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DONNERWETTER!

Das „Diskursgewitter“ ist ein Urgestein der Sparte 7 des Oldenburgischen Staatstheaters. Hier ist Raum für Inhalte, Meinungen und Haltungen sowie den intensiven Austausch darüber. Was das mit einem Unwetter zu tun hat? Nun ja: Auch hier kann es mal krachen. Womöglich sogar schon am 20. April? Es spricht was dafür, denn Max Czollek ist zu Gast!


Entspannt provokant? Max Czollek ist mehr als ein Agent Provocateur auf der Suche nach dem nächsten Streit. (Bild: Paula Winkler)

Max Czollek? Uns ist bewusst, dass nicht jeder diesen Namen kennt. Doch es werden immer mehr. Denn der Berliner Publizist und Lyriker (*1987) weiß zu pointieren und zu postulieren, immer wieder auch zu polemisieren und zu polarisieren. Mit seinen scharfen Beobachtungen, klugen Analysen und schonungslosen Schlussfolgerungen ist er ein Stammgast in den deutschen Feuilletons - und damit ist er auch eine Idealbesetzung für das „Diskursgewitter“.


Das wiederum hat natürlich nichts mit der Wettervorhersage zu tun. Vielmehr handelt es sich um das Talk-Format der Sparte 7. Sie ist das Zukunftslabor des Oldenburgischen Staatstheaters, reagiert auf aktuelle Strömungen, politische Ereignisse, gesellschaftliche Zustände, popkulturelle Hypes und holt gemeinsam mit Euch und den unterschiedlichen Partner:innen zum theatralischen Gegenschlag aus. Genau das passiert auch in diesem Fall - und um eines vorwegzunehmen: Das wird aufregend!


 

DISKURSGEWITTER

LESUNG

MAX CZOLLEK - VERSÖHNUNGSTHEATER


DONNERSTAG, 20. APRIL, 20 UHR (TICKETS)

26121 OLDENBURG

 

Finger in die Wunde

Der Name Max Czollek scheint dafür ein Garant zu sein. Schon darüber, ob er Jude sei oder nicht, gab es einen gehörigen öffentlichen Streit. Egal, ob in gedruckter oder in digitaler Form: Die Freude an seinen Beobachtungen, Interpretationen und Zuspitzungen ist dem aktiven Twitterer immer anzumerken. Er klinkt sich in aktuelle Debatten ein, positioniert sich, argumentiert fundiert. Und zwar in einer Sprache, die man nicht nur in Redaktionen und Hörsälen versteht, sondern auch (fast) überall sonst.

Buchcover von Max Czolleks Essay-Band „Versöhnungstheater“
Erschienen im Hanser-Verlag: Czolleks neuster Essay-Band (Bild: Hanser-Verlag)

Das alles ist noch kein Garant für Relevanz, Czollek aber unterfüttert seine Gedanken mit Wissen, Kenntnissen und (nicht immer untrüglichem) Gespür. Er ist in der Lage, zu aktuellen Debatten Neues, womöglich Wichtiges beizusteuern - oder selbige überhaupt erst anzustoßen, weil er als erster öffentlich den Finger in die Wunde legt. Das macht seine Kommentare nicht nur unterhaltsam, sondern sogar wertvoll - selbst wenn er bei manchen damit aneckt. Aber das gehört ja dazu, wenn man gesamtgesellschaftliche Konventionen hinterfragt.



Lange auf der Liste


„Wir fanden Max Czollek schon lange spannend und wollten ihn bereits früher einladen, als er sein zweites Buch veröffentlicht hat“, erklärt Gesine Geppert, Leiterin der Sparte 7. „Mit seinem neuen Werk passt er nun aber extrem gut in die Reihe, weil wir immer Denkanstöße geben wollen oder Themen vertiefen, die in unseren Stücken vorkommen.“


Dieses Prinzip trifft sogar gleich mehrfach zu. Zum einen hat das Staatstheater in dieser Spielzeit mit „Die Reise der Verlorenen“ und „Amsterdam“ das jüdische Leben gleich zweifach im Programm. Zum anderen wurde im November 2021 das Günther Goldschmidt-Foyer eingeweiht. Aber das ist noch nicht alles.


„Max Czollek setzt sich in seinem neuen Buch in einigen Abschnitten auch mit Theater auseinander“, berichtet Gesine. Und das biete weitere Diskussionsgrundlagen: „Für uns stellt sich auch die Frage. Welche Funktionen kann Theater haben? In welcher Form setzt es Geschichten um? Inwiefern ist es auch eine Form von Gedächtniskultur? Für wen spielen wir, wen erwarten wir im Publikum?“ Die Suche nach Antworten sei sehr spannend, weil diese Diskussion direkt an den Spielplan des Staatstheaters anknüpfe.


WER IST MAX CZOLLEK?


