Punkrock? Liebt man oder hasst man. Doch auch, wenn man nicht mit den Sex Pistols oder Anti-Flag sozialisiert wurde, kann die Musik eine enorme Anziehungskraft ausüben, weil sie mitreißt wie kaum ein andere. Immer wieder schaffen es deshalb auch Bands aus dem Genres an die Spitze der Charts. Deshalb ist es eine tolle Sache, dass wir in Oldenburg mit dem “Updreihn“ ein kleines-feines Festival haben, dass Punk und Ska feiert. Und das auch noch: ziemlich erfolgreich.
Der Kulturschnack nähert sich unaufhaltsam dem zweihundertsten Artikel - und trotzdem gibt es noch Lücken im System. Korrigiert uns gerne, aber wir können uns nicht daran erinnern, dass Punk bei uns schon einmal Thema war. Und das, obwohl ungefähr fünfzig Prozent unseres Teams diese Musik seit dreißig Jahren lieben. Höchste Zeit also, sie endlich mal gebührend zu featuren.
Und das sogar - ziemlich unpunkig eigentlich - mit gutem Grund und solider Basis: In diesem November konnte erstmals seit drei Jahren wieder das Updreihn-Festival in der JFS Bürgerfelde stattfinden: ein sympathisches kleines Eintages-Festival, dass sich mit starken Line-ups und perfekter Organisation einen Namen in der Szene erspielt hat. Dafür musste es sich überhaupt nicht verbiegen, sondern durfte einfach so sein, wie es ist. Oder musste es das vielleicht sogar? Authentizität spielt im Punk eine deutlich größere Rolle als anderswo. Was sich echt und ehrlich anfühlt, hat bessere Chancen auf gute Resonanz als optimierte „Produkte“ für eine definierte „Zielgruppe“.
Das „Updreihn“-Team zeichnet sich genau dadurch aus: Durch eine unbemühte, sympathische, ehrlich Begeisterung. Hier gibt es kaum einen Unterscheid zwischen Fan und Veranstalter. Kein Wunder also, dass hier auch die Resonanz vom Publikum stimmt. Beziehungsweise: Mehr als das. Schon Anfang Oktober, einige Wochen vor dem Ereignis, meldete man: Sold Out! Alle 250 Tickets waren an die Frau oder den Mann gebracht und die Warteliste wuchs immer weiter. Da fragt man sich dann doch: Wie machen die das?
Anstatt zu mutmaßen, haben wir David Albrecht kontaktiert, einen der Köpfe hinter dem Festival. Und schnell war klar: Es geht hier natürlich um Musik und auch um Authentizität. Vor allem aber gibt es hier einen Spirit, der für alle spürbar ist. Die Menschen hinter dem Festival haben ganz einfach Bock - und sowas war schon immer ansteckend.
David, mit dem traditionellen Termin Anfang November hattet ihr es in den Corona-Jahren richtig schwer. Nach drei Jahren Pause hat jetzt aber endlich das vierte „Updreihn“-Festival stattgefunden. Wie war’s?
Super, voll, toll! Jedoch auch unglaublich anstrengend, da mehrere tausend Stunden Ehrenamt in Planung und Umsetzung gegangen sind und diese von verhältnismäßig wenigen Schultern getragen werden müssen. Im Angesicht der Unsicherheiten in Bezug auf die Coronapandemie, der anfänglich entsprechenden Zurückhaltung im Vorverkauf und der extremen Kostensteigerungen in vielen Bereichen war diese Ausgabe des Festivals schon sehr herausfordernd und finanziell für einen kleinen gemeinnützigen Verein wie den unseren nicht ohne Risiko.
Natürlich war es am Ende aber auch extrem schön in die verschwitzten und glücklichen Gesichter aller Beteiligten, der Bands und natürlich der Gäste zu blicken und zu wissen, dass wir da wieder etwas Feines, nun zum vierten Mal, auf die Beine gestellt haben.
Welche Band hat dich persönlich am meisten umgehauen?
Das ist natürlich immer sehr, sehr subjektiv und es kommt mit Sicherheit auch darauf an, welche Bands man vielleicht schon länger kennt und bereits häufiger gesehen hat und auf welche Bands man noch richtig neugierig ist.
Letztlich sind mein Favorit des Abends auf jeden Fall The Sensitives aus Falun in Schweden. Eine super nette und musikalisch extrem druckvolle Band mit aussagekräftigen Texten und abwechslungsreichen Songs. Die Reaktionen im Publikum waren entsprechend und alle hatten eine wirklich gute Show.
Leider ist deren Tourbus direkt vor unserer Location zusammengebrochen und musste für einen mittleren vierstelligen Betrag repariert werden (mehr dazu hier). Das war für die Band natürlich sehr bitter, aber sie hat es mit Fassung getragen und wir hatten im Anschluss an das Festival unverhofft einen schwedischen Mitbewohner für zehn Tage. Mittlerweile sind Band und Bus aber wieder heile in Schweden angekommen.
