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WÜNSCH DIR WAS!

Wenn man über die Qualitäten eines Kulturstandorts spricht, dann meistens darüber, was die Kulturakteure selbst schaffen. Die Rolle des Publikums bleibt meist außen vor. Dabei kann es selbst durchaus auch zu Qualität und Vielfalt beitragen. Eindrucksvoll gezeigt hat dies „O - eine Stadt sucht ein Drama“ des Oldenburgischen Staatstheaters. Dabei konnte das Publikum entscheiden, welcher Stoff inszeniert wird. Das Ergebnis? Feiert nun seine Premiere.


Protagonist Friedrich aus dem Stück "Über meine Leiche"
Unsicherer Blick in die Zukunft: Friedrich zwischen Leben und Tod (Bild. Stephan Walzl)

Für viele Menschen in Führungspositionen ist die Kundenbefragung ein zweischneidiges Schwert. Einerseits möchte man wissen, was die Zielgruppe sich wünscht. Andererseits hieße dass aber, ihre Vorstellungen berücksichtigen zu müssen. Sprich: nicht mehr das tun zu können, was man selbst will. Ein Dilemma!


Allerdings nicht für Christian Firmbach, dem Intendanten des Oldenburgischen Staatstheaters. Gemeinsam mit seinem Team entschied er sich im Jahr 2018 bewusst dafür, das Oldenburger Publikum bei der Gestaltung des Spielplans mit einzubinden. Beim Projekt „O - eine Stadt sucht ein Drama“ durfte es selbst entscheiden, welches von vier zur Auswahl stehenden Stücken tatsächlich inszeniert werden soll. Eine einfache Frage, hinter der letztlich aber Größeres steht.

MITTENDRIN STATT NUR DABEI​:

PARTIZIPATION ALS PROGRAMMPUNKT


Bei der Beteiligung des Publikums geht es auch um die Frage: Wie kann Kultur bestmöglich wirken? Muss sie dafür die Angelegenheit von Expert:innen sein? Oder sollten auch Laien mitreden dürfen?


Bei Diskussionen über Partizipation schwingt häufig die Unterstellung mit, dass dabei in der Regel das Gefälligste zum Zuge kommt. Der Massengeschmack schlägt die Spitzenqualität, so die Vermutung. Die Frage ist aber, ob es diesen Gegensatz überhaupt gibt. Das hieße ja, dass die Mehrheit des Publikums immer falsch läge. Mit Blick auf die Oldenburger Stammgäste sicherlich eine gewagte These. Zudem definiert ja bereits die Vorauswahl der Stoffe einen bestimmten Qualitätslevel. Nur weil man Partizipation zulässt, bewegt man sich nicht automatisch auf Schmonzetten-Niveau. Partizipation ist also keineswegs automatisch ein Einfallstor für Beliebigkeit oder Belanglosigkeit. Sie erreicht gleichzeitig sogar etwas anderes, nämlich die Aktivierung des Publikums. Menschen, die einen Prozess aktiv mitgestalten dürfen, fühlen sich mit diesem eng verbunden. Würde genau das auch bei der Kultur erreicht - und davon ist auszugehen -, dann wäre das ein starker Effekt, der letztlich auch dem experimentellen und anspruchsvollen Theater zugute käme. Man muss deshalb nicht vor jedem Spielplan die Wünsche des Publikums abfragen. Aber als regelmäßiges Element der Spielplangestaltung wären sie eine Bereicherung.


Mitmachen? Mehr davon!


„Der Prozess hatte Elemente von Demokratie und Digitalisierung“, erklärt der Leitende Dramaturg Jonas Hennicke, der damals mit auf der Bühne saß, als die Stücke im Spielraum des Staatstheaters vorgestellt wurden. „Man konnte sich vor Ort bei szenischen Lesungen ein Bild machen, auf unserem YouTube-Kanal die Zusammenfassung ansehen oder auf der Website die Skripte lesen. Fundierter kann man die Entscheidung eigentlich nicht treffen.“


So sah das damals aus: eine szenische Lesung im Spielraum.


Das Oldenburger Publikum ließ sich nicht lange bitten und stimmte fleißig ab. Die Entscheidung fiel damals auf „Über meine Leiche“ von Stefan Hornbach, für das er im Jahr 2015 mit dem Osnabrücker Dramatikerpreis ausgezeichnet wurde. Wer sich ein wenig einfühlen will, findet hier eine Leseprobe. Nun endlich, nach zwei Jahren pandemischer Verzögerung, feiert das Stück seine Premiere im Kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters. Alle, die damals mitgemacht haben, dürfen nun überprüfen, ob ihre Entscheidung richtig war. Alle anderen können entdecken, was sich damals gegen hochkarätige Konkurrenz durchgesetzt hat.


„Mit diesem Format haben wir einerseits natürlich Neuland betreten“, blickt Jonas zurück. „Andererseits glaube ich aber, dass solche Elemente immer wichtiger und selbstverständlicher werden. Überall sehen wir den Wunsch nach Interaktion, im Zeitalter von Social Media gehört das immer mehr dazu.“

Diesen Ansatz wird das Staatstheater in der kommenden Spielzeit noch weiter vertiefen und ein ganz neues, hybrides Format anbieten. Auch dabei wird Jonas eine wichtige Rolle spielen, wie er uns schon verraten hat. Mehr dazu in den kommenden Wochen an dieser Stelle.