Autor Max Czollek, sitzend, die Hände gefaltet
Umtriebiges Multitalent: Max Czollek (Bild: Paula Winkler)

Max Czollek, geboren 1987, ist Autor und lebt in Berlin. Er ist Mitherausgeber des Magazins ,Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart‘ und war Mitinitiator des Desintegrations-Kongresses 2016 sowie der Radikalen Jüdischen Kulturtage 2017 am Maxim Gorki Theater.


Er hat drei Gedichtbände publiziert, seine vieldiskutierten Essays „Desintegriert euch!“ (2018), „Gegenwartsbewältigung“ (2020) und „Versöhnungstheater“ (2023) erschienen im Hanser Verlag. Im Frühjahr 2022 war Czollek zudem Kurator der Ausstellung „Rache. Geschichte und Fantasie“ am Jüdischen Museum Frankfurt, deren Begleitband ebenfalls im Hanser Verlag erschienen ist.


Der Furor des Feuilletons


Zuletzt macht Czollek ungewohnt Schlagzeilen. Nicht etwas, weil er ein Buch veröffentlichte oder weil er eine Auszeichnung erhielt, sondern vielmehr, weil ebendies nicht der Fall war. Nach einer Tirade seinerseits spürte er plötzlich den Furor des Feuilletons. Fühlt man sich in solchen Momenten in der Wahl des Gastes eigentlich bestätigt?

„Wir sind überzeugt von dem Buch und seinen Inhalten“ bezieht Gesine eine klare Position. Dass Werk und/oder Autor kontrovers diskutiert werden, dürfe bei Büchern mit provokanten Thesen so sein. „Ich nehme es im Übrigen gar nicht so wahr, dass er selbst in der Kritik steht, sondern dass er vielmehr Fehlstellen benennt und darauf hinweist, dass z.B. im Literaturbetrieb nicht immer über den Tellerrand geschaut wird.“ Czollek sei jemand, der die Dinge kritisch in den Blick nimmt - und dass seine Beobachtungen kritisch diskutiert würden, sei gut und richtig.


„Ich freue mich, dass er nach Oldenburg kommt und sein Buch hier vorstellt. Und bin gespannt, was das für uns in der Diskussion bedeutet und ob es vielleicht Momente geben wird, in denen wir unserer eigene Form des Denken reflektieren müssen. Damit stößt er auf eine gute Art und Weise an - denn dass dies nicht jedem gefällt, ist ja bekannt.


 

WEITERE „DISKURSGEWITTER“: FREITAG, 28. APRIL, 20 UHR, EXHALLE

FEMINISMUS, GAMING UND THEATERTECHNIK

TICKETS Finja Walsdorff und Rosa Wernecke betrachten Computerspiele und Theatertechnik aus feministischer Perspektive und arbeiten daran, diese Bereiche zu verändern.

DONNERSTAG, 4. MAI, 20 UHR, EXHALLE

AN|ENT|EIGNUNG ALS GEWALTVERHÄLTNIS


Kulturelle Aneignung ist in aller Munde. Doch wie können wir mit den Fragen um das Thema konstruktiv umgehen, die Debatte entemotionalisieren, die allzu oft aus weißer Perspektive emotional geführt wird?

 

Keine Schönwetterautor


Das „Diskursgewitter“ macht seinem Namen wieder einmal alle Ehre; und das schon bevor es überhaupt beginnt. Es geht um wichtige Themen, die polarisieren und emotionalisieren - eben weil sie eine hohe gesellschaftliche Bedeutung haben und nicht selten Veränderungen fordern. Letzteres hat noch immer für Gegenwind gesorgt. Dieser Umstand macht die Diskussion darüber aber umso wichtiger.


„Wir erhoffen uns einen spannenden und anregten Diskurs, der für die Stadt spannend ist, aber den wir letztlich auch für das Theater nutzen können, weil es um Erinnerungskultur geht“, blickt Gesine auf den Abend voraus. „Sie verhandeln wir auch auf der Bühne immer wieder, weil sie gesellschaftlich extrem relevante sind - und noch relevanter werden, weil die Zahl derer, die Krieg und Shoa selbst erlebt hat, immer weiter abnimmt.“


Max Czollek passt in diese Reihe wie ein fehlendes Puzzlestück. Mit seinen Büchern rüttelt er an unseren Wahrnehmungen und Gewohnheiten. Das ist zwar unbequem; und vielleicht fühlen sich manche sogar provoziert. Aber wo kämen wir hin, wenn es nur Schönwetterautor:innen gäbe, die einfach nur aufschreiben, was uns sowieso gefällt? Bringt man aber die Bereitschaft mit, seine Standpunkte zu hinterfragen und etwas dazuzulernen, dann sind Formate wie das „Diskursgewitter“ ein Fest für die Synapsen. Und dann heißt es am Ende: Donnerwetter! Was für'n Abend!


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