top of page

VOM KINO ZUM KULTURORT

  • kulturschnack
  • 30. Okt.
  • 7 Min. Lesezeit

„Gut Ding will Weile haben“: Sollte dieses alte Sprichwort auch nur einen Funken Wahrheit besitzen, darf Oldenburg sich im Fall des GLOBE auf einen Kulturort der Extraklasse freuen. Immerhin sind acht Jahren vergangen, seitdem eine Kulturgenossenschaft das ehemalige britische Militärkino erwarb, um es zu einem Treffpunkt für den neuen Stadtteil umzugestalten. Doch nun verdichten sich die Anzeichen, dass es seiner Bestimmung bald nachkommen darf.


Der Bauzaun vor dem beinahe fertig sanierten GLOBE Militärkino in Oldenburg
Kurz vorm Ziel: Zwar sind die Umbauarbeiten am GLOBE noch nicht abgeschlossen, doch der Flyer ist schon im Präsens formuliert

Der Enthusiasmus war enorm. Als sich im Jahr 2017 die Chance abzeichnete, im Zuge der Konversion der Donnerschwee-Kaserne das alte Militärkino aus dem Jahr 1954 mit seinen 408 Sitzplätzen für einen Betrag von 225.000 Euro erwerben und eigenständig sanieren zu können, fanden sich schnell etliche Begeisterte, die bei dem Projekt mitmischen wollten. Kein Wunder: Schließlich ging es darum, einerseits ein Stück Stadtgeschichte zu bewahren, andererseits aber auch einen kulturellen Impuls für den neuen Stadtteil zu geben.


Aus den zunächst elf Gründer:innen der GLOBE Kulturgenossenschaft wurden bald 800 tatkräftige Mitglieder. Doch nach dem Kauf folgte der Reality Check: Die Gemeinschaft musste lernen, was es bedeutet, wenn man eine baufällige Immobilie sanieren möchte, dabei auf öffentliche Fördermittel und private Spenden angewiesen ist und das alles auch noch ehrenamtlich passieren soll. Trotz des erwähnten Enthusiasmus erwies sich das Ziel, das Kino schon ab 2019 wieder für Kulturveranstaltungen zu nutzen, als illusorisch. Aus zwei Jahren wurden bisher acht. Doch die eingeschworene Gruppe arbeitet weiterhin unermüdlich daran, den großen Traum zu verwirklichen - und ist nun schon ganz nah dran, wie Ulrike Pietsch vom Aufsichtsrat der Kulturgenossenschaft verrät.



GLOBE PREVIEW FESTIVAL


EIN TRAUM WIRD WAHR– EINE IDEE FINDET IHREN WEG


7. NOVEMBER BIS

9. NOVEMBER 2025


GLOBE

26123 OLDENBURG





Versuche und Vorahnungen


Nah dran - das war man gefühlt schon häufiger. Denn immer wieder haben bereits Veranstaltungen im, am und ums Globe herum stattgefunden. So wurde es schon lange vor der Fertigstellung vielleicht nicht zum Mittel-, immerhin aber zum Bezugspunkt für den neuen Stadtteil. Dabei deutete es immer sein großes Potenzial an. Denn auch wenn viele Veranstaltungen einen Versuchscharakter hatten und nur eine Vorahnung dessen boten, was eines Tages möglich sein würden, stimmte doch immer eines: Die Resonanz.


