die große Lust auf die kommende Spielzeit ebenso anzumerken wie den Spartenleiter:innen, die neben ihm auf dem Podium sitzen. Die Laune ist gut, die Spannung steigt.



Keine Kompromisse


Es gibt gleich mehrere gute Gründe für die entspannte Stimmung. Zum einen natürlich das ambitionierte Programm, das hier im Mittelpunkt stehen wird. Firmbach und sein Team beschreiben es mit Begeisterung, begleitet von zwei Screens, die Plakatentwürfe zu den Programmpunkten zeigen. Das wirkt im Zusammenspiel - genau! - wie eine Trailershow.


Zum anderen sorgt aber auch die Ausgangslage für Entspannung: Zum ersten Mal seit zwei Jahren herrscht eine weitgehend ungetrübte Aufbruchstimmung im Hause. Musste man die Programme für die Spielzeiten 20/21 und 21/22 noch mit angezogener Handbremse planen und für alle (un-)denkbaren Eventualitäten gewappnet sein, kann man nun halbwegs optimistisch sein. Zwar war Firmbachs Feststellung, die Pandemie sei nun offiziell beendet, eine bewusst pointierte Übertreibung. Alle Akteure sind sich bewusst, dass dem nicht so ist. Jedoch schöpfen sie erstmals seit langem wieder Mut und Hoffnung. Und das tun wir mit ihnen.


Inhaltlich ist man dabei nicht der Versuchung erlegen, ein beschwingtes Programm allergrößter Leichtigkeit zu kreieren. Nach all den Frustrationen und Strapazen der Corona-Jahre wäre das nur verständlich gewesen. Mit den Ansprüchen des Staatstheaters ist dieser Gedanke allerdings unvereinbar. Beziehungsweise: mit den Anliegen. Spürbar wird bei Firmbachs Erläuterungen ein ums andere Mal, dass es ein großes Bedürfnis aller Beteiligten ist, die großen Themen dieser Welt zu beleuchten. Genau das wird auch in der kommenden Spielzeit passieren.


Das gute Stück: Das Spielzeitheft für die Saison 22/23 (Bilder: Oldenburgisches Staatstheater)


Es gibt kein großes Motto oder Leitmotiv, stellt der Generalintendant fest, aber dennoch hat sich eine politische Haltung herauskristallisiert. Kein Wunder: Das vergangene Jahr hat unsere Gesellschaft stark gefordert: Die Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen, demokratische Grundwerte sind weiter unter Druck geraten, die Auswirkungen des Klimawandels wurden in Deutschland zunehmend spürbar und der Krieg in der Ukraine hat in Europa zur größten Fluchtbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg geführt. Das alles findet - auf die eine oder andere Weise - Widerhall im Spielplan, ebenso wie die 90-jährige Wiederkehr der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933.



Endlich wieder!


Wie besonders die kommende Spielzeit für den Generalintendanten und sein Haus ist, zeigt sich auch an einer sprachlichen Auffälligkeit. Ein Wort hört man an diesem Tag nämlich deutlich häufiger als alle anderen: „Wieder“. Nach einer langen Durststrecke kehren viele beliebte und bedeutende Elemente zurück in das Programm und mit ihnen die lang vermisste Leichtigkeit im eigenen Schaffen. Und das ist mehr als nur eine Formalie, das ist die Luft, die Kunst zum Atmen braucht.


Mehr Nähe: Viele Angebote bringen Theater und Publikum enger zusammen (Bild: Oldenburgisches Staatstheater)

Dass zum Start der Spielzeit die Säle sofort wieder rappelvoll sein werden, glaubt Firmbach indes nicht. „Da ist zweifellos etwas gerissen“, ist er sich mit Blick auf die Bindung zwischen Theater und Publikum bewusst. Viele ehemalige Stammgäste kehren erst zögerlich wieder zurück. Aber: sie kehren zurück. „Das ist vergleichbar mit manchen Vorstellungen“, stellt der Generalintendant fest. „Da haben zunächst alle noch ihre Masken auf. Im Laufe des Stücks fallen sie aber nach und nach, es kommt ein Gefühl der Befreiung auf.“ Das heißt: Gelingt erstmal der "Wiedereinstieg" in den Kulturgenuss, dann stellt sich auch schnell wieder die Freude ein, die wir vor der Pandemie empfunden haben. Die Situation ist also definitiv anders und wird es vorerst bleiben. Eine mittelfristige Rückkehr in die Welt von 2019 erscheint aber zumindest nicht ausgeschlossen.


