ERKENNTNISSE AUS DEM KULTURAUSSCHUSS
- kulturschnack
- 18. Apr. 2023
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Apr. 2023
Der Kulturausschuss ist weiterhin auf Tour: Nach dem Ausflug in die kulturell eher unverdächtigen Räumlichkeiten des städtischen Finanzdezernats im Februar ging es nun wieder in ein Zentrum unserer Kulturlandschaft. Nämlich: ins Bahnhofsviertel, genauer gesagt zum theater wrede+. Die Tagesordnung schien allerdings kürzer als sie es letztlich war. Insbesondere ein Thema hatte es in sich. Und dabei ging es eigentlich nur am Rande um Kultur...

Die Sitzung haben wir für euch live angeschaut und fassen hier zusammen, was dort in rund zwei Stunden diskutiert wurde. Wie immer: In fünf leicht verdaulichen Erkenntnissen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Schließlich ist dies kein Protokoll. Wer sich das wünscht, schaut im Ratsinformationssystem vorbei! Dort findet man übrigens auch die Vorlagen zu den einzelnen Punkten. Für ein wenig Kontext.
Erkenntnis 1
Wissen schadet nicht
Der Kulturausschuss setzte seine Reise durch die Oldenburger Kulturinstitutionen fort und war dieses Mal beim theater wrede+ zu Gast. Der große Saal erwies sich dabei als ein guter Ort für die Sitzung - sowohl für die Politik als auch für die zahlreichen Zuschauer:innen, die auf der Tribüne vielleicht die beste Sicht aller Zeiten hatten.
Obwohl der Ausschuss zu Gast im Theater war, war wiederum das Theater zu Gast im Ausschuss - und nutzte das in Person von Marga Koop und Jordan Tanner zu einer kurzen filmischen und etwas ausführlicheren verbalen Vorstellung. Dabei waren neben der Leidenschaft für Theater, das gesellschaftliche Relevanz besetzt bzw. die kommenden Generationen in den Blick nimmt, auch die Finanzen ein Thema. Denn wer ambitionierte Programme spielen will, braucht Geld. Der Ausschuss nahm diese Hinweise zur Kenntnis - und dankte für die umfassenden Informationen zur Arbeit des Theaters.
Erkenntnis 2
Oldenburg ist ein guter Nährboden
Aber nicht nur das theater wrede+ stellte sich vor, sondern auch das Theaternetzwerk flausen+. Dass in beiden Namen ein Plus auftaucht ist kein Zufall, denn wo das Theater zuhause ist, hatte das Netzwerk seine Keimzelle. Ziel von flausen+ war es (verkürzt ausgedrückt), dem künstlerischen Nachwuchs der Freien Szene langfristige Möglichkeiten zur Weiterentwicklung zu bieten. Was im Jahre 2010 als zwar sinnvolles und nötiges, wegen seinen großen Ambitionen aber auch gewagtes Projekt begann, setzte such nach den Schilderung von Winfried Wrede schnell, deutlich und überregional durch. Inzwischen wird flausen+ vom Bund gefördert, ist in 31 Städten/14 Bundesländern präsent und sorgt auch im europäischen Ausland sowie Kanada für Aufsehen. Dort - in Kanada - soll das Format sogar adaptiert werden.

