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MEHR ALS GENUG?

Im Grunde ist es das banalste Prinzip der Welt: Der Mensch muss essen, um zu leben. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn was wir essen, wie viel davon und auf welche Weise wir es produzieren, wirft allerhand ethische, moralische und gesundheitliche Fragen auf. Wie man Antworten darauf findet? Am besten mit Kreativität, wie die Oldenburger Kunstschule mit ihrer neuen Ausstellung „ÜberSatt - Mehr als genug?“ im CORE zeigt.


Auffällig und relevant: Die Bandbreite der Exponate ist enorm, eine starke Botschaft haben sie aber alle. (Bild: Kulturschnack)

Man muss erstmal umdenken. Zu den Ausstellungen der Kunstschule ging es normalerweise immer geradewegs in die Kulturhalle am Pferdemarkt. Dieses Mal ist der Weg ein anderer und führt uns in die Heiligengeiststraße. Das Kunst-Schul-Projekt 2023 „ÜberSatt“ für 8- bis 14-Jährige ist nämlich im Coworking-Space CORE zu sehen. Und es ist zu hoffen, dass dieser neue Standort für noch mehr Laufpublikum sorgt - schließlich geht es bei der Ausstellung um eines der größten Themen unserer Zeit.


Kurzer Praxischeck: Was tun wir morgens? Frühstücken. Mittags? Lunchen. Abends? Dinieren. Dazwischen? Snacken. Wie auch immer man es nennt, Essen prägt unseren Alltag wie nichts sonst. Kein Wunder dass wir alle uns hin und wieder Gedanken darüber machen: Was esse ich? Ist das gesund? Macht das dick? Wie wurde es produziert? Doch obwohl uns die Bedeutung dieser Fragen bewusst ist, finden wir selten eine Antwort. In der Praxis siegen Einfachheit und Geschmack häufig über Qualität und Nachhaltigkeit. Wie kann man das nur ändern? Wie kann man besser essen?


 

OLDENBURGER KUNSTSCHULE


KUNST.SCHUL.PROJEKT 2023:

„ÜBERSATT - MEHR ALS GENUG?“


25. APRIL BIS 6. MAI 2023 DIENSTAG-SAMSTAG, 12 - 18 UHR

26122 OLDENBURG

 


Störgefühl im Kopf


Es gibt einen Begriff dafür, sich wider besseren Wissens falsch zu verhalten: Kognitive Dissonanz. Sie hinterlässt ein Störgefühl in uns, weil uns eigentlich klar ist, dass unsere Ernährung alles andere als optimal ist. Wir essen ungesund, unbewusst und übermäßig - und bei der Herstellung unserer Lebensmittel sieht es noch schlechter aus. Trotzdem bewegen wir uns auf unseren gewohnten Pfaden und tun uns schwer, etwas zu verändern. Erinnert uns das nicht an was? Ach ja: den Klimawandel.


Was nehmen wir ins uns auf? Die lebensgroßen Figuren geben unerfreuliche Antworten. (Bild: Kulturschnack)

Umso wichtiger ist es, eine bewusste, intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Ernährung anzustoßen. Genau das tut die Oldenburger Kunstschule in Kooperation mit dem Ernährungsrat Oldenburg. Sie haben in den beteiligten Schulen für eine vielfältige Beschäftigung mit Lebensmitteln gesorgt. Die Kombination aus Küchenwissen, Kochkursen und Kunstprojekt war eine multisensorische Erfahrung, die das Gelernte sehr viel tiefer verankert als jeder Frontalunterricht - und somit vielleicht auch Veränderungen anstößt.



Kunst als Katalysator


Die Kunstschule setzt also nicht erst in dem Moment an, wo die Kunst entsteht, also bei den Handfertigkeiten, sondern viel früher. Sie sensibilisiert für gesellschaftliche relevante Themen und eröffnet die Möglichkeit, sie mit den Mitteln der Kunst zu interpretieren. Man kann die Bedeutung dieses Ansatzes gar nicht oft und stark genug betonen.


Darüber hinaus gibt es einen weiteren spannenden Effekt: Die Schüler:innen arbeiten mit echten Künstler:innen zusammen. Sie sehen, wie sie denken und arbeiten. Sie erleben, wie Kreativität und Kunst neue Wege der Wahrnehmung und der Verarbeitung eröffnen. Das ist nicht nur interessant, es öffnet auch die Denkhorizonte - und das ist ein weiterer Effekt, der nicht zu unterschätzen ist.