 

„ÜBER MEINE LEICHE“

VON STEFAN HORNBACH


TERMINE: SA 14.05. 20 UHR (PREMIERE)

FR 20.05. 20 UHR

SO 12.06. 18 UHR

DI 28.06. 20 UHR

SA 02.07. 20 UHR

FR 08.07. 20 UHR

SO 10.07. 18 UHR FR 15.07. 20 UHR


OLDENBURGISCHES STAATSTHEATER THEATERWALL 28 26122 OLDENBURG

 

Zwischen Leben und Tod


Warum sich das Oldenburger Publikum für „Über meine Leiche“ entschieden hat, lässt sich bereits anhand der Storyline erahnen: Im Mittelpunkt steht Friedrich (Manuel Thielen) ein schüchterner, junger Mann ohne besondere Ziele, der wieder bei seinen Eltern eingezogen ist. Er wird jedoch jäh aus seiner Lethargie gerissen, als bei ihm ein Tumor diagnostiziert wird: Krebs. Plötzlich bekommt sein Leben ein Verfallsdatum, Wahrnehmungen und Perspektiven verschieben sich, Dinge bekommen eine neue Wertigkeit.


Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt tritt Jana (Rebecca Seidel) wieder in sein Leben: intelligent, selbstbewusst, lebensmüde. Sie empfindet wenig Mitleid für Friedrich, schließlich erwartet ihn, was sie sich schon lange wünscht. Jana will Friedrich zeigen, wie man stirbt - Friedrich soll Jana beibringen, wie man lebt. Zwischen diesen gegensätzlichen Polen entzünden sich in Hornbachs vielbeachtetem Debütstück die Funken. Sie ergeben ein kraftvolles, poetisches Plädoyer für den unbedingten Willen zum Leben.


Authentisch und lebensnah, feinfühlig und emotional, aber trotzdem erfrischend frech und zugespitzt - diese bunte Mischung kam bereits beim Osnabrücker Publikum hervorragend an.

Auch die „Drama-Sucher:innen" in Oldenburg konnte es überzeugen. Aber wie wird es jetzt auf der Bühne im Staatstheater sein? Kann die Inszenierung von Franziska Stuhr überzeugen? Die Erwartungen vielleicht sogar übertreffen? Vieles spricht dafür. Doch warum sollen wir Vermutungen anstellen? Probiert es selbst aus! Seht euch dieses Drama an, das Oldenburg selbst gesucht und gefunden hat.


Hört man Dramaturg Jonas zu, scheint klar zu sein: Die Elemente aus Demokratie und Digitalisierung sind gekommen, um zu bleiben. Das heißt: Eine Gelegenheit zur Mitbestimmung dürfte sich in Zukunft wieder ergeben. Egal, ob die Stadt dann wieder ein Drama sucht oder es um etwas ganz anderes geht: Lasst euch die Gelegenheit nicht entgehen. Denn wie gesagt: Dadurch entstehen Bindung, Bereicherung und Begeisterung. „Über meine Leiche“ tritt den Beweis dafür an.




 


DA GEHT NOCH MEHR!



Damit nicht genug. Das Staatstheater startet nicht nur mit dieser besonderen Premiere in die Sommersaison, sondern mit einigen weiteren Programmpunkten, von denen viele sogar kostenfrei sind. Sofern nicht anders gekennzeichnet, finden die folgenden Termine auf der beliebten Theaterinsel direkt vor dem Haupteingang am Theaterwall statt:


Sonntag, 15.05.

14.30 Uhr | Lindy Hop mit der Stormy Weather Big Band

16.45 Uhr | Schneider Swing Trio 14 Uhr bis 17 Uhr | Flohmarkt ums Theater

Montag, 16.05. 13 Uhr | Lunchkonzert & Suppe

19 Uhr | Salsa auf der Insel mit der Tanzsschule Salsa Ol.

Dienstag, 17.05. 13 Uhr | Lunchkonzert & Suppe

18 Uhr | Klezmarized

Mittwoch, 18.05. 13 Uhr | Lunchkonzert & Suppe

19 Uhr | La noche del Tango mit Showtanz von Catalina & Thomas Lotte

Donnerstag, 19.05. 13 Uhr | Lunchkonzert & Suppe

19 Uhr | Spielraum | PowerPoint-Karaoke

Freitag, 20.05. 13 Uhr | Lunchkonzert & Suppe

22 Uhr | Glashaus | Tanz im Glashaus (1G)

Samstag, 21.05. 12 Uhr | Vor dem Probengebäude | Spieleparcours und Bastelspaß

14 Uhr | Probebühne 1 | Lipsync Battle

15 Uhr | Musik für Kinder

18 Uhr | Way Out West

Sonntag, 22.05.

11.30 Uhr | SOS — DIE RETTUNG NAHT- Salonorchester und Sekt mit Croissant


Wer noch mehr darüber wissen will, findet auf der Website des Staatstheater alle nötigen Infos.


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