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FILME IN FUTUR

Ach herrje, jetzt kommt der Kulturschnack mit Grammatik um die Ecke! Aber keine Sorge: Wir holen keinen Deutschunterricht nach, wir kümmern uns nur um die Zukunft - weil sich Filme um die Zukunft kümmern. Genauer gesagt: Die Reihe „Alles Utopie? - Films for Future" im Casablanca Kino. Was das ist und worum es geht? Das erzählen die beiden Köpfe hinter dem Projekt: Doris Janßen und Pia Schäfer.



Wo geht's lang? Für die Zukunft braucht es Visionen - wie etwa jene, die Architekt LeCorbusier für das indische Chandigarh hatte. (Bild: Karin Bucher, Thomas Karrer)

Warum geht man ins Kino? Na klar: Wegen der Unterhaltung! Einfach mal zwei Stunden den Kopf abschalten und sich von Transformers, Avengers oder Minions frontal bespaßen lassen. Klar, hin und wieder wird's richtig schön kitschig, mit Pathos und Bombast. Und manchmal werden große Weisheiten in bestechend einfache Sätze verpackt. Aber: im Mittelpunkt steht ganz klar das Entertainment.


Oder gibt es auch andere Gründe? Kann man tatsächlich auch ins Kino gehen, um etwas anderes zu sehen als Superstars und Special Effects? Zum Beispiel: Filme erleben, die einen Unterschied ausmachen, die uns bewegen und vielleicht sogar verändern? Aber ja doch! Und solche Filme findet man in Oldenburg unter anderem montagabends im Casablanca.


 

CASABLANCA KINO &

ÖKUMENISCHES ZENTRUM OLDENBURG


ALLES UTOPIE? - FILMS FOR FUTURE


29. JANUAR: TOTAL TRUST

26. FEBRUAR: HOLY SHIT

18. MÄRZ: FEMINISM WTF

22. APRIL: KRAFT DER UTOPIE


BEGINN: 18.30 UHR FLYER


CASABLANCA KINO

26121 OLDENBURG


 

Fügung for Future

Manchmal fügen sich die Dinge. So war es zumindest, als vor sechs Jahren im Ökumenischen Zentrum die Planungen für eine Filmreihe mit Zukunftsthemen begannen, Denn gleichzeitig entwickelten sich die Fridays for Future-Demonstrationen zu einer weltumspannenden Bewegung. Plötzlich schien es normal zu sein, sich Gedanken über die planetare Zukunft zu machen, seine Bedürfnisse und Befürchtungen zu artikulieren und sich dafür einzusetzen.

„Unsere Filmreihe greift diese Bewegung auf“, bestätigt Doris Janßen vom Casablanca Kino, die zusammen mit Pia Schäfer vom ÖZO das Konzept entwickelte. „Daher auch der Untertitel Films for Future“. Die Reihe weite das Thema aber noch aus, es gehe ganz allgemein um lebenswichtige Fragen:


„Wie sieht die Welt aus, in der wir in Zukunft leben werden? Wie soll sie aussehen? Und wie können wir Einfluss darauf nehmen, wie sie aussehen wird?“




Utopie? Oder Dystopie?


Für die Suche nach Antworten ist das Kino genau der richtige Ort. Im Vergleich zu großen Demos sind Filme zwar weniger massenwirksam. Im Kleinen bewirken sie jedoch viel - weil sie uns informieren, sensibilisieren und emotionalisieren.


Diese Möglichkeiten des Films kennt man im Casablanca Kino natürlich längst. Als Programmkino mit inhaltlichen Schwerpunktsetzungen hat es sich bundesweit einen Namen gemacht. Eine Reihe zu unserer gemeinsamen Zukunft in all ihren Facetten gab es jedoch noch nicht. In Kooperation mit dem ÖZO konnte man diese Lücke nun schließen und monatlich einen Film zu Themen zeigen, die uns alle auf unterschiedliche Weise betreffen. „Die Filme beschäftigen sich zum Beispiel mit der Klimapolitik und Klimagerechtigkeit“, zählt Pia auf, „mit der Verkehrspolitik, mit nachhaltiger Landwirtschaft und fairer Mode, mit sozialer Gerechtigkeit, mit Stadtplanung, Wohnen, Gentrifizierung und vielem mehr.“


„Alles Utopie?“ fragt der der Titel der Veranstaltung - nicht ohne Grund. Denn natürlich ist ein wesentlicher Antrieb des menschlichen Handelns, die Dinge zum Besseren zu verändern. Demnach sollte die Zukunft eine ideale Weiterentwicklung der Gegenwart sein, also eine Utopie. Schaut man sich jedoch die Ergebnisse unseres Tuns an - vor allem in der Summe - kommen berechtigte Zweifel daran auf, dass sich unsere Hoffnungen einlösen. Je genauer man hinschaut, desto dystopischer die Eindrücke.