Spannende Einblicke: Im Jahr 2024 warb die GLOBE Kulturgenossenschaft um Spenden zur Schließung einer letzten Finanzierungslücke in Höhe von 170.000 Euro. Das dafür produzierte Video ist auch heute noch sehr interessant. (Video: GLOBE eG)

Kein Zweifel: Das GLOBE wurde in Neu-Donnerschwee und darüber hinaus schon ins Herz geschlossen, bevor es sein volles Potenzial entfalten konnte. Großzügig sah man darüber hinweg, dass der Spannungsbogen von der Gründung der Genossenschaft bis zur offiziellen Inbetriebnahme immer weiter und weiter gespannt wurde. „Hätte uns 2017 jemand gesagt, dass wir so lange brauchen, hätten wir wahrscheinlich ungläubig gelächelt – und trotzdem gesagt: Ja, wir machen das!“, ist Ulrike überzeugt. Natürlich habe man beim Start nicht gewusst, wie viel Geduld, Ausdauer und Improvisation das Projekt erfordern würde. Aber:


„Der Enthusiasmus und die Unterstützung aus der Stadtgesellschaft haben uns immer wieder getragen. Wir haben so viele Menschen erlebt, die an das GLOBE glauben – das gibt Kraft, auch durch die schwierigen Phasen.


Klinker statt Kultur


Hinter der Genossenschaft liegt tatsächlich eine ereignisreiche und anstrengende Zeit. Die optimistischen Hoffnungen auf eine reibungslose Sanierung zerschlugen sich schnell, stattdessen entdeckte man immer neue Herausforderungen. Imponierend ist, dass es trotz dieser wiederkehrenden Frustrationsmomete zwar zu einer Verlangsamung kam, nicht aber zu einem Stillstand. Der anfängliche Enthusiasmus mag hier und da mal Anzeichen der Ermüdung gezeigt haben, in seinem Kern hat er aber bis heute Bestand. Denn auch wenn es oft genug nicht ums Anpacken ging, sondern ums Ausfüllen von Formularen und auch wenn statt eines Kulturprogramms eher Dämmung und Dachziegel Thema waren, ist das GLOBE in den Jahren seit 2017 kontinuierlich im Gespräch geblieben - und hat stets alle Möglichkeiten genutzt, die sich boten. Sei es ein improvisiertes Fest vor Ort oder ein Schaufenster in der Innenstadt.



Geballtes Programm: Das Preview Festival mit seiner MIschung aus Musik, Film, Schauspiel, modernem Zirkus und Lesung deutet die Vielfalt an, die im GLOBE bald regulär zu erleben ist. (Bilder v.o.l.n.u.r.: Dagmar Thieß, Petia Rousseva, Nils Jöhnk, Kai Hebestreit, Wild Bunch, Julia Bogdanova)


„Inzwischen beschäftigen wir uns noch zu etwa 70 Prozent mit dem Bau und zu 30 Prozent mit Kulturplanung“, verrät Ulrike, die sich beim GLOBE um Finanzen und Organisation kümmert. Doch dieses Verhältnis verschiebe sich immer wieder. „Baulich stehen wir kurz vor entscheidenden Schritten: Der Innenausbau läuft, die technische Ausstattung – insbesondere Licht, Ton und Bühnentechnik – ist in Vorbereitung, und auch die Außenanlagen werden bald Gestalt annehmen“, nennt sie die nächsten Meilensteine und weckt mit einer Ergänzung augenblicklich Vorfreude:


„Parallel dazu planen wir bereits die erste Spielzeit und die Kooperationen, damit das Haus nach der Fertigstellung sofort mit Leben gefüllt ist.


Das Ende eines Marathons


Nun wäre es vermessen zu sagen, dass die Vorfreude in der Stadt während der letzten acht Jahre stetig wuchs. Das war ganz sicher nicht der Fall. In manchen Teilen von Bloherfelde, Ofenerdiek oder Bümmerstede geriet das GLOBE womöglich gar in Vergessenheit. Aber wer würde es jemandem verübeln, wenn man über beinahe eine Dekade hinweg nicht ständig am Ball bleibt? Und sowieso hat Quartierskultur es in Oldenburg nicht so leicht. Die Stadt ist nicht nur strukturell, sondern auch kulturell weitgehend monozentristisch aufgebaut. Das heißt: Alle Wege führen in den Kern, die einzelnen Stadtteile haben - von Ausnahmen abgesehen - keine eigenen Theater oder Bühnen. Umso beachtlicher ist es, wenn das GLOBE nach all den Jahren immer noch eine hohe Präsenz genießt. Nicht durchgehend an jedem Tag - doch wenn etwas los ist, hören die Menschen hin und kommen gern. Sollte das ein Vorgeschmack auf die Zukunft sein, dürfen wir einiges erwarten.