Große Hoffnungen ruhen dabei auf den Abonnements, die in der kommenden Spielzeit wieder das Rückgrat der Nachfrage bilden sollen. Durch sie entstehe auch wieder ein „Grundrauschen“ in der Stadt, so Firmbach, es werde wieder mehr über die Stücke gesporchen. Klar sei aber, dass man weiterhin um das Publikum werben müsse. Deshalb werden zahlreiche „extracurriculare“ Aktivitäten bleiben - zum Beispiel die beliebte Theaterinsel, der Tanz im Glashaus und die Blicke hinter der Kulissen. Einige Stränge des Fadens zwischen Theater und Publikum mögen gerissen sein. Möglicherweise sind beide in der Folge aber stärker verknüpft als zuvor. Dazu passt, dass die Ensembles in den Proben bereits vor Spielfreude sprühen. „Insbesondere das Orchester übertrifft sich bereits selbst“, ist Christian Firmbach begeistert. Gelingt es, diesen Spirit über den Sommer zum retten, erwartet die Oldenburger:innen ein echtes Glanzstück.



Plakative Trailer-Show


Und worauf darf man nun gespannt sein? Zurückhaltend ausgedrückt: auf so einiges. In jeder Sparte gibt es gleiche mehrere herausragende Programmpunkte, so dass man leicht in Versuchung gerät, gleich das gesamte Spielheft abzubilden. Aber Halt, das kann sich jeder im Theaterfoyer abholen oder online lesen. An dieser Stelle deshalb nur ein Experiment: eine Trailer-Show nur anhand der Plakate und der Titel. Mal sehen, was euch triggert - Schauspiel oder Oper? Jugendtheater oder Ballett? Niederdeutsch oder Sparte 7? Lasst euch darauf ein, bleibt neugierig!


Trailer-Show: Allein die Plakate machen schon neugierig - selbst wenn man gar nicht weiß, worum es geht. (Bilder: Oldenburgisches Staatstheater)



Darüber hinaus


Das Staatstheater wäre nicht das Staatstheater, wenn es sich auf das reguläre Programm beschränken würde - auch wenn das bereits mehr wäre, als die größten Theaterenthusaist*innen konsumieren könnten. Aber wie immer gilt der Satz: Da ist noch mehr.


Auch in diesem Bereich gibt es „Rückkehrer“. Zum Beispiel die Tanztage, die 2021 ausgefallen waren und 2022 nicht nachgeholt wurden. Das Programm von vor zwei Jahren konnte im Großen und Ganzen in die Gegenwart übertragen werden, was in der schnelllebigen Tanzszene an ein kleines Wunder grenzt; vor allem in Zeiten der Pandemie. Umso mehr dürften sich die Oldenburger:innen auf die ersten Tanztage seit 2019 freuen. Ebenfalls zurückkehren werden die Jugendtheatertage und der Opernball.


Etwas ganz Neues gibt es aber auch: den Technical Ballroom, das Theater der Digital Natives. Dieses aufregende neue Format wird in der Exerzierhalle beheimatet sein und dort digitale und analoge Elemente miteinander verschmelzen (und versöhnen?). Dabei wird es um die Chancen, aber auch um die Risiken der Digitalität gehen


Das digitale High-Tech-Bühnenbild wandelt je nach Projekt seine Gestalt und Funktion, die Möglichkeiten von Big Data, Gamification und KI werden integriert, das Publikum wird über Pads und Apps interaktiv eingebunden. Das klingt spannend, ist für euch aber noch nicht konkret genug? Macht nichts, wir werden das Projekt demnächst ausführlich auf dem Kulturschnack vorstellen.


Ein guter Trailer, so haben wir es Eingang bereits erwähnt, verrät die Grundzüge einer Storyline, lässt aber genug offen, um Spannung und Vorfreude steigen zu lassen. Genau das ist es, was bei der Programmvorstellung im Foyer des Staatstheaters passiert ist. Nichts gegen Netflix, Prime und Apple+. Ab dem 25. August sollte man das Binge-Watching aber lieber in die reale Welt verlegen. Denn auch dort gibt es lauter Blockbuster.




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