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LATE NOON OLDENBURG

Jeder kennt sie, viele lieben sie: Die Late Night Talk-Formate aus dem linearen Fernsehen. Früher war es Harald Schmidt, heute sind es Jan Böhmermann oder Klaas Heufer-Umlauf, die mit lockerem Geplauder über Bedeutendes und Belangloses bestens unterhalten. Und bald gibt es so etwas nicht mehr nur in Berlin oder Köln, sondern auch in Oldenburg! Das Syndikat Gefährliche Liebschaften lädt zum Talk!


Die Talkmaster Eures Vertrauens: Felix, Marleen und Nadja vom Syndikat Gefährliche Liebschaften (Bild: SGL)

Okay, zugegeben: Ganz nah beieinander liegen die beiden genannten Formate nicht mehr. Böhmermann ging dazu über, sein Magazin Royale in ein gesellschaftspolitisches bzw. -kritisches Format mit aufklärerischem Anspruch zu verwandeln. Getalkt wird jetzt beim Brutzeln. Da ist Klaas mit "Late Night Berlin" wesentlich näher an der Ursprungsidee, nämlich der angenehmen, aber trotzdem erkenntnisreichen Plauderei mit interessanten Gästen.


Genau hier setzt auch der SyndiTALK des bundesweit agierenden Syndikats Gefährliche Liebschaften an, den wir in den kommenden Wochen live im theater wrede + erleben dürfen. Mit diesem Format setzt sich fort, was das Haus in der Klävemannstraße schon immer auszeichnete: Die Lust, die Fühler über die Stadtgrenzen hinaus auszustrecken und spannenden Input von außen nach Oldenburg zum holen. Die Mitglieder des Syndikats kommen nämlich nicht von hier, sondern aus Hannover, Hildesheim, Leipzig oder Quakenbrück.

 

SYNDITALK - SHOW STADT TALK


DONNERSTAG, 9. NOVEMBER, 20 UHR IM KONTEXT ZU "I AM (NOT) GISELLE"

DONNERSTAG, 7. DEZEMBER, 20 UHR

THEATER WREDE +

26122 OLDENBURG


EINTRITT FREI!

 

Oldenburg Magazin Royale!?


Ein Nachteil? Schließlich handelt es sich beim SyndiTALK nicht um irgendein Late Night Konzept, sondern um ein ganz besonderes. „Eigentlich ist schon die Bezeichnung Late Night nicht ganz richtig“, erklärt Silvan Stephan, Regisseur und Dramaturg. Sie gelte vor allem für Zeiträume kurz vor Mitternacht, der SyndiTALK begönne aber schon um 20 Uhr. „Es ist also eher ein Late Noon Talk.“


Besonders ist auch etwas anderes: Das zentrale Thema jeden Abends entwickelt sich aus einem Gastspiel, das zwei Wochen später als Teil der Reihe „Stage Mates“ im theater wrede + zu sehen sein wird. In diesem Fall: „I am (not) Gisele“, eine Tanzperformance von Mónica García Vicente, die am 30. November und 1. Dezember jeweils um 20 Uhr zu sehen sein wird (Tickets). Der Gedanke dahinter ist fast genial: Der Talk bekommt durch das Theater seinen Inhalt und seinen Impuls - das Theater bekommt durch den Talk zusätzlichen Kontext. Beides funktioniert für sich, aber zusammen ist es ein „Doppel-Wumms“, wie man heute gern entschlossen sagt.


Jan Böhmermann im leeren Studio
Platzhirsch ohne Publikum: Selbst für Böhmermann macht's so keinen Spaß (Bild: ZDF/Jens Koch)

Aber wie kam es zu dieser Idee? “Gastspiele haben es immer etwas schwer“, weiß Felix Worpenberg, der in verschiedenen Theatergruppen aktiv ist, aus eigener Erfahrung. „Es gibt nicht den Vorteil der persönlichen Bekanntheit, die viele Leute ins Theater lockt. Deshalb muss man verstärkt die Inhalte vermitteln.“



Inszenierung und Begegnung


Das sei auch eine Stärke des Syndikats, ergänzt Silvan. “Wir interessieren uns für Inszenierungen jeglicher Art. Wir machen aber nur selten klassische Bühnenproduktion, sondern adaptieren unterschiedlichste kulturelle Formate und nutzen das als Chance, um Momente der Inszenierung mit Momenten der Begegnung zu mischen.“ Das kann durchaus auch in Form eines dörflichen „Winterballs“ oder eine Hörspiels mit rheinland-pfälzischen Pendler:innen passieren.