Reality beats Fiction


Und dennoch - bzw. gerade deswegen - sollte man genau das tun: Hinschauen! Denn nur, wenn wir wissen, womit wir es zu tun haben, können wir auch die passenden Reaktionen finden. Und dieses Hinschauen - das übernehmen für uns immer wieder mutige Filmemacher:innen mit spannenden Dokumentationen. „Im 'normalen' Kinoprogramm gehen diese Filme häufig unter“, weiß Doris. „Im Rahmen einer solchen kuratierten Reihe bekommen sie die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.“


Die „Dokus“ haben sich zurecht aus dem Schattendasein des reinen Bildungsformats gelöst. Sie sind heute oft spannender als die Fiktion vom Reißbrett - nicht nur, weil sie eben echt sind, sondern auch, weil sie attraktiv, kreativ und unterhaltsam aufbereitet sind. Das zeigt nicht zuletzt auch die Tatsache, dass bei der Berlinale mit Sur l'Adamant von Nicolas Philibert und Dahomey von Mati Diop in den letzten beiden Jahren jeweils eine Dokumentation den Goldenen Bären für den besten Film abräumten. Ein Dank geht an dieser Stelle an alle Produzent:innen und Regisseuri:innen, die dahin gehen, wo es weh tut - und uns zeigen, wie die Welt wirklich tickt.


„Die Filme geben Denkanstöße und zeigen Handlungsspielräume, die wir nutzen müssen, um die Gesellschaft zukunftsfähig zu machen“, erläutert Doris weiter. Das rege zum Nachdenken und Handeln an, denn: „Viele Missstände oder Probleme, die in den Filmen thematisiert werden, haben wir noch gar nicht bzw. nur vage registriert - oder nehmen sie als gegeben hin.“




Wichtig ist es aber natürlich auch, den Filmen Sichtbarkeit zu verleihen. Und genau diese Funktion übernimmt „Alles Utopie?“. Zwar überlegt man als Kino immer wieder, wie man umsatzschwache Tageszeiten besser auslasten kann - und der Montagabend gilt sicher nicht als klassischer Kinomoment. Dennoch würde man vermuten, dass ein weiteres Screening made in Hollywood einfacher ist und mehr bringt. Dass stattdessen Dokumentarfilme laufen, die sich unserer Zukunft widmen - das ist ein Zeichen von Haltung.



Nah ran ans Thema


Und das ist noch nicht alles. Zum Format gehören nicht nur die Filme, sondern auch das Gespräch mit lokalen Expert:innen. Das heißt: Das Geschehen bleibt nicht fern und abstrakt, es kommt uns ganz nah - und berührt uns dadurch. So wird bei der Vorführung von „Holy Shit“ mit Volker Bruns ein Fachmann vom Oldenburg-Ostfriesischen Wasserverband vor Ort sein und beim Screening von „Feminism WTF“ Renate Vossler vom Gleichstellungsbüro der Stadt Oldenburg. Dieser roter Faden entpuppt sich als starker Handlungsstrang.


„Gemeinsam sprechen wir über das Filmthema und – das ist uns besonders wichtig – darüber, was wir selber tun können“, erklärt Pia den Ansatz. Es werde thematisiert, welche Initiativen es in Oldenburg gebe und wo Engagement möglich und vielleicht auch nötig sei.


„Wir finden es außerordentlich wichtig, dass die Erkenntnisse aus dem Film, die Gedanken und Fragen die die Filme aufwerfen, im Kinosaal angesprochen werden können - und dass wir damit zum Handeln anregen können.“




Eine kluge Entscheidung war dabei die frühe Startzeit um 18.30 Uhr. Nicht nur ermöglicht sie für manche, nach der Arbeit was zu essen und direkt weiterzuziehen. Sie sorgt auch dafür, dass genug Zeit und Muße für das Gespräch nach dem Film bleibt. Und geben wir's ruhig zu: Montagabends um halb sieben haben wir sowieso nicht Besseres vor.



Die Zukunft? Leider gesichert!


Aber wie fühlt sich das alles nun an? Nun: Zwei Filme wurden von einem Verleih namens MIndjazz in die Kinos gebracht - und dieser Name beschreibt eigentlich ganz gut die Erfahrung. Die Sinne kommen in Bewegung und reagieren ziemlich frei auf das Gesehene. Die Gedanken kommen ins Rollen, mal in erstaunter Fassungslosigkeit, mal in ernster Betroffenheit, mal in euphorischer Faszination. Diese Gefühle sind in unseren Alltagen - zumindest in dieser Intensität - relativ rar. Hier steteh sie in Kontext zu Erfahrungen, Erkenntnissen, Horizonterweiterungen. Ein echter Gewinn!





Angst, dass der Reihe irgendwann die Themen ausgehen könnten, hat Doris Janßen nicht: „Es sieht ja leider nicht so aus, als müsse man sich um unsere Zukunft keine Sorgen machen“, stellt sie fest. Menschen und Filme, die sich mit gesellschaftlichen Gegenwartsbetrachtungen und Zukunftsfragen auseinandersetzen, werde es auch weiterhin geben - und damit auch starke Angebote für den montäglichen Feierabend.


Letztendlich geht es gar nicht darum, ob man sich Filme anschaut, weil man sich unterhalten lassen oder weil man sich tiefere Gedanken über etwas machen möchte. Im Idealfall geht nämlich beides wunderbar zusammen - wie die „Films for Future“ zeigen. Sie beschäftigen uns mit jenem Ort, an dem wir alle den Rest unseres Lebens verbringen - der Zukunft. Wir sollten Lust drauf haben, sie zu gestalten. Wenn man dafür so attraktiven Input bekommt wie hier, dann gibt es keine Ausreden mehr. Nichts wie hin da und abtauchen in den Mindjazz! Zumal eines gewiss ist: Mit Grammatik hat das alles nichts zu tun.

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