Letztlich hatten unserer Wahrnehmung nach alle Bands einen tollen Abend und haben super rausgehauen, ebenso waren die Rückmeldungen aller Musiker*innen durchweg positiv. Insofern eine rundum feine Sache.
Es ist ja so, wie wir oben geschrieben haben: Entweder liebt man Punkrock oder man hasst ihn. Das Festival dürften daher noch nicht alle kennen. Wie würdest du es für Außenstehende beschreiben?
So oder so ähnlich könnte man es zusammenfassen: „Das Updreihn-Festival ist eine kleine Festivalperle, die sich unter Fans und Musikern langsam zum musikalischen Geheimtipp im Nordwesten mausert. Ehrenamtlich und mit viel Liebe und Herz für die Sache organisiert, präsentiert es allerfeinste Musik und hat zudem die Förderung karitativer Einrichtungen und sozialer Projekte zum Ziel. Feinste Musik und gesellschaftlich Wichtiges zu verbinden steht beim Updreihn im Vordergrund.“
Es klingt ein wenig wie ein Werbetext, ist es auch, aber letztlich ist hier alles drin. Zwei Dutzend Menschen machen sich ein Jahr lang auf den Weg, um an einem Abend in Oldenburg in Sachen Punkrock und Co. etwas Besonderes auf die Beine zu stellen und das rein idealistisch und ohne auch nur irgendeinen Cent privat an der Sache verdienen zu wollen. Ich denke das Updreihn ist so etwas wie musikalischer Idealismus in Reinform.
In diesem Jahr wart ihr schon Wochen vor dem Termin am 5. November 2022 restlos ausverkauft. Das ist heutzutage alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Habt ihr damit gerechnet oder hat euch das selbst überrascht?
Jain, ist hier die richtige Antwort. Wir haben den Vorverkauf früh gestartet (schon im Februar, Anm. d. Red.) in der Hoffnung so den Termin in den Köpfen der potentiellen Gäste fest zu verankern. Das hat anfänglich auch ganz gut geklappt, ist dann aber irgendwann eingeschlafen und wir befanden uns in der gleichen Vorverkaufslethargie wie viele andere Veranstaltungen auch. Als dann aber die Bands selber ebenfalls Werbung gemacht haben und der Termin immer näher rückte ging es Schlag auf Schlag. Am Ende hätten wir das Festival vielleicht sogar zweimal ausverkaufen können, wer weiß.
Aber wir sind so erstmal sehr zufrieden damit, dass das Updreihn so gut ankommt und wir nicht wie viele andere Veranstalter finanziell komplett gebeutelt aus der Sache heraus kommen. Angesichts dessen, dass alles non-profit und gemeinnützig/ehrenamtlich abläuft, wäre das eine herbe Enttäuschung für uns gewesen.
Was denkst du, woran lag es? Am Lineup? Am Format? Oder ist Punk - wieder mal - die Musik der Stunde?
Musik der Stunde war Punkrock im weitesten Sinne ja schon immer, wenn man denn Punkrock mag. Im Gegensatz zur Popkultur hat man hier sicherlich eine etwas treuere Konzertgänger*innenschaft, dennoch hat man auch bei anderen Festivals gesehen, dass Punkrock alleine nicht ausreichend gezogen hat. Das Lineup war für den aufgerufenen Eintrittspreis (ab 25,- Euro, Anm. d. Red.) natürlich super und konnte finanziell nur so dargestellt werden, weil alle Aufgaben im Hintergrund, abgesehen von der technischen Umsetzung (wobei die auch in Teilen) ehrenamtlich abgelaufen sind.
Zudem denke ich, dass die Menschen, die das Festival besuchen, ein gutes Gespür dafür haben, mit wie viel Leidenschaft wir dabei sind und wie viel Schweiß und Zeit in dem Festival stecken.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass alle im Verein unglaublich penetrant darin sein können, im eigenen sozialen Umfeld die Werbetrommel zu rühren. Naja und als Werbeprojektionsobjekt hat man dann nach Wochen oder Monaten vielleicht auch einfach keine Lust mehr auf die ständige Berieselung und kauft sich ein Ticket, um wieder seine Ruhe zu haben… Natürlich waren alle Gäste aus freien Stücken anwesend, nicht, dass das hier jetzt falsch rüber kommt! (lacht)
Wenn man ausverkauft ist und noch so viele weitere Tickets hätte verkaufen können, stellen sich natürlich bestimmte Fragen: Bleibt ihr bei eurem Erfolgsrezept? Oder geht es jetzt auf die Suche nach größeren Locations?
Eine Frage, die wir ohne die Corona-Pause in 2020 und 2021 vielleicht schon längst in Richtung größerer Location beantwortet hätten, nur um im Hier und Jetzt nach dem Updreihn 2022 festzustellen, dass wir diesen Weg so nicht hätten stemmen können. Es ist immer eine Verlockung etwas größer zu werden, da letztlich der Mehraufwand nicht über die Maße groß ist. Die meisten Planungsschritte eines größeren Festivals müssen wir schon jetzt einhalten, die reine Besucher*innenzahl nach oben zu öffnen, wäre in erster Linie mit logistischem und rechtlichem Aufwand verbunden.