Eine Rolle spielt dabei auch etwas, das in den letzten Jahren etwas verloren gegangen ist: Die zufälligen Begegnungen mit fremden Personen. Sie können uns bereichern durch Überraschendes, Unbekanntes, Unerwartetes. Während der Corona-Pandemie fanden diese Momente allerdings kaum noch statt - und auch jetzt fehlt ihnen häufig jene Leichtigkeit, die sie früher auszeichnete. Doch Silvan betont: „Wir glauben weiterhin an die Kraft der Begegnung und der Interaktion.“



Show Stadt Talk


Nun also: eine Talkshow. Wer befürchtet, es werde hemmungslos geschwafelt, irrt sich gewaltig. Die Themen der folgenden Theaterstücke mögen universeller Natur sein, große Themen und Fragen streifen - aber der Talk wird eine klare Oldenburger Prägung bekommen, mit Menschen von hier und aus der Region. Daher auch der Untertitel: „Show Stadt Talk“.


Dabei ist es kein Nachteil, dass die Mitglieder des Syndikats nicht in Oldenburg zuhause ist, sondern vielleicht sogar ein Vorteil. „Wir sind vorab natürlich viel vor Ort“, berichtet Nadja Sühnel. „Wir tauchen unvoreingenommen in das Thema ein und hören uns um, welche Menschen als Gesprächspartner:innen infrage kommen. Dann begeistern sie - hoffentlich - für die Idee.“ Das klappt tatsächlich gut. Für den kommenden Talk konnte das Syndikat die Choreografin Mónica García Vicente, Eyka Foraita vom FemRef der Carl von Ossietzky Universität und Constanze Schnepf von der Antidiskriminierungsstelle Ibis e.V. gewinnen.


STAGE MATES:

FRISCHER WIND ALS MARKENKERN


Diese Überschrift würde man vielleicht eher bei Turbinenbauern erwarten als bei Freien Theatern, im übertragenen Sinne gilt der Satz aber auch hier. Zumindest im Fall des theaters wrede +, denn Gastspiele gehören hier zum Programm.


Immer schon war das Haus interessiert daran, Impulse von Anderswo aufzunehmen, sich dazu zu positionieren und Neues daraus zu entwicklen. Aus dieser Haltung heraus entstand auch das flausen+-Netzwerk, dass seit vielen Jahren junge Theatergruppen zu Residenzen nach Oldenburg führt. Aber auch im regulären Programm tauchen immer wieder Auftritte von auswärtigen Combos auf - eben weil sie neue Ansätze nach Oldenburg bringen. Nicht selten gehen die Kontakte übrigens auf flausen+-Residenzen zurück. Man bleibt verbunden - weil alle die Vorteile sehen.


Mit den „Stage Mates“ verleiht man den früher eher unregelmäßigen Gastspiele nun einen festeren Rhythmus und eine größere Erkennbarkeit. Mit dem SyndiTALK bekommen sie zudem eine erhebliche Aufwertung. „Der Gedanke ist, unsere Bühne zu teilen“, erklärt Theaterleiterin Marga Koop den Ansatz. Das Gastspiel wandelt sich also von der Ausnahme zum festen Element des Programms. Und so passiert im theater wrede + mehr als normalerweise möglich wäre. Mit eigenen Mitteln könnte man die enorme Vielfalt an Ideen und Umsetzungen gar nicht abbilden. Dank der Kooperationen gehört der frische Wind aber zum Markenkern.

Nur keine Angst!


Und als wäre das nicht schon überzeugend genug, garniert das Syndikat sein Talk-Format mit einem weiteren Element, das bei den beiden Platzhirschen nicht mehr (so sehr) im Mittelpunkt steht, nämlich die Partizipation des Publikums. Das heißt: Man kann das Gespräch nicht nur verfolgen, man kann sich aktiv daran beteiligen und eigene Eindrücke, Gedanken und Meinungen einbringen.


Für manche Menschen ist genau das eine Urangst: vor einer Gruppe sprechen zu müssen, die man nicht kennt. Dennoch gehört genau das zu den Kernelementen des SyndiTALK. Das Publikum darf und soll sich aktiv einbringen. „Wir laden dazu ein“, präzisiert Silvan. Dabei soll die gedachte Grenze zwischen Podium und Plätzen möglichst aufgehoben und alle Anwesenden zu einer großen Gruppe vereint werden, die zusammen diskutiert. „Wir kennen diese Angst natürlich auch“, berichten die Mitglieder des Syndikats. „Deshalb ist uns die Gemeinschaft so wichtig. Beim Talk gehören wir alle zusammen, deswegen muss niemand Angst haben, exponiert zu werden.“


Das Foyer des theater wrede +
Ort des Geschehens: Das schicke Foyer des theater wrede + (Bild theater wrede + )

In der Tat gibt es gute Gründe dafür, genau diesen Ansatz zu verfolgen - auch wenn er bei manchen erst einmal Zurückhaltung auslöst. Denn dadurch, dass man die Besucher:innen konsequent mit einbindet, holt man sie auch dichter ans Thema. Es ist für alle(s) eine Bereicherung; Für die Talkgäste, für das Gespräch, aber insbesondere auch für das Publikum. Und eines haben sie den großen Vorbildern voraus: Bei Jan Böhmermann oder Klaas Heufer-Umlauf kann man nicht einfach Fragen an die Gäste stellen, beim SyndiTALK schon.