Wredes fulminates Plädoyer für die Nachwuchsentwicklung im Theatersektor und für die Theaterförderung abseits der Metropolen fiel bei den meisten Anwesenden auf fruchtbaren Boden. Wie groß das Netzwerk inzwischen ist und welch hohe Bedeutung es für die Freie Szene besitzt, war vielen nicht vollends bewusst. Oldenburg darf sich Glück schätzen, die Geburtsstätte und nach wie vor das Hauptquartier für flausen+ zu sein.
Erkenntnis 3
An Ideen mangelt es nicht
Der TOP 6 hatte Überraschendes zu bietet: nämlich eine Diskussion über die Zukunft der Weser-Ems-Hallen. Steht das Messe- und Veranstaltungszentrum etwa zur Disposition? Nein, keine Sorge! Jedenfalls nicht in Gänze. Zum Teil allerdings schon, denn wie seit letztem November bekannt ist, steht eine umfangreiche Sanierung der Messehalle und der Oberen Festsäle an. Was im Endeffekt bedeutet, dass sie abgerissen und neu gebaut werden müssen, schließlich ist es nicht völlig unbekannt, dass Sanierungen im Bestand oft aufwändiger, teurer und qualitativ schlechter sind als Neubauten.
Was das mit Kultur zu tun hat? Das erklärte Christian Firmbach, Leiter des Oldenburgisches Staatstheaters. Das ist nämlich mit seinem Orchester drei- bis viermal pro Jahr in der Messehalle zu Gast, um Symphoniekonzerte zu spielen, für das eigene Haus räumlich nicht ausgelegt ist. Firmbach sorgt sich darum, dass der Bauprozess anläuft, ohne dass die Kultur zuvor gehört wurde - und dass am Ende dauerhaft Ergebnisse entstehen, die akustisch suboptimal wären.
Um sie geht's: Die Kongresshalle sowie die Oberen Festsäle (Bilder: Weser-Ems-Hallen GmbH)
Firmbach wäre aber nicht Firmbach, wenn ihm gleichzeitig nicht mehr vorschweben würde, nämlich ein Veranstaltungsort, der sich nicht in erster Linie durch Zweckmäßigkeit auszeichnet. Zur blendenden Akustik solle sich auch Aufenthaltsqualität gesellen, um einen besonderen Ort zu schaffen, der Oldenburg auf ein neues Niveau hieve. Man solle daran denken, den Ort auch sexy und attraktiv zu machen, statt nur funktional.
Dieter Meyer, Geschäftsführer der Weser-Ems-Hallen, hatte Verständnis für diese Gedanken, musste aber dennoch Salz in die Suppe streuen. Zunächst würden alle Bedarfe gesammelt, dann flössen sie in einen Nutzungsplan ein. Dabei müssen man sehen, was finanziell möglich und politisch gewollt sei. Allzu viele Zusagen vermochte er an dieser Stelle nicht zu geben, zu viele unterschiedliche Interessen seien zu berücksichtigen.
Erkenntnis 4
Die Kultur läuft auf Hochtouren
Der Tagesordnungspunkt zur Kulturförderung war überraschend kurz. Es wurden an dieser Stelle nämlich keine Details besprochen und schon gar keine konkreten Projekte, es ging um die Situation im Allgemeinen.
Insbesondere bei der Projektförderung gab es einen Aha-Moment. Sie verfügt seit vielen Jahren über das gleiche finanzielle Budget, nämlich rund 120.000,- Euro. Schon immer lag die Summe der Anträge darüber, mal mehr und mal weniger deutlich. Das heißt: Noch nie konnten alle Anträge positiv beschieden werden. Doch dieses Spannungsverhältnis wurde zuletzt immer drastischer. Zunächst wuchs die Summe de eingehenden Anträge auf über 300.000,- Europ, lag also doppelt so hoch wie das verfügbar Budget. In diesem Jahr aber kamen die Anträge auf über 600.000,- Euro.
Das bedeutet zweierlei: Die Oldenburger Kultur läuft auf Hochtouren, hat viele Projektideen und denkt dabei offensichtlich durchaus auch in größeren Dimensionen. Das ist eine gute Nachricht! Allerdings wachsen die Begehrlichkeiten derart, dass es bei der Vergabe der begrenzten Mittel zwangsläufig viele Enttäuschungen geben muss. Diese Nachricht ist weniger gut. Es wird zwar niemals so sein, dass alle Anträge gleichermaßen zum Zug kommen können, dafür sind ist der Bedarf einfach zu groß. Aber wer weiß, vielleicht entscheidet sich die Politik dazu, der Projektförderung eine wenig mehr Beinfreiheit zu geben.
Erkenntnis 5
Deutsches Baurecht ist kompliziert
Dieses Prinzip gilt für private Häuslebauer ebenso wie für Kultureinrichtungen. Letztere sind aktuell aber besonders davon betroffen. Durch eine Änderung der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) entfiel ein Paragraph, der Nutzungsänderungen von Gebäuden vereinfacht hat. Er ermöglichte unter anderen die zahlreichen Zwischennutzungen, die Oldenburg zuletzt auf sehr unterschiedliche Weise bereichert haben. Sie haben es jetzt schwerer.

In Zuge dessen mussten sogar die Zwischennutzungs-Expert:innen von Raum auf Zeit eine Veranstaltung absagen. Es steht zu befürchten, dass andere Kulturakteure erst Recht mit Problemen zu kämpfen haben werden. Nun nämlich ist die Nutzung eines gewerblichen Raumes z.B. für eine Ausstellung nur noch kurzzeitig für wenige Tage möglich. Für alles andere braucht es einen vollständigen Bauantrag - was deutlich teurer und aufwändiger ist und zudem länger dauert als bisher.
Die anwesenden Landespolitiker wiesen darauf hin, dass die entsprechenden Änderungen der NBauO bereits überprüft würden, wollten sich aber dafür einsetzen, dass die entsprechende Passage der NBauO die Kultur in Zukunft wieder eher unterstützt als behindert. Bis auf weiteres hat die Problematik aber Bestand.







