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EINFACH DREIFACH

Aus dem Nichts der Corona-Epidemie entstand im Jahre 2020 die „Einfach Kultur“-Konzertreihe und traf auf Anhieb den Nerv des kulturhungrigen Publikums. Dass das kleine Festival damals auf einem umfunktionierten Parkplatz im Bahnhofsviertel stattfand, passte perfekt in diese Zeit der optimistischen Improvisation. Nun geht „Einfach Kultur“ in die vierte Runde - wir werfen einen Blick auf das Alte und das Neue.


Einfach Kultur 2023 findet an drei Orten in Oldenburg statt
Aus eins mach drei: Einfach Kultur findet jetzt an drei Ortern statt. Vor- oder Nachteil? (Bilder: Kulturschnack)

Es gibt Musikfestivals, die an x-beliebigen Orten stattfinden, auf Auto- oder Motorrad-Rennstrecken zum Beispiel oder auf der grünen Wiese. Und es gibt andere, bei denen die Umgebung durchaus eine Rolle spielt. Dazu gehören u.a. das Watt en Schlick-Fest in Dangast, die Oldenbora in Nethen - oder das „Einfach Kultur“ in Oldenburg. So dachte man zumindest. Doch nun wurde der urbane Hinterhof im Bahnhofsviertel aufgegeben. Das Festival verteilt sich in diesem Jahr auf die Locations GleisPark, UmbauBar und Amadeus - die allesamt vom Kreis der Menschen betrieben werden, die auch für Einfach Kultur verantwortlich sind.


Für das spezielle Festivalgefühl ist diese Aufteilung sicher ein Nachteil, es gibt keinen eindeutigen Bezugspunkt mehr. Die Veranstaltung selbst macht sie aber flexibler: Man kann die Größe der Locations auf die Bekanntheit des Acts abstimmen, zudem ist man weniger wetterabhängig. Und außerdem gilt: lieber ein voller Saal als ein leeres Gelände. Noch wichtiger als der Ort ist aber sowieso das Line-Up. Dort setzt man auch in diesem Jahr auf die bekannte und bewährte Nische: Es kommen vorwiegend Künstler:innen „auf dem Sprung“ aus dem Proberaum ins Rampenlicht.


 

EINFACH KULTUR 2023


30. AUGUST BIS 9. SEPTEMBER 2023 (ZUSÄTZLICHE KONZERTE AM 13. UND 16. SEPTEMBER)



GLEISPARK


UMBAUBAR

 

Ständige Evolution


Die meisten Festivals entwickeln sich. Kaum eines startete so, wie es letztlich bekannt wurde - weil die ersten Schritte immer etwas unsicher sind. Will man musikalisch die volle Bandbreite? Oder doch lieber einen klaren Schwerpunkt? Und wenn ja, welcher soll es sein?


Das Einfach Kultur Festival Oldenburg
So war es früher; Corona-bedingt zwar auf Klappstühlen, aber eingebettet in einer urbane Hinterhofatmosphäre. (Bild: Einfach Kultur)

Auf diese Fragen scheint Einfach Kultur nun eine klarere Antnwort zu geben als bisher. Denn während es zu Beginn noch Ausflüge in musikalische Randbereiche wie Metalcore oder (Emo-)Punk gab, gleicht sich der Sound des Line-ups mehr an.


Anders ausgedrückt: Einfach Kultur bekommt eine Identität. Und das ist letztlich eine logische Entwicklung, schließlich definieren sich Festivals eben nicht in erster Linie über den Ort, sondern vor allem über die Musik. Für Einfach Kultur heißt das: Man bietet nicht mehr für alle etwas - für seine primäre Zielgruppe aber genau das Richtige. Diese Konzentration aufs Wesentliche ist für eine wirkungsvolle Markenbildung wesentlich. Schließlich versucht man auch nicht, beim Fonsstock die Amigos unterzubringen.




Die richtige Nische


Und was ist dieses "Wesentliche"? Was ist der Markenkern von Einfach Kultur? Man könnte sagen: der Soundtrack zum Leben der Mitt- bis Endzwanziger. Die Acts stammen im weiteren Sinne alle aus einem jungen Indie-/Pop-Kontext und changieren in ihrer Ausrichtung. Mal dominiert die leichte Akustikgitarre, mal der dicke Beat, mal die markante Stimme, mal die elektronische Spielerei. Gemeinsam haben aber alle eine hohe Zugänglichkeit, musikalische Extremsituationen werden vermieden. Die Gefahr, in einen Pogo oder Moshpit zu geraten, besteht also nicht.