Wie genau der Abend laufen wird, ist vorab übrigens nicht vollkommen klar. „Natürlich gibt es ein Gerüst und eine Vorstellung vom Verlauf“, erklärt Felix und Nadja bringt es auf den Punkt: „Wir bereiten uns darauf vor, unvorbereitet zu sein.“ Ein Impro-Theater sei das Syndikat aber nicht und auch die Partizipation werde dosiert eingesetzt. „Niemand muss Angst haben, plötzlich Karaoke singen zu müssen. Wir bilden für einen Abend eine Community, in der alle Lust haben, sich zu beteiligen.“ SyndiTALK bedeute letztlich: Alle talken mit allen.“ Silvan ergänzt: „Gemeinschaft ist uns wichtig, alle sollen sich wohlfühlen, niemand wird zu irgendwas gezwungen.“ Und Felix nimmt auch die letzten Befürchtungen:„Letztlich ist schon Applaus Beteiligung. Unsere Vorstellung davon beginnt bereits hier.“



Late Noon Oldenburg!?


Ergänzt wird die Unterhaltung - wie bei Late Night Formaten üblich - durch Spiel- und Show-Elemente, die Zeit zum Durchatmen bieten, die aber natürlich auch ihrerseits einen Besuch wert sind. Nicht zuletzt die Mischung ist das Schöne an diesem Format: Mal langsam und mal schnell, mal lustig und mal ernst, mal ganz laut und mal ganz leise. Aber immer: bestens unterhaltend. Nicht zuletzt weil man mittendrin ist statt nur dabei (das DSF möge mit für die schamlose Verwendung dieses fantastischen Slogans posthum eine Rechnung schicken).

Moderator Klaas Heufer-Umlauf
Wie immer herzallerliebst: Klaas Heufer-Umlauf in seinem natürlichen Habitat (Foto: Weiya Yeung/ProSieben)

Der SyndiTALK orientiert sich nicht an großen Vorbildern. Warum auch? Das hieße ja, sich zu entscheiden. Warum stattdessen Nichte einfach die Vorteile kombinieren? Wie etwa das Böhmermannsche Gespür für relevante aktuelle Themen und den Anspruch mehr mit ihnen anzufangen als sie einfach nur abzubilden? Oder etwa die Heufer-Umlaufsche Gesprächsatmosphäre die nahbar, zugänglich und verständlich ist und die Gäste - ganz old school - in den Mittelpunkt rückt? Ohne es explizit zu wollen, tut der SyndiTALK genau das. Er sucht den Mittelweg zwischen Inhalt und Unterhaltung - und er findet ihn.


Neben den Begegnungen sind es vor allem die damit verbundenen Perspektivwechsel, die den Reiz des Abends ausmachen. „Das sind einerseits die Perspektiven anderer Menschen, das sind andererseits aber auch veränderte Perspektive auf sich selbst“, betont Silvan. Und so wundert es nicht, als Marleen Wolter lachend erzählt, welche beiden Sätze das Syndikat nach seinen Vorstellungen am häufigsten hört. Erstens: „Wir konnten uns vorher ja gar nichts darunter vorstellen!“ Und zweitens: „Wir können nicht genau erklären, was es war - aber es war super!“


Das theater wrede + in Oldenburg
Place to be: Im theater were + finden nach der Premiere im letzten Herbst nun endlich wieder syndiTALKS statt. (Bild: Mario Dirks)

Ist das Kultur?


Reflektiert man all das, könnte man sich in der Tat die Frage stellen, ob so ein Talkformat Kultur im engeren Sinne ist oder nicht. Argumente gäbe es für beides, aus unserer Sicht spricht aber viel mehr dafür als dagegen. Denn erstens erweitert der Talk die folgenden Theaterstücke um wichtige Kontexte, macht also deren Erlebnis noch wertvoller. Und zweitens ist der Talk selbst ein theatralisches Format, das zwar zu einem Teil situativ variiert, zu einem anderen Teil aber nicht.


Selbst wenn es keine theatralische Struktur gäbe und wenn der Talk ohne Show-Elemente auskommen müsste: er würde sich für alle kulturinteressierten Menschen lohnen. Denn die Kultur macht ja niemals halt an ihren eigenen Grenzen, sondern reflektiert - mal kritisch, mal entzückt - unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben. Und das tut auch der Late Noon Talk in Oldenburg!

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