Eine Karte, die die Lage des ehemaligen GLOBE Kino in Oldenburg zeigt.
 Eigentlich nah dran: Mit dem Rad ist man in weniger als einer Viertelstunde von der Innenstadt beim GLOBE. (Karte: OpenStreetMap/Kulturschnack)

Nachdem das GLOBE zu den Tagen des offenen Denkmals in den letzten Jahren beinahe schon traditionell seine Pforten öffnete und im Frühjahr 2025 zum Schaucafé eingeladen hatte, steht mit dem Preview-Festival nun der erste größere Programmpunkt im Inneren des alten Kinos an. Und das hat Symbolkraft: Denn das hat nicht nur mit der unangenehmen Novemberwitterung zu tun, sondern vor allem damit, dass die Sanierungsarbeiten weit fortgeschritten sind und erste Nutzungen zulassen. „Wären der Umbau ein Marathonlauf, dann wären wir jetzt in etwa bei Kilometer 36“, ordnet Ulrike ein. Das heißt: Der größte Teil ist bewältigt, die besonders kraftraubenden letzten Kilometer liegen aber noch vor dem GLOBE. „Die großen Etappen sind geschafft, doch jetzt geht es um Feinarbeit, Abstimmungen und um all die kleinen Details, die am Ende dafür sorgen, dass alles wirklich funktioniert und schön wird.“



Wohnzimmer für den Stadtteil


Noch sind nicht alle Handgriffe getan. Man braucht noch etwas Fantasie um sich die Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart vorzustellen, die das GLOBE bald auszeichnen wird. Deutlich spürbar ist dagegen eines: Die Fertigstellung des Innenausbaus wird ein Meilenstein für das GLOBE sein - und ihr sind wir nun wieder ein großes Stück näher gekommen. Für die Beteiligten entsteht in diesen Tagen eine Gefühlsmischung aus Erleichterung, Stolz und Vorfreude, verrät Ulrike. „Wir sehen das Haus wachsen, wir hören schon jetzt Stimmen und Musik in Gedanken durch die Halle klingen.


Nach Jahren des Planens, Antragschreibens, Bauens und Diskutierens wird der Traum endlich greifbar. Und genau das spürt man auch im Team – diese besondere Energie, die entsteht, wenn Vision Wirklichkeit wird.


Ansicht des Saals des ehemaligen GLOBE Kino in Oldenburg Donnerschwee
Baufällig: Der Zustand des GLOBE war zum Zeitpunkt des Kaufs im Jahr 2018 alles andere als gut. Das hat sich inzwischen deutlich verändert. (Bild: Andreas Burmann)

Apropos Nutzen: Das Programm des Preview Festivals ist im besten Sinne bunt und bietet sehr viele unterschiedliche Programmpunkte. Da drängt sich die Frage auf, ob es auch im regulären Programm diese Abwechslung geben wird? „Absolut“, betont Ulrike, die einst als direkte Nachbarin Teil des GLOBE Projekts wurde. „Das Preview-Festival ist genau das, was das GLOBE später im Alltag sein soll: ein Ort für Vielfalt, Austausch und kreative Energie.“ Mit dem Programm wolle man zeigen, dass künftig ganz unterschiedliche Formate und Akteur:innen zusammenkommen können – von Theater und Konzerten über Lesungen, Filmabende und Feste bis zu Bildungsprojekten.