Line-Up des Einfach Kultur Festivals in Oldenburg
Bekannte Namen: Zum Teil, weil die Acts erfolgreich sind - zum Teil, weil sie nach Oldenburg zurückkehren. (Bild: Kulturschnack)

Weniger hoch ist dagegen der allgemeine Bekanntheitsgrad. In ihrer Zielgruppe sorgen manche Acts für einen extrem beschleunigten Puls (z.B. Raum27, Il Civetto oder Blumengarten), gleichzeitig lassen sie andere Bevölkerungsgruppen relativ kalt. Doch erstens gehört das, wie oben beschrieben, zum Wesen einer Identitätsbildung. Und zweitens ist Einfach Kultur eben kein Hurricane. und Oldenburg keine Hansestadt. Hier hat man die Chance, junge Acts zu sehen, bevor sie ganz groß werden - nicht danach. Das kann man beklagen, das kann man aber auch positiv sehen: In dieser Nische liegen nämlich große Chancen für schlaues Booking und gutes Branding.


Wenn die Strategie aufgeht und die eine oder andere Band nach einem Auftritt bei „Einfach Kultur“ durch die Decke geht (und bei einigen sieht es danach aus), dann wird sich dieses kleine Festival noch stärker als guter Spot für junge Künstler:innen herumsprechen. Und das wäre was, von dem wir alle was hätten.


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EINFACH KULTUR

FAST EIN FESTIVAL

In diesem Text bezeichnen wir Einfach Kultur als ein Festival. Das ist streng genommen auch korrekt, denn Festivals werden definiert als „regelmäßig wiederkehrende, meist mehrere Tage oder Wochen dauernde Veranstaltungen mit Event-Charakter in den Bereichen Kunst, Literatur, Musik oder Theater.“


So war es früher: Einfach Kultur im Bahnhofsviertel. (Bild: Kolja Zinngrebe)

Trotzdem verbindet man mit diesem Begriff heutzutage noch mehr. Beim Stichwort Festival denken die meisten an mehrtägige Veranstaltungen ohne Unterbrechungen an einem Ort mit Übernachtungsmöglichkeiten und mit einem Ticket für die gesamte Veranstaltung. All diese Dinge bietet Einfach Kultur nicht (mehr). Da aber die Menge an Acts und der recht enge zeitliche Kontext sehr wohl an ein Festival erinnern, bleiben wir - ebenso wie die Veranstalter - bei dieser Bezeichnung.


Wer noch mehr über das Festival und seine Geschichte erfahren will, sollte auch unser Portrait aus dem letzten Jahr lesen: Eine Geschichte über Mut.


Vielfalt und Verlust


Klar: Es ist schade, dass der markante Ort im Bahnhofsviertel Geschichte ist; er hat das Festivalgefühl stark geprägt. Man wird abwarten müssen, wie sich „Einfach Kultur“ ohne einen eindeutigen optischen Identifikationspunkt anfühlt. Geblieben ist aber der Plan, „up and coming“ Bands zu verpflichten, bevor Oldenburg bei ihnen von der Landkarte verschwindet. Das heißt: Einfach Kultur ermöglicht auch dieses Jahr wieder Entdeckungen in den Grauzonen zwischen klein/unbekannt und groß/berühmt.


Der GleisPark in Oldenburg, ein Schauplatz von Einfach Kultur
Einer von dreien: Am GleisPark wird sicherlich am ehesten ein Festivalfeeling aufkommen. (Bild: Kulturschnack)

Unsere Empfehlung lautet deshalb: Hört euch durch die Playlist, lasst euch triggern von den Sounds. Sie sind der Kern des Festivals. An welchem Ort die Acts auftreten? Ist letztlich zweitrangig. Und immerhin: Auch nach den Veränderungen findet „Einfach Kultur“ eben nicht an einem x-beliebigen Ort auf der grünen Wiese statt, sondern in bekannten und beliebten Oldenburger Locations. Das ist: einfach dreifach!

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