Wir sind jedoch ein gemeinnütziger kleiner Verein mit etwas über zwei Dutzend Mitgliedern. Niemand bei uns arbeitet aktuell in der Veranstaltungsbranche, vielmehr haben alle ihre eigentlichen Jobs und Aufgaben im normalen Alltag.
Da dann pro Person bis zu 600 Ehrenamtsstunden im Jahr oben drauf zu satteln, zusätzlich zu weiteren Verpflichtungen wie Kindern, Hobbies, in unserem Fall oftmals Fußball im Rahmen des VfB Oldenburg oder anderen privaten Plänen, ist schon eine Herausforderung für sich. Zudem sind wir als Verein an Richtlinien der Gemeinnützigkeit gebunden und wollen nicht als wirtschaftlich orientierter Veranstalter verstanden werden. Insofern ist hier eine weitere Entwicklung in Richtung größer, besser, höher aktuell nicht angedacht. Auch so haben wir schon genug schlaflose Nächte rund um das Festivalwochenende und sind mit der aktuellen Größe und der familiären Atmosphäre voll und ganz ausgelastet und zufrieden.
Aber das Wichtigste: Auch 2023 wird wieder aufgedreht – wenn nix dazwischenkommt?
Was unsererseits in 2023 auf die Beine gestellt wird, ist immer ein Konsensentscheid im Verein. Aktuell wickeln wir noch das diesjährige Updreihn ab und haben damit alle Hände voll zu tun. Ob wir es neben zunehmenden körperlichen Beschwerden (das Alter schlägt hier mitunter schon gnadenlos zu), Nachwuchs, Jobs und Co. weiterhin hinbekommen, so eine umfangreiche Nummer zu organisieren, müssen wir uns immer wieder aufs Neue gut überlegen. Vielleicht wechseln wir auch in einen Zweijahresmodus, konzentrieren uns mehr auf kleinere Clubshows oder entdecken alle eine neue, ganz andere gemeinsame Vorliebe wie Orchideengärten oder Kartoffeldruck. (lacht)
Da wir, im Gegensatz zu vielen kommerziellen Festivals, rein vom Idealismus und der Lust auf die Sache leben, ist es essentiell wichtig, das alle Beteiligten nach wie vor mit Spaß und Begeisterung dabei sind.
Wer will schon auf ein Festival gehen, bei dem die Crew rumläuft wie drei Tage Regen oder die ganze Sache bereits im Vorfeld scheitert, weil wichtige Leute sich aus der Organisation heraus ziehen. Natürlich kommen die ersten Bands und Booker bereits auf uns zu und wer schon einmal ein Festival geplant hat, weiß, dass wir jetzt für 2023 eigentlich schon wieder spät dran sind. Aber diesen Druck machen wir uns nicht, da dies nicht unserem Sinn eines DIY-Festivals entspricht. Insofern schauen wir erst einmal, was wir uns intern für ein Feedback zusammenreimen und lassen dann demnächst auf jeden Fall wieder von uns hören. Spaß macht es letztlich ja schon irgendwie...
Es kommt nicht auf die Größe an
Das kann man sich lebhaft vorstellen, wenn man die Bilder sieht und Davids Schilderungen hört. Das klingt nach einer richtig guten Truppe, die gemeinsam Spaß daran hat, was Besonderes auf die Beine zustellen - auch wenn es durchaus mal anstrengend und anspruchsvoll ist. Umso mehr darf sich Oldenburg freuen und dankbar dafür sein, dass die Updreihn-Crew weiterhin Lust darauf hat und weitermacht - sofern das Leben nicht dazwischenkommt.
Kleiner Einblick: Die ziemlich passend benannte Band The Feelgood McLouds hat ein kleines Aftermovie zum Updreihn 2022 zusammengeschnitten. (Video: The Feelgood McLouds)
Natürlich wäre es auch toll gewesen, wenn der nächste Schritt angestanden hätte. Immerhin gibt es in der Region Outdoor-Festivals im Punk-Sektor, die etwa 2.000 Besucher:innen ziehen - wie das Fonsstock am Weserstrand, Afdreit & Buten in Goldenstedt oder das Reload in Sulingen, das allerdings noch ein paar Nummern größer ist. Letztlich ist aber die Frage, ob man immer größer denken muss - oder ob eine tolle Sache nicht vor allem dann eine tolle Sache bleibt, wenn nicht immer weiter wächst. Das ist beim Updreihn vorerst der Fall - und wenn dadurch auch noch ein paar kleinere Clubkonzerte möglich sind, ist das umso besser!
Fest steht auf jeden Fall eines: Wir werden sicher nicht noch einmal fast zweihundert Artikel ohne Punkrock-Kontext schreiben. Dazu passiert in diesem Bereich viel zu viel - das auch noch verdammt erfolgreich ist, ohne sich dafür zu verbiegen. Und deswegen heißt es sicher noch öfter: Sold out - ohne Sellout.
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