„Das GLOBE soll ein offenes Wohnzimmer für den Stadtteil werden – ein Ort der Begegnung, an dem sich Kunst, Nachbarschaft und Bildung selbstverständlich mischen. Es wird ein Raum sein, in dem man Neues ausprobieren, voneinander lernen und gemeinsam feiern kann. Wir wollen zeigen, dass Kultur ein verbindendes Element ist – mitten im Leben, nicht abgehoben davon.“


Außenansicht des ehemaligen GLOBE Kino in Oldenburg-Donnerschwee
Weiterhin Baustelle: Auch nach acht Jahren ist noch schweres Gerät im Einsatz. Doch die Fertigstellung rückt langsam in greifbare Nähe. (Bild: Kulturschnack)

Das GLOBE als Vorbild


Was auch immer auf der Bühne geboten wird, eines scheint gewiss: Das Interesse und die Unterstützung der Bevölkerung. Die einen kommen, weil das GLOBE so nah ist - die anderen, weil sie neugierig sind, wie Stadtteilkultur in einem charakterstarken Ambiente aussehen kann. Insofern genießt das alte Kino eine Vorbildfunktion. Zwar wird man nicht überall in Oldenburg historische Gebäude finden, die änliches Potenzial besitzen - das eine oder andere Nachahmerprojekt hätte allerdings Charme. Natürlich wäre zu wünschen, dass eine vergleichbare Sanierung reibungsloser und zügiger abläuft als es bim GLOBE der Fall war. Aber das Ergebnis in Neu-Donnerschwee zeigt, wie wichtig und wertvoll - und vor allem: erfolgreich - der Einsatz der vielen Ehrenamtlichen war.


Trotz der Durststrecken bei der Sanierung empfiehlt Ulrike Gleichgesinnten durchaus die Nachahmung. Allerdings: mit offen Augen. „Ein Projekt wie dieses braucht langen Atem, viel Teamgeist und die Bereitschaft, immer wieder neu zu denken“, gibt sie zu bedenken.


„Es ist kein leichter Weg, aber ein unglaublich lohnender. Wenn man eine gemeinsame Vision hat und eine starke Gemeinschaft hinter sich, kann daraus etwas entstehen, das weit über ein einzelnes Gebäude hinaus wirkt."


Kinokultur: Der Eingangsbereich wird nach der Sanierung etwas anders aussehen, aber einiges vom unvergleichlichen Charme der 1950er Jahre konnte erhalten werden. (Bilder: Stadtmuseum Oldenburg)


Ungebremste Begeisterung


Man muss der Kulturgenossenschaft und ihren Mitgliedern dreifach dankbar sein. Erstens haben sie ein Stück Stadtgeschichte bewahrt, das gerade wegen seiner vermeintlichen Alltäglichkeit stellvertretend steht für eine besondere Phase und Facette der Oldenburger Vergangenheit. Zweitens haben sie die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Kultur in Neu-Donnerschwee eine wundervolle Heimat bekommt und dass der Stadtteil im Nukleus GLOBE noch weiter zusammenwachsen kann. Und drittens haben sie gezeigt, wie weit man mit bürgerschaftlichem Engagement kommen kann.


Aus einem kühnen Traum oder einer verrückten Idee wurde tatsächlich Realität. Dass die Umsetzung lange andauert, schmälert die Leistung der Beteiligten nicht etwa, sondern erhöht sie noch. Es ist imponierend, wie sie über einen so langen Zeitraum durchgehalten haben und dabei nicht nur immer fleißig blieben, sondern auch kreativ. Wer selbst nur mal eine Wohnung renoviert oder ein Eigenheim saniert hat, weiß vielleicht, viel schnell die anfängliche Begeisterung verloren gehen kann. Etliche Maßnahmen überstehen den Reality Check nicht. Beim GLOBE aber ist jener enorme Enthusiasmus noch spürbar, der das Projekt von Anfang an ausgezeichnet hat. Dieser Spirit wird ganz besonders auch beim Preview Festival im November 2025 spürbar sein. Also: Seid dabei, wenn aus dem Kino endlich ein Kulturort wird.


 
 
bottom of page