Gut besucht: Bürgermeisterin Christine Wolff (Mitte links) und Kunstschulleiterin Deliane Rohlfs (rechts) eröffneten die Ausstellung. Krankheitsbedingt fehlte die Projektkoordinatorin Annekathrin Scheer. (Bild: Kulturschnack)

Vielfältige Umsetzung


Wer mit etwas Muße durch die Ausstellung in der CORE Mall wandert, kann sehr viel entdecken. Allein die Zahl der unterschiedlichen Herangehensweisen ist enorm. Malerei, Collage, Plastik, Text - alles dabei. Auffällig ist auch die intensive Farbgebung: Vieles leuchtet und glänzt. Das liegt zum einen daran, dass Verpackungsmertialien verarbeitet wurden, die darauf ausgelegt sind, unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen. Das hat zum anderen aber auch damit zu tun, dass ein gewisser Überschwang zu spüren ist. Wenn man jemals einer Ausstellung den Enthusiasmus bei ihrer Entstehung angemerkt hat, dann dieser!


„Es ist eine total gelungene Ausstellung, unglaublich eindrucksvoll, nicht nur durch die Kreativität, sondern auch durch die Botschaft! Großes Lob an die Kunstschule, die Kinder mit Künstler:innen zusammenbringt und es ihnen ermöglicht, das Beste aus sich herauszuholen.“ Christine Wolff, Bürgermeisterin

Das passt zu Eindrücken von der Eröffnung. Neben der erwartbaren, aber wunderbar authentischen Freude der Bürgermeisterin äußerten sich nämlich auch etliche Jugendliche zu ihrem Werk. In kurzen Zwiegesprächen bekam man mit, wie sie sich bei den Künstler:innen für die Zusammenarbeit bedankten. Sehr artig, vor allem aber spürbar aufrichtig.


PODCAST: OLDENBURGER KUNSTSCHULE


Die aktuelle Ausstellung ist das jüngste Beispiel für die Qualitäten der Oldenburger Kunstschule. Es gibt aber noch sehr viel mehr darüber zu berichten, was sie bewegt, was sie tut und wie sie es tut. Deshalb haben wir uns im letzten Herbst ausführlich mit (vlnr) Annekathrin, Deliane und Georg unterhalten. Was sie zu sagen hatten? Das hört ihr direkt hier oder auf einer Streaming-Plattform eurer Wahl!


Ihr interessiert euch für weitere Podcasts aus dem Herzen der Oldenburger Kulturszene? Dann bitte hier entlang!


Pflichttermin für Kunstkenner?


Ist in der Ausstellung nun der nächste Superstar der Kunstszene zu sehen? Könnte eines der Werke demnächst in Nationalgalerie, Louvre oder MoMA hängen? Ohne allzu pessimistisch zu sein, gehen wir nicht davon aus. Aber darum geht es auch nicht. Gut erkennbar ist nämlich vielmehr, wie sehr die Schüler:innen die Kunst als Form der Auseinandersetzung verinnerlicht haben - und welch eindrucksvoll die Ergebnisse sein können. Es geht dabei nämlich nicht allein um die künstlerischen Fähigkeiten, sondern auch um Wahrnehmungen oder Assoziationen. Und von ihnen findet man reichlich.


Aufgetischt: Unser Umgang mit Lebensmitteln wurde auf sehr unterschiedliche Weise thematisiert. (Bild: Kulturschnack)

Interessant ist das wohlgemerkt nicht nur für die Eltern der beteiligten Kinder. Man muss nicht verwandt sein, um das Schöne in den Werken zu sehen. Und sowieso: Was gibt es Schöneres, als Kinder und Jugendliche dabei zu beobachten - und sei es nur im Ergebnis - wie sie sich mit großen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen? Wie sie sich eine Meinung bilden und eine Haltung entwicklen? Und sie künstlerisch inszenieren und kommunizieren? Davon haben wir keineswegs „mehr als genug“, denn davon kann es niemals genug geben. Und deshalb dürfen wir allen Beteiligten - von der Kunstschule und dem Ernährungsrat über die Künstler:innen bis zu den Kollegien und vor allem den Kindern - dankbar dafür sein, dass sie diese Impulse geben.



Niemals genug


Sind wir „übersatt“? Haben wir längst „mehr als genug“ Das Kunst.Schul.Projekt 2023 visualisiert die mutigen, kreativen Antworten junger Menschen auf diese Fragen. Nimmt man dies zum Maßstab, dürfen wir Hoffnung schöpfen, dass zumindest jüngere Generationen das Offensichtliche nicht mehr länger ignorieren. Deshalb sei auch allen anderen, vor allem den Erwachsenen, ans Herz gelegt, den Weg ins CORE zu gehen, sich inspirieren zu lassen und vielleicht etwas bewusster einzukaufen und zu essen.


Gute Stimmung: Kulturschnacker Thorsten im Gespräch mit Deliane Rohlfs (Bild: Oldb. Kunstschule)

Das Leitmotiv der Ausstellung lässt sich jedenfalls zweiteilen: Was die Lebensmittel betrifft, sind wir tatsächlich "ÜberSatt“. Doch was die inhaltliche Arbeit der Kunstschule und solche Ausstellungen betrifft, lautet das Urteil anders. Von ihnen können wir gar nicht genug kriegen, an den Ergebnissen können wir uns kaum sattsehen. In diesem Sinne: Wohl bekomm's!

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